Las JaMerruckte Po'rAr. Woii mag wissen, viel Grund, aridere Leute zu beneiden, is da nich hier in'ner Welt. Aber ich Hütt heut und diesen Tag Bauerfrau sein könn'n, und'n netten Mann Hütt' ich auch noch dazu gehabt, wenn nich' der stolze Heinrich da oben mir nachgestellt Hütt'. Willst Du das woll glauben, Du altes, zerrissenes Oberleder?" Sie klatschte ihn mit der Hand auf die Hüfte und lochte. „Das will ich gern glauben," sagte Lasse.„Denn Du warst das schönste Müdchen damals, als Tu von Hause weg- Hingst." „Ach was— Tu mit Deinem von Hause- weg," äffte sie ihm nach. „Na ja, ich kann natürlich sehen und auch verstehen, daß Tu am liebsten die Fußspuren hinter Dir auswischen willst. -Und ich kann auch gern fremd tun, wo ich Dich doch mehr als einmal aus meinem Schoß gehabt Hab', als Tu noch'ne kleine Dirn warst.— Aber weißt Du woll, daß Deine Mutter in' Sterben liegt?" „Ach ne! Ach ne!" rief sie aus und sah ihn mit einem Besicht an, das sich mehr und mehr verzerrte. »Ich sagt ihr ja Adjö, eh ich nu vor gut'n Monat von lHause wegging— sie war sehr elendig. Adjö, Lasse.— sagt' sie— und ich dank Dir auch für die gute Nachbarschaft all die Jahre. Und wenn Du Johanne da triffst, dann grüß sie,— sagte sie. Sie is ja ganz schrecklich runtergekommen, nach allem, was ich gehört Hab'— aber grüß sie darum docks von ihre Mutter. Die kleine Johanne, mein Kind! sie war ihrer Mutter Herzen am nächsten, darum hat sie auch da aufgetreten! Am Ende waren wir selbst schuld daran. Willst Du ihr das von ihrer Mutter sagen. Lasse? Das waren die Worte, die sie sagte— und nu is sie gewiß tot, so elendig, wie sie war." Johanne Pihl hatte die Gewalt über sich verloren. Es war offenbar nicht ihre Gewohnheit zu weinen, so wie es in ihr zerrte und ritz. Tränen kamen nicht, und sie quälte sich, als erdulde sie Geburtswehen.„Mutter, liebe, liebe Mutter!" sagte sie einmal über das andere und saß da aus dem Krippen- rand und wiegte sich hin und her. „So, so, so!" sagte Lasse und streichelte ihr den Kopf.„Ich Hab ja immer gesagt, sie wären zu hart gegen Dich gewesen. Aber wozu brauchtest Du auch aus'n Fenster zu kriechen— so'n Kind von sechzehn Jahr, wie Du warst, und bei nacht- schlafende Zeit! Man kann sich ja nich' wundern, wenn sie sich da ein bischen vergaßen. Und noch dazu, weil er für Kleider und Essen dient und ein böser Gesell war, der immer außer der Stellung kam." „Ich hatt' ihn ja aber lieb!" sagte Johanne und weinte. „Er war der Einzige, den ich jemals lieb gehabt Hab. Und ich glaubte, er Hütt mich auch lieb, wenn er mich auch nie ge- sehen hatt'— so dumm war ich." „Ach ja. Du warst ein Kind— das Hab' ich ja auch zu Deine Eltern gesagt. Aber, daß Du auf so was Unanständi- ges verfallen konnt'st." „Es war nichts Böses dabei, ich meinte bloß, wir beide -müßten zusammenhalten, so lieb, wie wir uns hatten. Nein, ich dachte das nicht einmal, ich kroch nur zu ihm rein— ohne mir weitere Gedanken dabei zu machen. Willst Du woll glauben, daß ich damals so rein war? Es geschah auch nichts Schlimmes." „Da is nich' mal was geschehen?" sagte Lasse.„Aber es is ja schrecklich, zu denken wie traurig das gegangen is. Und Harübev hat Dein Vater seinen Tod genommen?" (Fortsetzung folgt.s Hm Aleääing. Au? einem Berliner Skizzenbuch. Von Hans Michel Schneider. Am heiligen Weihnachtsabend liegt vor der verschlossenen Auhentür des Obdachlosenasyls in der Wiesenstraße ein Zerlumpter. Borübergehende Arbeiter fragen ihr Mitleid um Rat. Da sagt einer mit grimmigem Hohn: Laßt ihn erfrieren. Dann hat er wenigstens einmal eine schöne Weihnacht. Aus dem Pennerwinkel des Humboldthains schleppt der Park- Wächter ein jämmerliches Weibsbild. Was ist mit der? fragen die Leute. Der Schutzmann gibt Auskunft: Sie hat wieder zu viel ge- soffen. Nein, Herr Wachtmeister, ruft eine Stimme aus dem Volke, ich tvill Ihnen die Wahrheit sagen: sie hat zu wenig gegessenl » An einen, warmen Sommerferientage skommt«in Fremder in die Kösliner Straße und wundert sich ob der nacktsüßigen Kinder- scharen, die dort wie Unglückshäuflein hungrig vor den Häusern hocken. Das ist wohl die kinderreichste Straße Berlins ? heißt seine Frage an eine Frau. Ja, antwortet sie, wenn die Wanzen vor der Sonne verkriechen. kommen die Kinder raus. » Zwei weinselige Laffen aus der Zoo-Gegend wollen in einer sozialen Anwandlung„Pöbelstudien" ,m Norden machen und be» lustigen sich auf dem Rummelplatz der Müllerstraße an zwei blut- jungen Proletariertöchtern. Nachher hören die Umstehenden folgendes Gespräch mit der Mutter: Ihre Mädels sind Zwillinge. Das paßt ja großartig. Aber sie scheinen noch nicht sechszehn zu sein, und wir find Juristen und streng korrekt. Sagen Sie uns doch genau Tag und Stunde ihrer Geburt. Wir möchten uns das � äh— Borlaufsrecht sichern. Die Existenz dieses dreizehnjährigen, polnischen Schnürsenkel« Mädchens ist ein ständiger Kampf mit der Polizei. Sonntags in den Bürgerhäusern, werktags vor der Markthalle Dalldorfer Straße. Der Vater ist in Dalldorf , die Mutter krank. DeS Kindes Sehnsucht heißt ein Kleid zur Einsegnung. Ich werde zum Kaplan gehen und für Dich bitten.—— Weshalb denn nicht? Sage es doch! Sie wird sehr rot und weint.� Zwei von der Adolfftraße erzählen ihre Geschichte: Berta war voriges Jahr in der Schokoladenfabrik Hildebrand, hatte sich gut eingearbeitet und wöchentlich bis 23 Mark verdient. Da frug ein Sittenpolizist bei der Direktion nach ihrer Führung. Die Direktion setzte Berta wieder auf die Straße. Mieze sagt, daß es jetzt anders ist. Sonnabend stand der Sittenbeamte vor ihrem Geschäft, verfolgte sie bis nach Hause und ließ sich dort den Wochenlohn vorweisen. Da Arbeitskolleginnen nicht blind und auch messt keine Engel find, war die Wirkung dieselbe.— Berta ist alt und verbraucht. Doch sie muß für ihr Kind sorgen. Mieze ist noch jung und leidlich frisch. Sie möchte heiraten. Er braucht keinen Pfennig zu haben. Und arbeiten würde sie ganz alleine. Draußen heult der kalte Novemberregen sein endloses Lied. Berta schlürft in Pantinen, hellem Rock und zerfranztem Schulter- wch wieder ihr Karree. Bei Mieze ist der Zuhälter und prügelt sie. Der Sau der Hlpen. Von Dr. Ludwig Reinhardt. Die Entstehung aller Gebirge ist ganz einfach die Folge der fortschreitenden Abkühlung des Erdballs. Unsere Erde ist wie alle Himmelskörper überhaupt einst feurig-flüssig gewesen und hat sich bei fortschreitender Ausstrahlung der Wärme immer mehr zu- sammengezogen. Entsprechend der Schrumpfung durch Abkühlung jegt sich die starre Erdrinde an den Orten, wo der Untergrund dies zuläßt, in Falten, gleich wie ein längere Zeit aufbewahrter Apfel infolge Schwinden des Fleisches durch innere Atmung und Verdunstung möglich wird. Ungleichförmiges Nachsinken verschiedener Gebiete der Erd- rinde auf dem mehr und mehr infolge von Wärmeausstrahlung in das eisigkalte Weltall schwindenden Kern teilt die Oberfläche unseres Planeten in höherliegende Teile, die Kontinente, und tiefer gelegene Partien, die Meersgründe, in welchen das von den auf dem Festlande ausgelaugten Salzen angereicherte atmosphä- rische Wasser sich sammelt. Die Aeußerung der unter unseren Füßen in der Erdrinde fortschreitenden Gebirgsstauung sind die Erdbeben, die je und je in stärkerem oder schwächcrem Maße alle Teile der Erde heim- suchen, in welchen die Erde noch nicht eine länger dauernde Stabilität erlangt hat. Langsam und allmählich wie die Ab- kühlung geht die Gebirgsfaltung vor sich. Es ist noch nicht sehr lange her, da glaubten auch die zünftigen Geologen, daß einst die Gebirge jäh durch eine von unten her wirkende vulkanische Gewalt emporgehoben wurden. In dieser Weise erklärten sich noch vor 100 Jahren die Gelehrten die Entstehung der Alpen. wozu sie Anhaltspunkte in der Zusammensetzung des Gebirges selbst zu finden glaubten. Denn im Süden und Norden umgibt die Alpen ein schmaler Gürtel von steil aufgerichteten, in Waffer abgesetzten, vorzugsweise aus Kalk bestehenden Schichtgesteinen, während die Zentra'lgebiete von kristallinisch-körnigen Kieselsäuregestei- nen, wie Granit, Syenit, Gneis, Glimmerschiefer usw. eingenommen werden. Diese letzteren seien, so dachte man sichs, auf einer langen Spalte nach Art der feuerflüssig aus dem Erdinnern dringenden Laven einst aus der Tiefe hervorgequollen und hätten dabei die einst horizontal liegenden Tiefengesteine aufgerichtet, seitlich ge-, preßt und gefaltet. Je eingehender man aber den Bau der Alpen studierte, um sa mehr erkannte man, daß die Dinge hier nicht so einfach liegen- So kam man bald in Analogie mit deutschen und französischen,
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28 (13.1.1911) 9
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