Xkonnte. Jeder Fortschritt nach dieser Richtung hat aber den An-spruch auf höchste Beachtung.Im letzten„Bulletin Astronomique" hat der holländische Astro-nom Dr. Stroobandt eine Abhandlung veröffentlicht, worin ergeigt, bah die Sonne wahrscheinlich zu einer Strömung von Fix-steinen gehört, deren Mitglieder sich durch den Weltraum in dergleichen Richtung und wohl auch mit ungefähr derselben Ge-schwindigkeit bewegen. Es ist ohne weiteres anzunehmen, daß dieGenossen der Sonne unter den Fixsternen zu suchen sein werden,die sich am wenigsten zu bewegen scheinen, weil sie eben mit derSonne mitreisen. Von den sehr hellen Fixsternen rechnet Stroo-bandt 7 zu dieser Strömurz, und zwar den Schedir(Kassiopeja),den Algenib und Algol(Perseus), den Antares(Skorpion), denStern Gamma im Bilde des Schwans, den Marcab und Enif(Pegasus). Diese Sterne sind sämtlich mindestens zweiter unddritter Größe. Stroobandt hält es für undenkbar, daß von Illöbekannten Sternen dieser Größe sieben nur zufällig eine solcheGemeinsamkeit der Bewegung zeigen sollten, ist sich dessen aberbewußt, daß zum sicheren Nachweis dieser„Sonnenströmung" nochviele genauere Beobachtungen erforderlich sein werden. Uebrigensbezeichnet er noch 11 andere kleinere Sterne, die möglicherweisezu derselben Strömung zu rechnen sind.kleines feuitteton.Naturwissenschaftliches.ZZebensentwickelung im Kinematographen. Derhohe kulturelle Wert, den die Demonstration intimster und schwer-verständlicher biologischer Vorgänge in genau dem Leben entsprechen-der Weise zu erlangen im Begriff steht, hat dazu geführt, den Kine-matographen in den Dienst der wissenschaftlichen Forschung zustellen. Die bisherigen, allerdings geringen Erfahrungen mit dieserMethode haben da und dort zu neuen Erkenntnissen geführt und zurAufstellung neuer Theorien Anlaß gegeben. Doch wird der Haupt-wert vorläufig darauf beruhen, wichtige Erkenntnisse in fesselnderForm den Bildungsbedürftigen zugänglich zu machen. Das wirdmit dem kinematographischcn Film über„Befruchtung und ersteEntWickelung des tierischen Eies" versucht, der mit Erläuterungenvon Dr. Berndt im Blüthner-Saal weiteren Kreisen vorgeführtwurde.Als Material für Untersuchungen über die ersten Entwickelungs-Vorgänge der Tiere eignen sich besonders die Geschlechtszellen derStachelhäupter(Seesterne, Seeigel, Seewalzen), da hier die Be-fruchtung und erste Entwickclung nicht, wie bei den meisten Tieren,im Innern von Körpcrhöhlen stattfindet, sondern da die Stachel-chäuter(ähnlich wie die Fische) ihre Geschlechtsprodukte ins freieWasser entleeren, wo die verhältnismäßig kleinen, halbdurchsichtigenEier von den winzigen Samenfäden befruchtet werden und sich, voneiner durchsichtigen Schale umgeben, weiter entwickeln.Der Film zeigt deutlich zwei enorm vergrößerte lebende See-igeleier, in deren Umgebung man im Meerwasser die wimmelndenScharen der männlichen Samentierchen als kleine Klümpchen oderPünktchen erkennt. Es dauert nicht lange, so ist die Befruchtungvollzogen. Blitzschnell hat sich eines der winziger, aus Köpfchen undSchwanzgeißel bestehenden Samentierchen in zedcs Ei eingebohrt,um in der körnigen Plasmamasse des Eies zunächst zu versinken undfast zu verschwinden. Nun tritt auf dein Film eine wundervolle Ein-richtung der Natur aufs deutlichste in Erscheinung. Da der wich-tigste Teil des Eies, der Zell.ern, genau die eine Hälfte der auf das„Kind" zu übertragenden Erbmasse, der Hauptteil des Spermiums,der Kopf, genau die andere Hälfte repräsentiert, so darf zu einemEi immer nur ein väterliches Spermium gelangen, damit das Kinddie genaue Resultante zwischen Vater und Mutter sei. Im Moment,wo das erste Spermium den Wettlauf um das Ewigweibliche ge-Wonnen hat und vom Ei verschlungen wurde, umgibt eine undurch-lässige Schutzhülle das Ei. Es hebt sich in eben diesem Moment vonder Eioberfläche eine äußerst scharf begrenzte und auf dem kincmato-graphischen Bilde sehr scharf erkennbare Haut, die„Dottermcmbran",ab, die das Eindringen jedes weiteren Spermiums absolut vcr-{hindert. Samen- und Eikern, väterliches und mütterliches Erbteil,vereinigen sich nun, verborgen unter den körnigen Schichten des Ei-Plasmas, miteinander und es beginnt(nach einer im Film fort-gelassenen, ereignislosen Stnnde) der zweite Akt des Vorgangs, dieZellteilung des Eies oder die Furchung. Das befruchtete Ei an sichstellt schon im Prinzip den fertigen Organismus dar, der nur nochdurch Nahrungsaufnahme zu wachsen braucht, um zum erwachsenenTier, in diesem Fall Seeigel, zu werden. Auf das W i e des Wachs-tums kommt es an! Da das Ei e i» e Zelle ist, so muß es sich durchZellteilung vermehren. Wir sehen deutlich, wie im befruchtetenEi der helle, runde Kern sich hantelförmig einschnürt. Ziemlichplötzlich erfolgt dann die Einschnürung auch des Zelleibes des Eies,und das Auftreten der ersten Teilungs- oder Furchungsebene. Aus«iner Zelle sind zwei geworden, die brüderlich vereint in der ge-pleinsamen Schalenmembran liegen.Wieder vergeht eine ereignislose Stunde, die im Film nichtLerantw. Redakteur: Richard Barth, Berlin.— Druck u. Verlag:gebracht wird. Dann setzt in beiden Tochterzellen nach vorherigerdeutlicher Kerndurchschnürung die zweite Teilung ein. Nach kurzerPause geht es so weiter, aus 4 werden 3, aus 8 13, aus 1332 Zellen und so fort. Der innerhalb der durchsichtigen Membranliegende Zellhaufen wird, dem Auge des Zuschauers deutlichstsichtbar, durch jetzt ziemlich rapide erfolgende Zellteilungen zu-nächst zu einer massiven Zcllkugel— Maulbeerstadium„Morula"—, in deren Innern sich aber bald eine mit Gallerte erfüllteHöhle(Keimhöhle) ausbildet, wodurch alsdann das Stadium derhohlen Keimkugel, das berühmte und aus allen Lehrbüchern be-kannte B l a st u l a stadium wird. Die Wand der Blastula oder„Hohlkugellarve" ist eine einschichtige Zellage.Nicht lange dauert es nun, so sehen wir die Hohlkugeln,Blastula, innerhalb der Eimembranen in stürmische Bewegungengeraten— das Leben drängt nach ungebundener Freiheit in denWeiten des Ozeans! Auf der Zellwandschicht haben sich lange,schlagende Fortsätze,„Geißeln", ausgebildet, die die verzweifeltenBefreiungsversuche veranlassen. Plötzlich gelingt es einer Hohl-kugellarve, ihr Gefängnis zu sprengen, bald folgen andere nach undmunter schwimmen die Blastulae durch das Meer— in diesem Falldas Gesichtsfeld des Kinematographen.Die Weitercntwickelung der Seeigellarve zunächst zum be-rühmten Urmagenstadium,„Gastrula", und dann zum„Pluteus", der langstacheligen fast wie ein alter Fechterhut aus-sehenden Vorstufe des fertigen Seeigels, ist eine äußerst kontinuier-liche, langsam gradweis fortschreitende; aus diesem Grunde wurdeihre kinematographische Reproduktion tunlichst abgekürzt.Aus dem Gebiete der Chemie.Fortschritte der Chemie im Jahre 1910. Zweiauf ganz verschiedenen Gebieten liegende Errungenschaften sind ohneZweifel an die Spitze der Erfolge zu stellen, die von der chemischenWissenschaft im abgeschlossenen Jahre erstritten worden sind. Dieeine ist die Eutdeckimg des reinen metallischen Radium, die anderedie synthetische Herstellung der durch Professor Ehrlich zur Be-kämpsung der Syphilis empfohlenen chemischen Verbindung Samarsan.Die Chemie hat, wenn sich auch die Allgemeinheit weniger darumbekümmert, ein kaum geringeres Interesse an dem sogenannten 606als die Medizin, da der Aufbau dieses chemischen Körpers ein neuesGeheimnis ist, dessen Lösung zwar noch nicht ganz gelungen ist,aber zu erwarten steht. Es läßt sich noch nicht absehen, welcheweiteren Folgen die völlige Ueberwindung dieser Aufgabe haben wird.Mit mehr Klarheit läßt sich die Bedeutung der neuen großenTat von Frau Curie übersehen. Solange das Radium nicht inreinem Zustande ausgeschieden war, ließen sich seine Eigenschaftenimmer nur mangelhaft untersuchen. Da nun aber nie zuvor aufder Erde ein Körper gefunden worden ist, dessen Wesen für diegesamte Auffassung der Naturwissenschaften von größerer Be-deutung gewesen wäre als das Radium, so ist eine Ueber-ichätzung des neuen Erfolges, den das Jahr 1913 gebrachthat, kaum möglich. Wir wissen jetzt bereits durch die letzt-jährigen Forschungen, die Frau Curie zusammen mit ProfessorDebierne ausgeführt hat, daß das Radium ein metallischer Körperist, der zur Gruppe der Erden und im engeren Sinne zur Familiedes Barium, Strontium und Calcium gehört. Uebrigens ist es einmerkwürdiger Zufall, daß die erste Verkündung dieser Entdeckungziemlich genau 100 Jahre nach einer anderen folgenreichen Ent-deckung geschehen ist, nämlich nach der erstmaligen Ausscheidung derMetalle Kalium und Natrium durch Humphry Davy. Hoffentlich erhältnun Frau Curie in Anerkennung ihres neuen Verdienstes nicht nur dieMitgliedschaft der Pariser Akademie, sondern auch, woran ihr sichermehr gelegen ist, die Mittel zu der freilich kostspieligen Herstellungeiner genügend großen Menge reinen Radiums. Die Vertreter derNaturwissenschaft werden wohl in dem Urteil einig sein, daß es inFrankreich zurzeit keine wichtigere Kulturaufgabe gibt als diese.Sprach doch William Crookes im vergangenen November bei einemBankett, das die Chemische Gesellschaft Englands ihrem früherenPräsidenten gab, von dem Radium in folgenden Worten:„Es hatfast plötzlich unseren Glauben an die Ewigkeit de? Stoffes,an die Beständigkeit der Elemente, an die Wellentheorie desLichte« und an die Natur der Elektrizität erschüttert; es hatden Traum der Alchimisten und die Vorstellung von dem Gewinnewiger Jugend neu belebt und sogar Zweifel erregt, ob es über-Haupt eine Materie gibt". Crookes hat zwar immer eine Neigungzu hohen Worten gehabt, aber seine praktischen Verdienste um dieWissenschaft sind so groß, daß sein Loblied auf das Radium alsMerkzeichen bettachtet werden darf. Die eindrücklichsten Folgen derweiteren Radiumforschung werden vermutlich in neuen Nachweisender Wandlungsfähigkeit der Elemente bestehen. Frau Curie hat bereitsdie Vermutung ausgesprochen, daß sich Blei aus Polonium bildet,und vielleicht ist die Zeit nicht fem, wo auch das Gold, das alte Ziel derAlchemie, in den Bereich solcher Entdeckungen und Experimente ge-langen wird. Damit ist freilich noch nicht die Aussicht gegeben,Gold billig auf künstlichem Wege zu erhalten, da im Gegenteil dieRadiumforschungcn zu den teuersten gehören, denen sich ein Chemikerwidmen kann.Zu den erwähnten Leistungen des letzten JabreS ist außerdemnoch die Beobachtung zu rechnen, daß gewisse Bodenbakterien chemischeWirkungen ausüben, die sogar zur Zersetzung von Stahl und Eisenführen können.VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul SingerLCo., Berlin SW.