Dieser Mann also ßermieleke unS ein guieS. neiteS Boot , der- sprach unS gutes Wetter— was er immer tut— und wünschte uns eine glückliche Fahrt. Herr Steen bestieg unter großem Halloh das Boot. „Herr Steen— vorsehn l Das Wasser hat keine Balken!"— „Herr Steen. es wackelt!"—„Herr Steen, werden Sie nicht beim Einsteigen schon seekrank" und dergleichen mehr schwirrte dem Aermsten um den Kopf, der aber, zum Glück für die gute Stimmung, olles mit zynischer Gemütsruhe hinnahm und, als man sich müde geulkt hatte, trocken bemerkte, er müsse nur immer an unsere Eltern denken, für die unser Leben doch einen gewisien Sinn habe. Der Hafen war diesmal wieder groß und schön. Wer den Ham- durger Hafen in seinem Sonntagskleide sehen will, der muß ihn an einem sonnigen Arbeitstage sehen. Ich kenne kein überwälti- genderes Bild der Arbeit als dieses. Hier scheinen sich alle Ge- rausche der Welt zu vereinigen zu einer sausenden, rollenden, surrenden, hämmernden, knirschenden, pfeifenden, klirrenden, heulenden, stöhnenden, donnernden Symphonie der Arbeit. Hier sind wir nicht mehr in einem kleinen Staate, hier sind wir in der Welt. Hier weht Luft aus allen Zonen, Klang und Duft aus allen Breiten. Die Masten der Schiffe, dieser Zvklopenmauern, weisen in blaue Höhen, ihr gierig-scharfer, durchschneidender Bug in blaue Weiten. Hier braust dir in eine m Augenblick durch alle Adern wie Wein das ganze Kraftgefühl der Menschheit. Und das Heulen t>er Schiffssirenen gibt dir Antwort auf deinen Stolz: es ist ein wildauffahrender, wahnsinniger Wutschrei der unterjochten Natur- Iraft. Aber die ungeheuren Raubvogelschnäbel der Kräne holen unermüdlich neue Schätze aus den strotzenden Bäuchen der Schiffe hervor und streuen sie hinaus ins Land, unermüdlich, unermüdlich. Und droben auf dem Schiff, dessen steile Wand nun unmittelbar, zum Greifen nahe fast, neben uns emporsteigt, jäh. still, drohend, lauernd, als wollte sie im nächsten Augenblick sich neigen und uns zermalmen— droben an der Reeling tanzt ein steinkohlen- geschwärzter Arbeiter mit humorvollen Sprüngen zu einer Musik, die von einem Vergnügungsfahrzeug her lustig über die Wellen hüpft. Und auf dem Heck eines Chinafahrers sitzt eine deutsche Mutter und läßt ihr rundes Bübcben auf dem Arme tanzen zu eben jener Musik.„Musiiik! Musiiikl" hallt eS von allen Ouais und Schiffen und aus allen Speichern, als die heitere Weise ver- stummt ist. Sie wollen Musik. Und über allem ist Sonne. Wenn ich so durch diesen Hafen fahre, dann sehe ich ihn: den großen Triumphtag der Arbeit, da alles, was arbeitet, frei wird von gemeiner Sorge und frei wird zu reinerer Lust. So wird er aussehen, wie dieses große Bild voll Leben, Tat und Sonne. Ich weiß, ich weiß: dies ist nur ein Bild, und der Tag ist noch nicht da. Aber zuweilen sah ich ihn schimmern um die Masten dieser Schiffe und um die Dächer dieser Stadt. Und dann stromab an den stillen, heimlich umbuschten Ufern von Neumühlen und Oevelgönne. Othmarschen und Nienstedten vorüber, bis zu dem sauber blinkenden, weiß und grünen Finken- wärder. Immer größer, immer breiter, immer ruhiger der Strom, wie ein großes Leben, das von Stunde zu Stunde die Welt mit größerem Blick umfaßt und nun immer klarer, segensreicher, mäch- tiger und stiller wird. Er fließt nach Westen, dieser Strom, und so ergießt er an jedem schönen Abend seine breite Flut in das purpurne Meer der Sonne. Sein Drängen und Treiben endet im Lichte. Das ist mir von Kindheit auf ein gewohntes, heiliges Bild. Drüben, im allerfernsten Hause, das der Blick noch erreichen kann, blinken die Fensterscheiben von lauter Sonne. Das. ihr Brüder vom Gebirge, ist uns Kindern der Ebene Seligkeit: auf zwei Meilen weit dem Rachbar im stillen Herzen eine gute Nacht zu wünschen, wenn aus seinem Fenster die Abendsonne uns zunickt. Das ist uns Seligkeit: stundenlang wandern und fahren und fahren und wandern können und immer das Auge Raum trinken laffen, so viel es mag, ohne zu fürchten, er könnte alle werden. Was noch hinter diesem lachenden Horizont an dustig-Naren Weiten liegt, das trinkt ein Auge nicht aus. Ich liebe euer©«birge von ganzem Herzen; aber jeden Morgen, wenn ich zum Fenster hinaussehe. ja bei allem Tagewerk gegen hohe Wände zu blicken, das hielt ich nicht aus. Das Herz, das mir in den Augen brennt und drängt, es würde ganz auf eigene Hand sterben vor Sehnsucht� Jetzt durch die einsamen Grachten zwischen den Elbinscln hin- durch, wo die Ruder an beiden Seiten ins Gras schlagen, in das hohe GraS, das den Rindern bis zum Bauche reicht, wo leise der Wind die Halme streichelt, wie eine Mutter die Stirn ihres schlafenden Kindes, wo kaum ein Laut vernehmbar ist als ab und zu das dumpfe, sattbehagliche Brummen einer Kuh. Natürlich kehrten wir bei„Mutter Thiesien" ein. (Schluß folgt.) Preußifchc Kaiferpräne JSapolcona. „„ Eine Denkschrift Tallehrand». ' Zu den dümmsten, aber auch zähesten Leaenden preußischer ftleschichlöschreibung gehört die Darstellung, daß der erste Napoleon ouS wildem Ehrgeiz und unersättlicher Länderraubgier 1806 das arme Preußen überfallen und zerstückelt habe; Eofür dann in den „Freiheitskriegen" herrliche Vergeltung geübt worden sei. In Wahrheit hatte Napoleon seine weltgeschichtliche Aufgab« von der Revolution übernommen. Seine ganze Politik war be» herrscht durch die Notwendigkeit, England, den führenden Bundes« genossen des feudalen Europa , den eifersüchtigen Alleinherrscher über Handel und Industrie der'ganzen Welt, niederzuwerfen. Zu diesem Zwecke mußte er England isolieren und dessen Helfer, in erster Linie Rußland , bändigen. Diesem Ziele diente ein Bündnis mit Preußen, dessen militärische Leistungsfähigkeit Napoleon über« schätzte. Napoleon wollte in einem starken Preußen sich einen Bundesgenossen gegen England und Rußland werben; nur die feige und blinde Angst der preußi- schen Machthaber durchkreuzte die napoleonische Politik und veran, laßte die rasche Wendung Napoleons und rn der Folge den Zu« sammenbruch Preußens. Diese Tatsachen werden aufs neue bewiesen durch eine inter« essante Denkschrift Talleyrands, die bisher unbekannt war und di« Paul B a i l l e u soeben in der„Zeitschrift für osteuropäische Ge« schichte" veröffentlicht. Die Denkschrift stammt von Anfang Sep« tember 1806, also unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges. „In der Festland- wie in der Seepolitik(so heißt es in der Ur- tunde, aus der wir einen Auszug bersetzen) hat Frankreich nu« einen Feind: England. Zur See bedarf England keiner Hilfe- Dagegen hat es sie in einer Kontinentalpolitik notwendig. Seil? natürlicher Bundesgenosse ist Rußland . Nur zwei Mächte stehen außerhalb des Bündnissystems Frank« reichs, ich meine Preußen und Oesterreich. Ich nenne Preußen, denn der letzte Bündnisvertrag, den man mit ihm gemacht hat« wurde von ihm mit so ängstlichem Zögern abgeschlossen,(daß man ihn nicht rechnen kann). Preußen hat Furcht, weil es verzagt ist und falsch gewesen istZ es hat Furcht, weil«S fühlt, daß es kein Recht hat, eine freimütige Aufrichtigkeit zu fordern, die Opfer veranlassen würde, deren Werk alles übertrifft, was seine Macht, sein Bündnis und seine Neigung gelten könnte. Es hat Furcht, weil es zuletzt gesehen hat. daß Frankreich das deutsche Kaiserreich zerstört hat, wie durch einer» Zauberstreich und ohne seine Genehmigung. Preuße» hat Furcht, weil man bei dieser Gelegenheit kein« Rücksicht auf seine nachbarlichen Interessen genommen hat, auch nichH auf seine freundschaftlichen und Familienbeziehungen, weil mar? auf der deutschen Landkarte die famose Neutralitätslinie des Nor- dens ausgewischt hat und auf der Liste der Fürsten den Schwager seines Königs. Es hat Furcht, weil zu seiner Verfügung nur noch Hessen-Kassel und Sachsen bleibt, und weil, durch den Aufstieg Frankreichs , das eine ihm durch die Unabhängigkeit, das andere durch den Anschluß an den Rheinbund verloren ging. Endlich hat Preußen Furcht— aber dieses Motiv schreibe ich keinen Ministern nur zu, sofern sie fähig sein sollten, in die Tiefen der großen Grundsätze der allgemeinen europäischen Politik cinzu- dringen—, es hat Furcht, weil es fühlen mutz, daß in der gegen» wältigen Lage sein Bündnis den Zielen Frankreichs nicht genügt. Was sind die Ziele Frankreichs hinsichtlich der Vollendung seines Bündnissystems? Europa den Russen, als den natürlichen Helfern Englands, zu schließen. Doch Hannover (das Frankreich England abgenommen und Preußen übergeben hatte) genügt für diesen Zweck nicht. Preußen muß mächtig genug im Norden Deutschlands sein, um dort die Politik aller Höfe zu beherrschen und sie kräftig und entscheidend gegen Ruhland zu lenken. Es muß genügend Einfluß auf Schweden und Dänemark haben, um sie zu zwingen, mit ihn» gemeinsam die Aufgabe zu vollführen, den Sund den Engländern zu sperren. Wenn Preußen dieses Streben hätte, wenn es verstände, eine kraftvolle Haltung einzunehmen, wie sie seinen wirklichen Machtmitteln und seinem Reichtum entspräche, wenn eS sich dann' auf dem Gebiete der deutschen Interessen Frankreich anvertraute, während es fest und stolz dieselben Interessen gegen die Angriffe des Nordens verteidigte, dann würde es eine große Macht werden und ein würdiger Verbündeter des französischen Kaiserreichs. Man muß zugestehen, daß viele moralische Erwägungen für dieses Bünd» niS sprechen, in seinem kräftigsten und weitesten Sinne. Frankreich bat es nötig, daß es in seinen Plänen nicht gestört werde durch Vorurteile, die aus Empfindlichkeit und Verletztheit entstanden sind, auch nicht durch Ideen von Vorherrschaft, Religion, Verwandtschaff! und Alter. Preußen ist gänzlich frei von solchen Beziehungen. Es ist durch Frankreich nicht verkleinert, erniedrigt, geplündert worden. Und wenn es nicht an Ruhm, auch nicht an wirklicher Macht in der französischen Revolution gewonnen hat, so hat es doch an Machtmitteln und Besitz gewonnen. ES ist auch kein alter Staat. Alle Staaten Teutschlands ändern Umfang und Namen. Die Fürsten vergrößern sich und gewinnen neues Wesen. Preußen hat in allen diesen Beziehungen kein von Frankreich abweichendes Interesse. Man kann noch sagen, daß bei der Vermehrung der König» tümer, die jetzt erfolgt ist, die Königswürde gleichsam im Kurs gesunken ist durch die Kleinheit des UmfangS und die geringe Be» Völkerungszahl, und daß deshalb das Angebot der Kaiser » kröne an Preußen ihm in diesem wichtigen Punkt ein neue?, dem des französischen Kaiserreichs gleichlaufendes Interesse gibt. Frankreich mutz den Katholizismus für seine Zwecke gebrauchen und die Leitung dieses großen Gebietes des moralischen Einflusses auf Regierungen und Völker beherrschen. Preußen hat weder Grund noch Vorwand. Frankreich m dieser Beziehung die Kejjnng streitig zu machen,