Unterhaltungsblatt des vorwärtsNr. 21. Dienstag den 31. Januar. 1911tRachdruck tnisttu.)81] pelle der Eroberer.Roman von Martin Andersen Nexö.Autorisierte Uebersetzung von Mathilde Mann.„Du hast woll'ne dänisck)« Frau." sagte Lasie bewundernd.„Und'ne Kuh hast Du auch!"„Ja. Ihr seid hier nich bei armen Leuten." erwiderteKalle und brüstete sich.„Tie Katze gehört auch mit zum Vieh-stand— und Natten, so viele, wie sie fresien mag."Jetzt kam die Frau atemlos herein und sah erstaunt dieFremden an.„Ja. die Hebamme is wieder weg," sagte Kalle.„Siehalt keine Zeit, wir mußten es auf ein andermal verschieben.Aber das da sind vornehme Gäste. Du inußt Dir die Nase mitden Fingern ausschnauben, ehe Tu die Hand gibst."„Ach, Du Possenreißer, ich bin doch auch kein Kind mehr.Das is Lasie, das kann ich mir denken, und Pelle!" sie gab dieHand. Sie war klein, so wie der Mann, lächelte beständig undhatte krmmne Arme und Beine, so wie er. Die sckiwere Arbeitund der gemütlickze Sinn gaben ihnen beiden ein rundlichesAussehen.„Na. hier is ja ein Segen Gottes an Kindern!" sagteLasse, indem er sich umsah Ta lagen drei in der Bettbankunterm Fenster, zwei kleinere an dem einen Ende und einlanger zwölfjähriger Junge an dem anderen- seine schwarzenFüße guckten zwischen den Köpfen der kleinen Mädchen heroor.Außerdem waren Lagerstätten auf Stühlen, in einem altenBacktrog und auf dem bloßen Fußboden aufgemacht.„Hm, ja, ein paar Gören haben wir zusammengeschrabt,"sagte Kalle und lief vergebens herum, um den Gästen eineSitzgelegenheit zu verschaffen— alles war von den schlafendenMildern in Anspruch genommen.„Ihr müßt einen Klecks hin-spucken und Euch da reinsetzen," sagte er lachend.Aber jetzt kam die Frau mit einer Waschbank und einemleeren Bierfaß herein.„Bitte schön, setzt Euch!" sagte sie und brachte die Sitzeum den Tisch herum an.„Und dann müßt Ihr es sehr ent-schuldigen, aber die Kinder müssen ja auch irgendwo ab-bleiben."Kalle schob sich dazwischen und hockte auf dem Rande derBettbaick.„Ja, ein paar haben wir ja zusammengeschrabt."wiederholte er,„man muß an seine alten Tage denken, solangedie Kräfte noch ausreichen. Das Dutzend haben wir voll, undder Anfang zum zweiten is gelegt. Das war nu eigentlichnich die Absicht, aber Muttern hat uns angeführt." Er kraultesich im Nacken und sah ungeheuer verzweifelt aus.Die Frau stand mitten in der Swbe, die Hände ruhtenauf dem Magen: die Nocke ivaren vorne beträchtlich kurz.„Wenn es bloß diesmal nich auch wieder Zwillinge werden,"sagte sie lachend.„Das würd ja allerdings eine große Ersparnis sein, wennwir die Madame doch holen lassen müssen," meinte Kalle.„DieLeute sagen ja von Muttern, daß sie die Kinder immer zählenmuß, wenn sie sie zu Bett gebracht hat, damit sie»oeiß, ob sieauch all' da sind. Aber das sind ausgestunkcne Lügen, dennsie kann gar nich weiter zählen als bis zehn."Im Alkoven fing eins der Kleinen an zu weinen. DieMutter zog es heraus und setzte sich auf den Nand der Bettbank, um ihm die Brust zu geben. Sie saß mit der entblößtenBrust ihnen zugekehrt und kitzelte das Kleine mit der Brust-Warze an der Nase, um es zum Lachen zu bringen. Kalle sahsie verliebt an.„Marie hat immer so'ne feine Haut gehabt.wie'ne Pasterstochter," sagte er und sah die anderen stolz an.„Das is die Kleinste!" sagte die Mutter und hielt sie Lasiehin. Er piekte mit einem krummen Finger nach ihren Hals.„So ein Dicksack!" sagte er mit verschleierter Stimmeer hatte Kinder gern.„Und wie heißt sie denn?"„Sie heißt Dutzine, Schlrißine— denn damals meintenwir ja. daß es ein Ende haben sollte. Und sie ist außerdemdie Zwölfte."„Dutzine, Schkußine! Das ist doch ein verdammt feinerName!" rief Lasse aus.„Das klingt wahrhaftig, als könntes'ne Prinzessin sein."„Ja, und die, die davor kommt, heißt Elfriede— von elfhergeleitet, verstehst Du— die liegt da im Backtrog," sagteKalle. Und der davor heißt Zensius, und denn kommt Neun.auge und dann Achmes. Die, die dann kommen, heißen nichnach den Zahlen, denn dazumals dachte ja kein Mensch daran,daß es so viele werden würden. Aber da is Mutter schuldan, so wie sie blos'n Flicken auf meine Arbeitshose setzen soll,gleich is das Malheur da."„Du sollst Dich wirklich schämen, daß Du Dich auf dieWeise drum rum drücken willst," sagte die Frau und drohteihm.„Aber was die Namen anbetrifft," wandte sie sich anLasse,„so können sich die andern auch wirklich nich beklagen.Albert, Anna, Alfred, Albinius, Anton, Alma und Aloilda—wart mal,— ja, das sind sie all'— sie können nie sagen, daßsie übervorteilt sind. Vater hat das damals mit die„Ä" raus,es sollt sich all auf A reimen. Er hat es immer so leicht mitdas Dichten gehabt." Sie sah ihn bewundernd an.Kalle zwinkerte mit den Augen vor Verschämtheit.„Ne,aber das is ja der erste Buchstab' soviel ich weiß— und schönklingt es ja," sagte er bescheiden.„Ja. er is ja so klug, so was rauszufinden— er hätteigentlich studieren sollen. Mein Kopf hätt nu nie zu so wasgetaugt. Er wollt eigentlich, daß die Namen alle mit'n Aanfangen und enden sollten, aber bei die Jungs wollt' das janicht gehen: da mußt er sich denn doch geben. Aber er hat jaauch weiter keine Büchergelehrsamkeit."„Ne, weißt Tu was, Mutter, gegeben Hab ich mich garnich. Für den ersten Jung halt' ich auch'n Namen gemacht,der vorn und hinten ein A hatt'. Aber da machten der Pastorund der Küster Schwierigkeiten und ich mußt es fahren lassen.Sie hatten ja auch bei Neuiwuge was einzuwenden, aber daschlug ich auf den Tisch— denn Kalle kann auch wütendwerden, wenn er zu doll gereizt wird.— Ich Hab' nu inuner'ne Vorliebe dafür gehabt, daß in allens Sinn und Zu.sammenhang is: und es is gar nich so übel, lvenn da auch fürdie, die tiefer suchen, was ausfindig zu machen is.— Is Dirwoll bei dem ersten Namen was Besonderes aufgefallen,Bruder Lasse?"„Ne," antwortete Lasie unsicher,„nich, daß ich wüßt. Aberich Hab auch keinen Kopf für so was."„Ja. sieh mal. Anna, das bleibt sich genau dasselbe, ovman es von hinten oder von vorne liest— ganz akkurat dasselbe. Das sollst Du gleich mal sehen." Er nahm eine Kntber.tafel, die an der Wand hing mit einem Stummel Griffeldaran und fing mühsam an, den Namen zu schreiben.„StueQmal her, Bruder!"„Ja, ich kann ja nich lesen," sagte Lasse und schüttelte vcr»zagt den Kopf.„Also das bleibt sich ganz gleich von vorneund von hinten?— Das is doch des Deubels,— ne, wiesonderbar das is!" Er konnte sich gar nicht von seiner Wer-wunderung erholen.„Aber nu kommt noch was Merkwürdigeres!" sagte Kalleund sah den Bruder über die Tafel an.„Sieh, dies is doch'ne Acht und wenn ich die nu auf dm Kopf stell', so bleibt eZdoch dasselbe. Sieh bloß mal. Du!" Er schrieb eine Acht.Lasse drehte die Tafel hin und her und starrte:„Ja, bei Gott in' Himmel, das bleibt sich ganz egal,kuck bloß mal. Pelle! Das is so wis die Katz. die immer aufihre vier Beine zu stehen kommt, wie man sie auch runter-schmeißt. Herr, Du meines Lebens, muß das fein sein, buch.ftabieren zu können! Wo hast Du das bloß gelernt, Bruder?"„Ach," sagte Kalle überlegen—„ich Hab ja dabei gesessenund ein bißchen zugekuckt, wenn Mutter die Kleinen daslA-B-C gelernt hat. Wenn man bloß seinen Grips in Orb-nung hat."„Nu soll Pelle ja bald in die Schule," sagte Lasse sinnend.„dann könnt' ich am End' auch noch--- denn es wär' jagar zu schön. Aber ich Hab' woll keinen Kopf dazu? Ne, ichHab' woll keinen Kopf dazu." Das klang ganz verzagt.Kalle schien ihm nicht widersprechen zu wollen. AberPelle nahm sich vor, daß er dem Vater einmal Lesen undSchreiben beibringen wollte— und zwar viel besser, als OheimKalle es konnte.„Aber wir vergessen ja ganz, daß wir einen Weihnachis-trunk mitgebracht haben!" sagte Lasse und knüpfte das Tuchauf.