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all an einen Gott!" Diese drei Gesänge waren das Pensum für den Winter, und nun hatte er die Kinder endlich nach einer ungeheuren Arbeit so weit, daß fie sie einigermaßen im Chor singen konnten.

Das Gesangbuch war Lehrer Fris Lebenswert, eine bierzigjährige Tätigkeit als Küfter hatte es mit sich geführt, daß er das ganze Buch auswendig wußte. Dazu kam dann noch die angeborene Anlage! Fris war von Kindheit an zum Geistlichen bestimmt gewesen und hatte in seiner Jugend die erforderlichen Studien betrieben. Gottes Wort entströmte seinem Munde gefällig, und er hatte die besten Aussichten, als ein boshafter Vogel ganz unten aus Pharaos Lande ge flogen fam, um ihn ins Unglück zu bringen. Fris fiel zwei Treppen herunter, vom Seelsorger zum Küster und Büchsen­Spanner. Er faßte das mit den Kindern als fast zu durch fichtige Strafe des Himmels auf und richtete die Schule wie ein Pfarramt im kleinen ein.

Das ganze Dorf trug die Spuren seiner Wirksamkeit; e3 sah nur schwach aus mit Lesen und Schreiben, sobald es sich aber um Gesangbuchverse und Bibelstellen handelte, waren diese Fischer und kleinen Handwerker nicht leicht aus dem Felde zu schlagen. Fris schrieb sich die Ehre zu, daß die Er­wachsenen in einigermaßen geregelten Verhältnissen lebten und die Jungen eine ordentliche Heuer bekamen. Er folgte jedem einzelnen mit einer Art Baterauge und fand sie eigent­lich alle wohlgelungen. Und er stand sich gut mit ihnen, wenn sie erst die Schule verlassen hatten; dann kamen sie wohl zu dem alten Junggesellen und plauderten mit ihm oder er leichterten ihr Gewissen in bezug auf dies oder jenes.

Mit der verdammten Brut, die gerade augenblicklich die Schulbänke drückte, war es dahingegen eine ganz andere Sache; sie wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die Ge­Lehrsamkeit und Fris prophezeite ihnen nichts Gutes für die Zukunft.

( Fortsetzung folgt.)

Ansiedler- Gefchichten aus Nord­

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land.

Bon Andreas Haukland  . Lemming.

Der Himmel im Westen war ganz rot bom Widerschein der schwindenden Sonne. Wie Feuerstreifen erstreckte der goldene Schimmer sich hoch oben am blauen Himmel. Aber am Rande, wo Himmel und Gebirge in eins zusammenliefen, da war es, als ob der Himmel von der Wärme aufgebauscht würde, als lehne er sich ruhend an den Felsen an, purpurrot vor Hibe. Doch draußen über der großen Hochebene wurde die Luft gegen die Nacht hin immer bläulicher. Es war als stiege von Etein und Moor und Sumpf ein dünner blauer Rauch empor, der stehen blieb und bebte, still und durchsichtig, und nicht schwinden wollte. Hier und da leuchteten die Hügel und die kleinen Berg­rüden in einem grauweißen Schimmer, dort, wo das Renntier­moos dicht wuchs. In den Niederungen, wo die Erde von Feuchtig­keit durchzogen war, troch die Dunkelheit zwischen dem starren Sumpfgras empor.

Allmählich, während der Himmel im Westen erlosch, wurde es immer dunkler über der Hochebene, bis jede Senkung fast schwarz dalag. Nur die Berggipfel mit dem weißgrauen Moose leuchteten wie Schaumfämme auf dunkler See.

Es schritten drei Männer übers Gebirge. Steinar und seine Söhne. Sie gingen so weit voneinander entfernt, daß sie sich gerade hören konnten, wenn sie hie und da ein langes O- hoo- i! schrien.

Mehrere Tage schon hatten sie nach einem ihrer Ochsen ge­sucht, der sich von der Herde entfernt hatte.

Wenn sie zu einem Hügel tamen, stiegen sie hinauf und starr­ten ins Weite. Und es fonnte geschehen, daß jeder auf einem anderen Hügel stand und sich alle brei zugleich wie unbewegliche Silhouetten vom Himmel abhoben.

Da geschah es, daß ihr Blick bis dorthin reichte, wo das Gebirge steil gegen Tal und Wald abfiel. Sie sahen dann die dunkle Hochebene plöblich in schroffe Finsternis hinabstürzen. Es über­fam sie ein Gefühl, auf einem Stück Land zu stehen, das plötzlich aus einem ungeheuren Abgrunde emporgehoben war. Sie blieben stehen und trochen zusammen unter der Einsamkeit und der ent­setzlichen Dede.

Bis einer von ihnen rief, und seine Stimme wurde, unwill­türlich heiser, fast gurgelnd: " Seht Ihr etwas?"

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Dann wanderten sie wieder weiter.

Um Mitternacht legten sie sich in das Heidekraut und schliefen ein paar Stunden, bis der erste Tagesschimmer über dem Felsen im Osten sichtbar wurde. Dann bgeannen sie wieder suchend über die Hochebene zu Es war noch halb dunkel, daß sie das Auge anstrengen mußten, um Steine und Erde und Moorflächen und Sümpfe voneinander unterscheiden zu können.

wandern.

Hier und da flatterte eine Schar Schneehühner vor ihnen auf und zerstreute sich und suchte sich unter der friechenden Zwerg­birke oder zwischen dem hohen Heidekraut ein Versteckt. Einmal lief nicht davon. Nur etwas Braunes bewegte sich zwischen all sahen sie einen Bielfraß zwischen den Steinen umherschleichen. Er dem Unbeweglichen.

In gerader Richtung vor sich sahen sie jeht, weit entfernt, die großen Gipfel, auf denen der Schnee ewig lag und das wilde Renntier herdenweise im Sommer umherging.

Sie hatten das Ende der Hochebene erreicht. Der Anstieg be= gann, der zum wildesten Hochgebirge hinanführte. und blidten zu den Anhöhen hinauf, und wußten, alle drei, daß Ganz nahe waren sie jeßt einander. Und sie blieben stehen sie jetzt umkehren mußten. Es hatte keinen Zweck, dort oben zu suchen.

Aber wie sie dort standen, sahen sie den einen lautlosen Bogel nach dem andern sich von den Felswänden erheben und eine Weile in der strahlenden Luft schweben und dann abwärts schießen, wie ein Stein, der fällt und verschwindet. Es waren Eulen auf der Jagd. Und als die Blicke der drei den stürzenden Flug lebte, als sei jedem Moosbüschel im Gebirge Leben eingehaucht der Vögel zur Erde verfolgten, sahen sie, daß die ganze Bergwand worden.

Der Lemming! Der Lemming! Der Lemming! sagten fie alle drei vor sich.

Während der Tag über den Gipfel emporstieg und der Schnee auf den obersten Spißen wie von Gold überspült wurde, und der Himmel immer fräftiger zu erröten begann, standen sie und sahen die kleinen Tiere zu Millionen in die Gebirgsebene hinabwandern. So weit ihr Auge reichte, war der Abhang bededt von einem Gewimmel gelb und schwarz gefledter Tiere. Und über ihnen schwebten die Eulen wie große, lautlose Blätter. Sie verschwanden, eine nach der andern, während der Tag emporstieg und das Licht über das Gebirge drang.

Als die Sonne wie eine Flammenblume über dem weißen Gipfel stand, schwebten nur zwei braune Adler in ruhigen Ringen hoch oben.

Aber die Lemmingwanderung nahm ihren Fortgang, unauf­hörlich und endlos. Wie ein Strom, der immer weiter rieselt und riefelt, tamen fie. Wie ein Bergftura fleiner Steine, der immer weiter rollt und rollt, so wimmelten sie hinab.

Steinars Geficht verdüsterte sich immer mehr. Er wußte, nichts fennte diesen fressenden Fluß hemmen Er würde seine Weide pläße und die Heuwiesen überspülen und sie schwarz nagen. Er würde über Abstürze talwärts schäumen. Er würde die Erde auf­wühlen wie eine Lawine. Er würde in den Hofplatz seines Hauses dringen. Wenn er über seine Wiesen geglitten war, würde dort nichts mehr sein als loderes faulendes Moos. Sie würde: in den Quellen ertrinken, die kleinen Teufel und das Waffec verpesten. Sie würden in seinen Brunnen stürzen und ihn veri giften. Ihre Kadaver würden aller Orten liegen. Sie würden die Pest in den Viehstand tragen. Er wußte, es war schon vor= gekommen, daß das Vieh sie gefressen hatte. Und die abgenagten, Felder brauchten Jahre, che sie wieder üppig und dicht wuchsen wie zubor.

Er ballte seine Hand und erhob sie, um diese Plage zu ber­wünschen. Aber er ließ sie wieder sinken. Blidte zu Boden und schwieg. Denn das waren ja teine Geschöpfe wie andere Geschöpfe. Sie wurden ja mit dem Nebel auf das Gebirge getragen. Sie regneten ja vom Himmel herab, wie Hagel und verwüstendes Unwetter. Orm blickte den Vater an und verstand ihn.

Auch sein Gesicht verdüsterte sich. Es gab die Mienen des Baters wieder wie ein Spiegel.

Aber Brynjulbs Augen ergözten sich an dem Anblid. Er war nicht ernsthaft genug, um das krabbelnde Ungeziefer zu haffen. Es fang in ihm wie Freude beim Anblick des wimmelnden Lebens in der großen Dede.

( Fortsegung folgt.)]

Die Kunft der Eiszeit.

Längst hat die Wissenschaft festgestellt, daß der Mensch Hundert. tausende von Jahren zurückreicht bis tief ins Tertiär, und daß die einstige Annahme, erst an der Schwelle der historischen Ueberliefe­rung sei der Beherrscher der Erde in seiner Entwidelung auf eine menschlich zu nennende Kulturstufe gelangt, heute unhaltbar ge= worden ist. Die neuesten babylonischen Ausgrabungen haben aus

Und die anderen antworteten, gleichsam erwachend, und ihre einer Epoche, die um 5-6000 Jahre zurückliegt, steinerne Doku­Stimmen bebien:

Nein!"

mente eines mächtigen, hochentwidelten Staatswesens zutage gefordert, und die letzten Dämmerschatten der sich in nebelhaftem