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fich zu wundern. Und immer wieder folgt diese wegwerfende Be wegung der Hand. Bis das Körbchen gefüllt ist. Niemand darf es sehen. Es soll Diebstahl sein oder Fund­unterschlagung oder sonst dergleichen. Aber jeder sieht es.

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Die Anwohner der schwarzen Gasse berraten sich nicht. Arg­wöhnische Leute reden von einem geheimen Verbrecherbund". und es ist doch nur die Milde des Sünders, der nicht richtet, auf daß er nicht gerichtet werde, ist das stillschweigende Verstehen unter Leuten, die weder Geld noch eine Zentralheizung befizen.

Bor furzem aber ist es hier zu einem schweren Kampf gekommen. Unter den Anwohnern der Gasse selbst.

Es schneite und fror.

Das Telephon im Kontor des Kohlenhofes lingelte fast un­ausgesetzt, und eine Bestellung nach der anderen wurde abgerufen. Die Wagen Inarrten überall davon. Die legten und sonst nur zu leichteren Lasten verwendeten Gefährte mußten in Dienst gestellt werden.

Es wurde ein reicher Erntetag für die Bewohner der schwarzen Gaffe. In der Nacht vorher hatte der Schnee die Straße überdeckt und die Wagenspuren unsichtbar gemacht.

Nun holperten die schweren Gefährte unsicher auf dem Pflaster dahin und streuten die Ueberlaft nach allen Seiten. Wie ein schmutziger Hermelin sah die Gasse aus. Die Kohlen gruben sich in den Schnee; ein Teil von ihnen wurde von den nachkommenden Bferdehufen zertreten und bon den Wagenrädern zermalmt. Schwarzer Brei füllte die Epuren und sammelte sich stellenweise zu breiten Pfützen.

Es begann fon zu dämmern, und um die auffladernden gelben Gaslaternen legte sich ein grauer Dunftschleier, als die legten Wagen den Hof verließen.

Ungefähr in der Mitte der Gasse brach einer von ihnen zu­sammen. Ein Hinterrad hatte sich abgelöst. Die Last rutschte nach hinten, brach ein Brett heraus und legte sich zum größten Teil auf das Pflaster.

Der Kutscher fluchte. Nicht leise. Er war seit sechs Uhr morgens auf den Beinen, und dies sollte für heute seine letzte Fahrt sein.

Er hatte kaum die Pferde ausgespannt und sich mit ihnen zurüd nach dem Platz gewandt, um einen andern Wagen und Hilfe zu holen, da war's auch schon schwarz von Menschen rings um das zu fammengebrochene Gefährt. Wer ein Stüd nimmt, fommt ins Buchthaus!" schrie der Stutscher. Dann trieb er die Pferde davon.

Und nun war's, wie wenn Ameisen sich auf den Leichnam eines Hasen werfen. Mit Körben, Kisten, Eimern drängten die Leute heran; sie warfen sich in die Knie oder stürzten der Länge nach auf die Stohlen; sie rafften mit heißen, gierigen Händen in die Gefäße, stopften sich die Taschen voll, füllten Schürzen und Säcke. Aber ehe Die ersten fertig waren, drängten die anderen herzu; es fezte Schimpfworte, Büffe und plötzlich war's ein dider, strudelnder Menschenknäuel, in dem sich Arme und Hände erhoben. Brüllende Männerstimmen, freischende, gellende Töne aus Frauenmund, schreiende Kinder, Klatschende Schläge.

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Einzelne lösen sich los von dem wirren, fluchenden Haufen und flüchten mit ihrer tostbaren Beute an den Mauern entlang, bis sie in einer Tür verschwinden. Andere kommen hinzu. Von den fernsten Enden der Gasse laufen sie herbei. Männer, Weiber und Kinder mit flackernden, begehrlichen Augen, aus denen die Furcht spricht, zu spät zu kommen. Mit borgeneigtem Kopf stürzen sie hinein in den Knäuel; die Ellbogen arbeiten, die Fäuste hämmern nach rechts und links.

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Nicht alle dringen bis zum Kern vor; die lebendige Mauer ist schließlich zu start, als daß dort einer, ein einziger, hindurch könnte. Aber der kämpfende Menschenklumpen stampft und wühlt die Kohlen auseinander mit den Händen, mit den Füßen. Er zermalmi fie unter den Schuhen, und aus dem Schnee, aus dem Schmutz raffen die anderen das kostbare Gut hervor; fie sieben es flüchtig durch die Finger und schleudern die triefenden Stücke in das Gefäß, das sie zwischen den Knien halten, oder stopfen sie in die Taschen, in das geraffte Oberkleid, in die Schürze.

Die schwarze Gaffe hat sich in ein lärmendes, gieriges, hungriges Ungeheuer verwandelt...

Vom Kohlenplatz her raffelt es. Der leere Wagen kommt, im Trab gefahren. Am anderen Ende der Straße blinken gelbe Knöpfe auf. Nur flüchtig, im engsten Lichtfreis der Laterne oder erleuchteten

Vielleicht hat der Polizist recht. Und die noblen Beute haben recht, wenn sie die schwarze Gaffe eine Verbrechertolonie" nennen. Dder nicht?

Einige der Raufer wird man faffen und ins Loch steden. Wird es etwas nüßen?

Das Gefängnis hat Zentralheizung.

Zu Haus aber müssen sie frieren. Ich möchte nicht Richter sein.

Die Mongolei  .

Von H. Singer.

Pan.

Der russisch  - chinesische Konflikt wegen des Kuldschabertrages erinnert wieder einmal an jenes riesige Reichsland  " Chinas  , das sich über mehr als 40 Längengrade hinweg nicht weniger als 3500 Kilometer weit von der Mandschurei   im Osten bis Turkestan   im Westen ausdehnt, hohe Gebirge, ebene Grassteppen und fanderfüllte Wüsten einschließend: die Mongolei  . Stahezu von der fünffachen Größe des Deutschen Reiches, birgt sie trop andauernder starter chinesischer Einwanderung noch immer erst eine ganz dünne Bes völkerung von vielleicht nur 2 Millionen. Zum weitaus größten Teile liegt die Mongolei   bereits außerhalb der großen Mauer, die ja gerade deshalb erbaut worden war, um das chinesische   Kulturs land und die Verbindung mit dem äußersten Westen des Reiches vor den raublustigen mongolischen Horden zu sichern vor den Hiumgnu", den Hunnen der europäischen   Geschichte. Die Mon golenbeherrscher waren auch nach unserer Hunnenzeit mehrmals Weltbezwinger; auch einige Jahrhunderte lang die Herren China  . Dschingis- Khan   überwand als erster im Jahre 1211 die Große Mauer   und nahm Befing. Unter seinen Nachfolgern ergossen fich die Mongolenheere durch das heutige Rußland bis nach Schleften, damals in der Tat eine gelbe Gefahr" bildend. In Rußland  dauerte die Herrschaft bis ins 15. Jahrhundert hinein. Kublais Khan, Dschingis- thans fraftvoller und verständiger Entel, in dessen Diensten der Venezianer Marco Polo stand, war zwar als Gra oberer nicht glücklich, um so erfolgreicher aber im inneren Ausbau Endlich war auch Timur  , der sich gegen das Ende des 14. Jahr seines Reiches, das er zu einer hohen Blüte der Kultur brachte. hunderts ganz Borderafien unterwarf, ein Mongole, nämlich ein Abkömmling Dichingis- Khans.

Aber Bestand und Glanz dieses Mongolenreiches waren nicht von langer Dauer, und schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts ging ihm China   verloren. Die wenigen Städte der Mongolei   bers fielen, der Sand bedeckte fie, und ihre Stätte entschmand dem Gea dächtnis; so schnell, wie die Stämme zusammengeballt waren, fonderten fie fich auch wieder voneinander, und China   brauchte um feine Sicherheit so wenig besorgt zu sein, daß es seine Schußmauer verfallen ließ und die Mongolenhäuptlinge ihre völlige Unabhängig teit dem ihnen fulturell weit überlegenen Nachbar gegenüber nicht zu wahren vermochten. Wer die heutigen Mongolen fennt, vermag fich taum vorzustellen, daß deren Vorfahren so gewaltige Eroberer und Staatengründer gewesen sind, denn wenig erinnert an die alte Beit. Nur dürftige Spuren sind noch vorhanden von Karakorum, der berühmten Residenz der Mongolentaiser am oberen Orchon, westsüdwestlich von Urga. Spärliche Hefte der Grabesstätte des Dschingis Khan   finden sich bei Santauho in der Nähe des Hoangho  . Die kleinen Mongolenfürsten der Mitte und des Südens find meist ganz in der Hand der chinesischen Verwaltungsbehörden. An zahl lojen Stellen erheben sich die buddhistischen Lamaklöster; denn die Mongolei   ist heute neben Tibet   eine Hochburg des Buddhismus   und seiner geistlichen Diener.

Die weite Ausdehnung der Mongolei   erklärt die Größe der Gegenfäße in ihrer Natur. Der russische Oberst Koslow, der sie bon Riachta zum Kufunor durchkreuzte, stizziert sie fura wie folgt: Bu erst ein Steppenland, wird sie weiterhin gebirgig, mit mehr oder weniger massigen Retten. Reich ist da das Tier- und Pflanzens leben. Dann erreicht man Urga, das mongolische Chassa( Priester fit). Hat man Urga hinter sich, so ändert sich der Landschaftsa charakter schnell, das Gelände wird mehr eben, der Pflanzenwuchs arm und die Bevölkerung dünn, besonders im Süden des Gebirgs auges, der die östliche Fortsetzung des Mongolifchen oder Gobi  - Altai ist. Da herrscht die richtige Wüste Gobi  . Die südliche Mongolei  über 30 Meter hohe Dünen durchziehen." Die Gobi   erzeugt nach endlich bietet fast überall ein unfruchtbares Sandmeer, das vielfach Brschewalsti mit ihrem Wüstenaussehen und ihrer Einförmigteit im Reisenden ein schwer niederdrückendes Gefühl. Ganze Wochen hindurch zeigen sich seinen Blicken immer dieselben Bilder: unüber. jährigen Grase, oder gefurchte Felsrüden, oder endlich schroffe sehbare benen, im Winter gelb gefärbt bom vertrodnaten bor­Bügelreihen, auf deren Gipfeln mandymal für einen Augenblid die flüchtige Dieren- Antilope auftaucht. Gemessenen Schrittes gehen die schwer beladenen Kamele, fie geben 10, ja Hunderte von Milos Und nun wird es ganz still in der schwarzen Gasse. Nur die Schaufeln der Arbeiter, die den Rest der Kohlen um- metern, aber die Steppe verändert sich nicht, sondern bleibt, wie sie gewesen, grimmig, unfreundlich. laden, schurren und flingen auf dem Pflaster.

Läden.

Die Polizei!"

Wie ein hundertstimmiges Echo tönt's durch die Menge. Und wie auf einen Schlag steht der Knäuel still. Das Schimpfen verstummt, die Flüche bleiben halb in der Kehle stecken, der schon erhobene Arm finft. Dann stieben sie auseinander, wild, in rasendem Lauf, nach allen Richtungen. Das Dunkel verschluckt sie.

Der Polizist steht vor dem großen, schwarzen Schmutzfleck und Betrachtet ihn aufmerksam, und dort, wo ein matter Strahl der Laterne hinfällt, fieht er im Schnee ein paar fleine rote Blutsprizer. " In der schwarzen Gasse wohnt auch nicht ein anständiger Mensch!" sagt er und entfernt fich fopfschüttelnd.--

Die nordwestliche Mongolei   ist durchweg gebirgig und hat Höhen von 3000 Meter und darüber, wenn man von den teilweise noch höher ansteigenden sibirischen Randgebirgen absieht. Bahlreiche Flüsse, zum Teil zu den Stromsystemen des Ob und Jenissei   ge hörend, zum Teil in den ebenfalls zahlreichen oft sehr ansehnlichen Seen endigend, durchziehen das Land, und es finden sich da auch