in befehlendem Ton; sie warfen ihre Messer hin und ge- horchten. An der Pumpe stand Pelle und hüpfte auf und nieder. Der Kampf hatte sein Blut in die schrecklichste Erregung ge- bracht; Lasse mußte ihn mit fester Hand packen, denn es sah so aus, als wolle er sich mitten in die Prügelei hinein- stürzen. Als dann der große, starke Erik, von einem Schlag an den Kopf getroffen, tot niedersank, kam dies Hüpfen über ihn wie ein Veitstanz. Er stand da und sprang mit ge- senktem Kopf und ließ sich wie tot aus der Luft herunter- fallen, während er ein kurzes, gellendes Lachen ausstieß. Lasse redete ihm erzürnt zu. weil er fand, daß es eine un- gehörige Albernheit fei. Dann hielt er ihn fest in feinen Armen, und der kleine Bursche bebte am ganzen Leibe und wollte sich befreien, um sein Hüpfen fortzusetzen. „Er hat was weggekriegt!" sagte Lasse weinend zu den Tagelöhnerfrauen.„Herr Jesus, was soll ich armer Mann machen?" Er trug ihn in die Kuhhirtenkammer, betrübten Sinnes, weil der Mond im Abnehmen begriffen war— dann gab sich so was nie wieder. Unten im Mangelkeller tummelten sie mit Erik, gössen ihm Branntwein in den Mund und wuschen seinen Kopf mit Essig. Kongstrup war nicht zu Hause, aber Frau Kongstrup war selbst da unten; sie ging umher und rang die Hände und verfluchte Stengaarden— das Heim ihrer Kindheit! Sten- garden sei eine Hölle geworden, voll Mord und Liederlichkeit! sagte sie, ohne sich daran zu kehren, daß die Leute um sie herumstanden und jedes Wort hörten. Der Verwalter war im Ponywagen in die Stadt gejagt, um den Doktor zu holen und das Vorgefallene wegen Tod und Leben zu melden. Die Frauen standen um die Pumpe herum und schwatzten, Knechte und Mägde schlenderten ver- wirrt umher, niemand erteilte Befehle. Aber dann trat Frau Kongstrup auf die Treppe hinaus und sah sie eine Weile mit festem Blick an, und dann verfügte sich ein jeder wieder an seine Beschäftigung. Die Augen b i s s e n I Tie alten Frauen schauderten und begannen zu arbeiten— das erinnerte so traulich an alte Zeiten, wo der Stengaardsbauer aus ihrer Jugend herbeigestürzt kam und wütende Augen machte, wenn sie faulenzten. Drinnen in der Kammer saß Vater Lasse über Pelle ge- beugt, der in seiner Fieberphantasie herumtollte, so daß es zugleich zum Lachen und zum Weinen war« (Fortsetzung folgt.); Im Güterwagen. � Fünfzehn Wochen Wanderten wir schon die Schienen entlang — fünfzehn Wochen, in denen wir kein Bett und meistens auch kein Dach über dem Kopf gehabt hatten! Stumpf und schweigsam turnten wir über die Schwellen; rechts und links eine im Sonnenschein glitzernde Schiene. Vorgestern hatten wir einem Farmer droben in den Bergen am Delaware zwei Fuhren Stroh geladen. Der brave Mann hatte jedem von uns 25 Cents gegeben; wir hatten vergessen, unseren Lohn vorher auszumachen. Waren eben immer noch nicht „smart" geworden hier in dieser feinen Gegend. Mein Cousin hatte jhm einen Segenswunsch hinterher gemurmelt, ich hörte etwas von „Hölle" und„verdammt sein". Heute hatten wir immer noch 20 Cents in unserer gemeinschaftlichen Kasse, und das trotz des Ueberhandnehmens von Kaufläden mit verlockenden Kakes, Bananen usw. Wir hatten es eben weit gebracht in der Abtötung des Fleisches. Das heutige Frühstück hatte in zwei Wassermelonen be- standen, die Kurt aus einem Garten gestohlen hatte. Jetzt trabten wir mit gesenkten Köpfen dahin, talabwärts, der Küste, der Heimat zu.... Die Anzeichen mehrten sich, daß wir uns New Dork näherten. Ueberall, an Zaunpfählen, Telegraphcnstangen, Bäumen sahen wir Sieklameschilder aller möglichen Geschäfte.„Wo kaufen alle Menschen iihre Garderobe? Nur bei Tailor and Cie."„Versichern Sie sich in der Granit-Life-Jnsurance! Wir sind Ihre besten Freunde!" „16 Meilen nach Hallers Restaurant. Die besten Austern der Welt!" Ja, noch 16 Meilen. Dann verließen wir Amerika , ich hatte meinem Cousin versprochen, mit nach Deutschland zu fahren, wenn wir bis View Dork keine Arbeit fänden. Jetzt war es so weit. Vom Staate Missouri , wo wir beide auf einer Farm gearbeitet hatten, waren wir bis hierher gelaufen, hatten aus Hunderten von Farmen nach Arbeit gefragt und immer dieselbe stereotype Antwort erhalten: „Well, es ist zu trocken jetzt, wir können nichts tun, Regen muß kommen, dann gibt's Arbeit!" Es kam aber kein Regen, und damit Puch keine Arbeit. Wir hatten nichts, als was wir auf dem Leibe trugen, und das war wahrhaftig nicht viel, und so sollte es nach Hause gehen. Ich hätte wenigstens gern ein Andenken mit nach Hause gebracht, auch das war nun nicht möglich. Ich knirschte mit den Zähnen und hüllte gtich dann zusammenschauernd in meine Jacke. Mas wollte ich denn? Ich hatte ja das Andenken schon, die Malaria. Kurt sah auf und fragte:„Schon wieder? Nun, komm mit runter, dort»st eine Straße und Häuser, vielleicht gehören die schon zu Jersey-City , dort hat es ein Ende." Ich nickte und wir stiegen den Bahndamm herab« Eine Viertelstunde waren wir gegangen, da kam ein leeres Last-- automobil der Singer Mfg. Cie hinter uns her. Sofort wüßter» wir, was zu tun war. Einer stellte sich rechts, der andere links vor» der Straße auf, als es vorbei fuhr; mit zwei Panthersprünger» waren wir hinten darauf. Länger als eine Stunde fuhren wir mik� bis das Automobil endlich mitten in Jersey-City hielt. Kurt drängte, wir sollten sofort einmal nach Hoboken herunter« gehen, nach dem Hafen. Er wollte Schisse sehen, der gute Junge« Teile der Heimat, nach der er sich sehnte. Ich konnte es ihm nichh verdenken und ging mit. Unten an dem Pier der H. A. P. A. G« wurde der Phlegmatiker auf einmal lebendig.„Warte mal, ich! komme gleich wieder," sagte er und verschwand durch das große Gittertor. Nach zehn Minuten kam er, mit einem großen halber» Schwarzbrot bewaffnet, freudestrahlend wieder angerannt und ent-> wischte trotz des eifrigen Protestes eines am Tor postierten Beamten, Der wollte das Brot wahrscheinlich erst verzollt wissen. Emsig kauend schritten wir nun an den langen Passagierhaller» des Lloyd, der Holland-Amerika-Linie und anderer Schifsahrtsgesell« schaften vorüber, über deren Dächer die Masten und Schornsteine der großen Passagierdampfer in den roten Abendhimmel ragten« Draußen im Centrhpark setzten wir uns auf eine Bank und über» legten, wo wir die Nacht verbringen wollten. Ich war für einei» Eisenbahnwagen, der Moskitos wegen. Kurt meinte, im Park wäry die Luft gesünder. Auf unserer Bank saßen zwei Koblenzieher von„Wilhelm II. "« dessen vier gelbe Schornsteine vom Wasser herausleuchteten.„DaS mag alles wahr sein," sagte soeben der eine zum anderen,„aber mich bringen keine zehn Pferde wieder auf den verfluchten Kasten« Soll ich krepieren, dann lieber hier vor Hunger, als daß ich mich! auf dem Schiff zu Tode schinde für die Verrücktheit des Oberheizers« dieses Hundes!" Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß er sich wohl weniger für die Verrücktheit des Oberheizers als vielmehr für die Dividende der Aktionäre des Lloyd zu Tode zu schinden habe, Nun klagte er mir seine Not über die fürchterliche Arbeit, das schlechte Essen und die brutale Behandlung auf dem Schnelldampfer, Einem Kollegen, dem herniederbrechende Kohlen das Bein bös zu- gerichtet hatten, habe der Doktor gesagt:„Und wenn Ihr bloß noch anderthalbe Beine habt, Ihr müßt in den Bunker hinunter. Daß jeden Tag einer schlapp macht, weiter fehlte nichts!" Ich hörte da- mit nichts Neues, ich kannte den Betrieb. Der Trimmer fragte mich um Rat, was er hier wohl anfangen könne, er wolle in New Fori bleiben. Leider konnte ich ihm keine großen Hoffnungen auf Arbeit machen. Diese Nacht schliefen wir mit dem Trimmer im Park. ES war windig geworden, und die Moskitos waren erträglich, meine beiden Kameraden schliefen wie die Toten. Ich hatte wieder daS schönste Fieber und schlief erst gegen Morgen ein. Geweckt wurde ich auf sonderbare Weise. Ich fühlte nämlich plötzlich einen elektri» schen Schlag an der Fußsohle. Wie der Blitz fuhr ich in die Höhe und starrte erschrocken einen dicken Policeman an, der ruhig, ohne ein Wort zu verlieren, erst dem Trimmer und dann meinem Cousin« eins mit seinem Hickoryknüttel über die Fußsohlen hieb. Der Mann schien früher einmal Bastonadschi in der Türkei gewesen zu sein. Auf diese entschieden praktische Weise wurden nach uno nach etwa zwanzig Mann geweckt, die über den Park verstreut schliefen. Dann steckte der Dicke seinen Knüppel wieder ein und ging seine Runde weiter. Wir drei waren über diesen unangenehmen Gutenmorgengrusi nicht wenig erbost und beschlossen, nächste Nacht ein anderes Hotel aufzusuchen, wo man die Gäste höflicher behandelte. Tagsüber erkundigten wir uns bei verschiedenen Agenten nach Schiffen, die Nüberarbeiter nach Europa brauchen.„Wilhelm II." suchte 40 Mann, einige als Ersatz für Kranke, die anderen für davongelaufene Heizer und Trimmer. Wir dachten eine Weile an die abgequetschten Zehennägel, gingen aber doch hin. Das Schicksal! bewahrte uns vor diesem Teile der„christlichen Seefahrt", der Arzt wies mich als krank zurück. Da verzichtete auch Kurt. Abends schliefen wir in einem Eisenbahnwagen, der auf einen» recht mit Rost bedeckten Gleise stand. Daraus schloß ich, daß er wohl auch diese Nacht nicht rangiert werden würde. In Arkansas waren wir auf diese Art einmal 90 Meilen bei Nacht zurückgefahren wor» den. Denselben scharfsinnigen Schluß schienen aber auch andere ge- zogen zu haben, denn als ich mit meinem brennenden Lichtstümpf- chen in den Wagen kletterte, wäre ich einem dort Liegenden beinahe auf die Füße getreten, einen anderen stieß ich mit dem Fuße ein wenig in das Gesicht, er brummte:„Godckam, son of a bitch."*) Dann war er ruhig. In diesem Wagen lagen 14 Tramps(Vaga» bunden), Arme und Enterbte der Weltstadt, die drüben über den» Hudson, in ein Lichtmcer getaucht, toste, deren 4 Millionen Ein- wohner ihr Leben in wahnwitziger Jagd nach dem Dollar ver, brachten! Am nächsten Tage würde uns Hoffnung gemacht, mit bell» Dampfer„Potsdam " der Holland-Amerika-Linie wegzukommen« Schon am Nachmittag stieg ich hinunter zur Shore-Road, der Ufer» bahn, und suchte, mir einen passenden Wagen und ein paar alte r•) Ein gemeines englisches SchimpslvSkt.
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28 (25.2.1911) 40
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