Daftdecke« ffit die NaM Ich versteckte das Himmelbett sorgfältig. Als eS dunkel wurde, gingen Kurt und ich nach unserem beweglichen Gasthofe. Der Trimmer war das Hungern doch wohl nicht so ge- wöhnt gewesen wie wir und war zu den Margarinetöpfen des Lloyd zurückgekehrt. Ich erschrak einigermaßen, als ich schon zwei Tramps in meinem Logis vorfand, die entsetzlich schnarchten und leider ebenso stanken. Wir machten es uns in der anderen Hälfte des Wagens bequem. Mein Cousin schlief sofort ein. ich gar nicht. Drei Stunden mochte ich schon gelegen und meinen ziemlich trüben Gedanken Audienz gegeben haben, als ich plötzlich ein Geräusch an der Schiebetür des Wagens hörte. Ein Mann stieg herein, schob leise wieder zu und kam dann in der Dunkelheit in unsere Ecke getappt. Er berührte mich mit den Händen erst an den Zützen, tastete dann am Körper herauf und fuhr mir schließlich mit seiner schweißigen Hand ins Gesicht. Das wurde mir zu dumm, und ich fragte ihn leise, was er in des Teufels Namen denn wolle. Er fragte ebenso leise:.Hast Du ein Streichholz?".Ja," sagte ich. gab ihm zwei und auch mein Licht.»Well, well," sagte er und zündete es an. Das war es. was ich wollte, nun konnte ich mir den nächtlichen Gast besehen. Er sah sich rasch im Kreise um, ich merkte dabei, datz er von schmäch- tiger, kleiner Gestalt war, sein Gesicht konnte ich nicht erkennen. Sehr leise und vorsichtig zog er jetzt eine Nummer des.New Uork Herald" aus der Tasche und breitete die einzelnen Beilagen auf dem Boden aus. Nun brachte er einen großen schwarzen Revolver aus der Hüstentasche, wickelte ihn in sein Taschentuch und legte beides in seinen weichen Filzhut. Dann steckte er die linke Hand in die Hosentasche, legte sich langsam auf seine Papierbogen nieder und schob sich den Hut unter den Kopf. Ich löschte das Licht aus, das er neben sich auf den Boden gestellt hatte. Bald hörte ich an seinen tiefen Atemzügen, daß er eingeschlafen war. Ich versuchte ein gleiches zu tun. Wirklich mochte ich ein paar Stunden geschlafen haben, als ich, ich weiß nicht aus welcher Ursache, wieder erwachte. Um mich herrschte tiefe Stille und Dunkelheit. Tie beiden Tramps hatten erfreulicherweise ihr Schnarchen eingestellt. Es war daumpf und schwül. Draußen auf dem Strome ertönte das tiefe Pfeifen eines großen Dampfers. Ich warf mich auf die andere Seite und wollte wieder einschlafen. Da hörte ich den Mann auf dem.New Aork Herald" plötzlich sagen:Haltet ihn fest!".Wen soll ich denn festhalten?" wollte ich schon fragen. Da stieß er schon wieder her: vor:Nimm das Messer, er soll...", das andere erstarb in einem undeutlichen Gemurmel. Der Mann sprach im Traum, und zwar recht schöne Sachen, er schien vor dem Schlafengehen einen Räuber- roman gelesen zu haben..Binde ihn und herunter ins Wasser, wir haben das Geld, wir haben..." Na nu, das klang aber gar nicht mehr wie gelesen, schon mehr wie erlebt. Ich stieß Kurt an. einmal, zweimal, vergebens, der schlief wie ein Bär. Der Fremde wälzte sich unruhig und schrie auf einmal gellend:Halt ihn fest, verdammter KerlI" Davon erwachte Kurt, auch die beiden Tramps wurden unruhig. Kurt stieß mich an und fragte:Du, Artur, was brüllst Du denn hier herum?" Ich be« richtete ihm mit unterdrückter Stimme, was ich über den unheim- lichen Schlafgenoffen wußte.Der hat sicherlich einen umgebracht," meinte Kurt,schlaf mal ein bißchen mit Sorgen, datz er uns nicht unsere S Cents maust. So ein gemeiner Kerl, brüllt der hier so. Der hat einen umgebracht, das ist klar!" Der Fremde murmelte manchmal noch ein wenig und schien dann wieder fest zu schlafen. Auch Kurt schlief bald wieder etn und Schweigen herrschte wieder. Ich verfiel in einen unruhigen Schlummer. Bald war ich wieder munter, ich hatte einen Fieberanfall und klapperte vor plötzlichem Frost mit den Zähnen. Ein Mosquito summte mir am Ohr, durch eine Ritze der Wagenwand fiel ein verschwommener Lichtschimmer herein. Da erwachte auch der Mörder neben mir. Er stand auf, legte seine Zeitung zusammen und steckte den Revolver und das Taschen- tuch ein. Den Hut behielt er in der Hand. Dann sah er mich eine Weile an; als er merkte, datz auch ich die Augen geöffnet hatte, nickte er mir zu, wandte sich hastig um und ging zur Wagentür. Die schob er leise ein Stückchen auf und lugte hinaus. Dabei sah ich, daß er schwarzes, langes Haar hatte, in der Mitte war es ge- scheitelt. Sein Gesicht war hager. Er mochte ungefähr Jahre alt sein, doch kann man sich bei einem Amerikaner da sehr irren. Er klopfte sich noch ein wenig seinen hübschen Anzug ab, sah «och einmal rechts und links den Zug entlang und sprang hinab. Ich hörte ihn unten aufspringen, und hörte noch etwaskling, kling, kling",--- klang das nicht wie Geld, wie Gold? Mit einem Satze war ich an der Tür. Die Sonne schien mir weiß und trotz der frühen Morgenstunde sengend ins Gesicht; ich sah im ersten Moment gar nichts. Aber dann sah ich etwas und werde es wohl auch nicht wieder vergessen im Leben. Unten stand der Fremde und stierte mich an mit einem Blick, in dem ein furcht- barer Schreck und eine wahnfinnige Angst lagen. Dann bückte er sich und hob etwas auf, Geld, goldene 20 Dollarstücke, von denen einige auf dem Boden verstreut lagen. Die waren ihm wohl beim Aufspringen aus der Tasche gefallen. Also darum hatte er immer die Hand in der Tasche gehabt! Ich stieß vor Ucbcrraschung einen lauien Ruf aus und sprang Such hinunter. Er hörte das, und ohne sich nur aufzurichten, jagte er plötzlich in gebückter Haltung davon, über die Gleise weg, einer Bqdeanjtqlt zu, die der Bahn gegenüber lag. Mein erster Gedanke war daS Geld. Ich wagte mich gckr«ichl umzusehen, so erregte mich der Gedanke, etwa noch eins oder gar mehrere dieser großen Goldstücke zu finden. Was konnte man da« für kaufen, und ich war gerade hungrig! Wirklich, dort lag eins und an der Schiene noch eins! Schnell bückte ich mich, hob einS auf und wollte gerade auf das nächste los. als ich jemand an der anderen Seite des Wagens hörte. Im Nu war ich mir der Gefahr bewußt, die es hier für uns : gab. Ich richtete mich auf und brüllte laut:Stop!" Ueber die Puffer unseres Wagens sprang ein Mann in Uniform, eine er« loschene Laterne in der Hand, ein Wächter.Was gibts hier?" Mit schnellen Worten erzählte ich ihm alles, zeigte ihm das Geld und dann auch den Fremden, der, ein Stück entfernt, an den langen Reihen leerer Güterwagen dahinrannte.Des, so war es." sagte eine ruhige Stimme über uns. Es war Kurt. Er stand in der geöffneten Tür und gähnte in einer fürchterlichen Weise. Der Wächter hatte mit einer erstaunlichen Schnelligkeit das Goldstück und noch zwei andere aufgehoben und eingesteckt. Dann fragte er mich, ob ich auch welche hatte. Ich sagte ruhig:No", undNo" bekräftigte auch mein Cousin. Ich rief ihm auf englisch zu, er möge mitkommen und den Flüchtling fangen. Jetzt besann sich auch der Wächter darauf, datz es vielleicht angebracht wäre, des Mannes habhaft zu werden, und rannte spornstreichs mit mir davon. Ich lief nicht weit, dann stolperte ich über eine Schiene und fiel hin, mit Absicht natürlich. Der Wächter sauste weiter, dabei aus Leibeskräften brüllend:Halt! Halt ihn! Fang ihn!" Wenn. Du kannst," setzte ich hinzu und eilte zum Wagen zurück. Von Kurt sah ich nur die Beine, er steckte unter dem Wagen und suchte nach Geld. Ihm war es gar nicht eingefallen, mitzulaufen. Als er mich kommen hörte, kroch er rückwärts hervor und fragte mich:Hast Du was von dem Mammon erwischt?" Ich nickte und zog ihn vom Wagen hinweg, der Tramps wegen, die noch im Wagen waren. Ich machte mir keine Gedanken, das Geld zu behalten. ES wäre totsicher in der unergründlichen Tasche eines amerikanischen Be« amten verschwunden. Im Centrh-Park, wo wir uns wuschen, er» wischte uns der Schiffsagent und sagte uns, wir sollten uns be» eilen, wenn wir mit wollten, diePotsdam " gehe um 9 Uhr in See. Wir haben uns doch noch ein Andenken und jeder einen Anzug für 3 Dollars gekauft. Eine Stunde später fuhren wir aus dem Holländer zum New Dorker Hafen hinaus. Wir hatten unser letztes amerikanisches Abenteuer hinter uns. Artur Heye. kleines feuilleton. EnglandsWasserkopf". Einen interessanten und lehrreichen Einblick über die gewaltige Rolle, die die englische Hauptstadt im wirtschaftlichen und öffentlichen Leben des Landes an sich gerissen hat, vermittelt eine soeben erschienene Statistik, die vom Londoner Grafschaftsrat herausgegeben wird. Sie zeigt, wie die Millionen- stadt weit über ihr Verhältnis zur Gesamtbevölkerung hinaus; gleich einem riesigen Magneten, die wirtschaftlichen und sozialen Kräfte des ganzen Landes anzieht und aufsaugt. Nach der Zahl seiner Bevölkerung ümfaßt London etwa ein Siebentel aller Be- wohner Englands, aber dieses Siebentel bezahlt für sich allein mehr als die Hälfte der gesamten Einkommensteuer, die jährlich der Staatskasse zuslietzt. London empfängt nicht weniger als 31 Proz. aller englischen Briefe, London versendet 33 Proz. aller von England abgehenden Telegramme und London stellt 22 Proz. aller Verbrecher, die jährlich in England vor Gericht erscheinen. Und während die Millionenstadt auf der Seite deS Luxus einen weit größeren Anteil beansprucht, als ihr nach ihrer Bevölkerungszahl zukommen würde, birgt es in seinen Mauern auch die weitaus größere Not. Von allen Automobilen, die in England benutzt werden, entfallen 31 Proz. auf die Hauptstadt, aber auch an der Zahl der Armen und Notleidenden ist London mit 23 Proz. beteiligt, während nach den normalen Verhältnissen nur die Hälfte davon auf die Hauptstadt entfallen dürste. Völkerkunde. Wie weit ist die Sitte des Kindermordes der» breitet? Der Beantwortung dieser Frage ist eine kleine Skizze im 3. Heft des Jahrganges 1910/11 derDeutschen Rundschau für Geographie" gewidmet. Der Verfasser zeigt, datz die Sitte des Kindermordes sich keineswegs auf die eigentlichenNaturvölker be­schränkt. Wir treffen sie auch bei den so hochstehenden Völkern. wie Chinesen und Indern an. Mustert man die Gebiete. in denen der Kindermord grassiert, so findet man. daß es wirt- schaftlich zwei verschiedene Arten von Ländern find, in denen der Mensch seiner eigenen Fortpflanzung auf eine so grausame Weise Schranken setzt. Es sind zuerst fruchtbare, aber wirtschaftlich stagnierte und deshalb bereits stark übervölkerte Gebiete nne China und Indien , wo jede Mißernte Hungersnot auslöst und die Bevölkerung zum Kindermord treibt. Und eS sind zweitens dürstig ausgestaltete Landschaften, wie Australien , wo der Mensch ein unstätes Leben führen muß und sich dabei durch Klnderniord von der unbequemen Last befreit. Läßt man daszivilisierte" Europa beiseite, wo Kindermord durch andere humanere Methoden ersetzt ist, so treffen wir diese Art