Mnterhallungsblatt des HorwSrtsNr. 46. Dienstag, ven 7. März. 1911Ola&ixM t«8«te8.I461 pelle der Eroberer. oRoman von Martin Andersen Nexo.Fris«nd Ole machten sich mit der Leiche zu schaffen,legte» ihr etwas unter den Kopf und wuschen den Kies weg,der sich ihm in die Gesichtshaut hineingescheuert hatte.„Erwar mein bester Junge!" sagte Fris und strich mit zitternderHand über den Kopf der Leiche.„Seht ihn nur ordentlichan, Kinder, und vergeßt ihn nie wieder— er war meinbester Junge!"Dann stand er schweigend da und starrte hinaus, mitbetauter Brille, die Hände schlaff herabhängend. Ole standda und jammerte leise: er war erbärmlich alt geworden,auf einmal, ganz zusammengefallen.„Ich muß ihn Wohl mit nach Hause nehmen?" sagte erklagend und faßte unter die Schultern des Sohnes, aber dieKräfte waren verschwunden.„Laß ihn nur liegen," sagte Fris.„Er hat einen hartenßLag gehabt, und nun ruht er aus."„Ja, er hat einen harten Tag gehabt," sagte Ole undführte die Hand des Sohnes an den Mund, um sie an-zuhauchen.„Und sieh, da wo er das Ruder geführt hat—das Blut ist ihm durch die Fingerspitzen gesprungen—" Olelachte mitten im Weinen.„Er war ein guter Jung, er warfür mich Essen und Trinken— und Luft und Wärme auch.Nie kam ein böses Wort gegen mich aus seinem Munde, derich ihm doch zur Last lag. Und nun bin ich ohne Sohn,Fris— ich bin kinderlos! Und ich bin nichts mehr!"„Du sollst schon Dein Auskommen' haben. Ole," sagteFris.„Ohne ins Armenhaus zu kommen? Ich will so ungernins Armenhaus!"„Ja. ohne ins Armenhaus zu kommen, Ole!"„Wenn er jetzt doch Frieden finden könnte: er hat sowenig Frieden gehabt hier auf Erden in letzter Zeit. Esist ein Lied über sein Unglück im Umlauf. Fris: jedesmal.wenn er das hörte, war er wie ein neugeborenes Lamm inder Kälte. Die Kinder fingen es auch." Ole sah sich flehendin ihrem Kreise um.—«Es war ja nur ein Leichtsinn derJugend, und nun hat er seine Strafe auf sich genommen."„Dein Sohn hat keine Strafe bekommen, Ole, und auchkeine verdient," sagte Iris und legte den Arm um seine<Nhulter.„Aber ein großes Geschenk hat er gemacht, sowie er daliegt und zu allem schweigen muß. Fünf Menschen-leben hat er gegeben und sein eigenes dazu! Für das seine,das er in Gedankenlosigkeit verwirkt hat. Er war ein frei-gebiger Sohn, den Du hattest, Ole!" Fris sah ihm hell insGesicht.„Ja," sagte Ole strahlend,„er hat ja fünf Menschenlebengerettet— das hat er ja getan— ja, das hat er getan!"Ole hatte bisher gar nicht daran gedacht— es war ihm wohlgar nicht in den Sinn gekommen. Aber nun hatte ein andererdem Form gegeben, und er klammerte sich fortan daran fest.«Fünf Menschenleben hat er doch gerettet, wenn es auch nurginnlappen waren. Dann wird der liebe Gott ihn wohl auchkennen."Fris nickte, so daß ihm das graue Haar über die Augenfiel.„Vergeßt ihn niemals, Kinder!" sagte er.„Und jetztgeht still nach Hause!" Leise nähmest die Kinder ihre Sachenund gingen: sie würden in diesem Augenblick alles getanhaben, was Fris ihnen befohlen hätte— er hatte vollkommen Macht über sie.Ole stand da und starrte geistesabwesend, dann faßteer Fris beim Acrmel und zog ihn an die Leiche.„Er hatgut gerudert." sagte er—„das Blut ist ihm aus denFingerspitzen getreten, sieh selbst!" Und er hob die Händedes Sohnes gegen das Licht.„Das sind auch tmrklich Hand-gelenke, Fris! Mich alten Mann könnt' er nehmen undmit mir gehen, als war' ich ein kleines Kind,"— Ole lachteverlegen.„Aber ich trug ihn auch, den ganzen Weg vondem südlich Riff trug ich ihn auf meinem Nacken. Ich bineine zu schwere Bürde für Dich, Vater! könnt' ich ihn sagenhören, denn er war ein guter Sohn. Aber ich Hab' ihn ge-tragen— und nu kann ich nich mehr— wenn sie das nunbloß sehen," er betrachtete wieder die blutunterlaufenen> Finger—„er hat ja fein Bestes getan. Wenn ihn bloß derliebe Gott selbst abmustern wollt!"„Ja," sagte Fris,„der liebe Gott wird ihn selbst abmustern— und er sieht ja alles, Olel"Es kamen einige Fischer in die Stube. Sic nahmen dieMütze ab, gingen einer nach dem anderen hin und gaben Oledie Hand. Dann strichen sie sich. Mann für Mann, überdas Gesicht und wandten sich fragend dem Küster zu— Frisnickte. Sie nahmen die Leiche zwischen sich und gingenmit schweren, vorsichtigen Schritten über die Diele und aufdas Dorf zu. Ole trippelte hinter ihnen drein, zusammen-gefallen und leise jammernd.18.Es war im ersten Schuljahr in der Religionsstunde.Pelle wurde von Fris gefragt, ob er die drei größten Feier-tage des Jahres nennen könne, und antwortete zu aller Er-götzcn:„Der Johannisabend, das Erntefest und— und—"da war noch ein drittes Fest, aber als er soweit kam, schämteer sich, es zu nennen— sein Geburtstag! Gewissermaßenwar es der größte Festtag des Jahres, obwohl ihn niemandals Vater Lasse kannte. Und dann die, die den Kalenderschrieben— die wußten ja ganz einfach von allem Bescheid.Es war am 26. Juni und hieß Pelagius im Kalender.Am Morgen küßte ihn der Vater und sagte:„Glück undSegen, mein Junge!"— und dann lag da immer ein kleinerGegenstand in der Tasche, wenn er die Hose anziehen wollte.Der Vater war ebenso gespannt wie er selbst und stand beiihm, während er sich anzog, um seinen Anteil an der Ueber-raschung zu haben. Aber es war Pelles Manier, die Sachein die Länge zu ziehen, wenn ihm etwas Angenehmes bevorstand— um so größer wurde die Freude. Er ging absichtlichum die spannende Tasche herum, während Vater dastandund trippelte und sich nicht halten konnte.„Na, Du, was iSdas bloß mit der Tasche da?? Sie kommt mir so dick vor!Du bist doch woll nich über Nacht auf gewesen und hastHühnereier gestohlen?" Dann mußte Pelle den Gegenstandherausholen ein großes Bündel Papier— und zum Auspacken, eine Schicht nach der anderen. Und Lasse war wieaus den Wolken gefallen.„Ach was. das is ja nichts weiterals Papier! Sich mit so'n Jux die Taschen vollzupfropfen!"Aber im innersten Innern lag ein Taschenmesser mit zweiKlingen.„Danke" flüsterte Pelle mit Tränen in den Augen.„Ach was, das is man'ne ärmliche Gabe!" sagte Lasic undzwinkerte mit seinen roten, wimperlosen Augenlidern.Darüber hinaus begegnete dem Jungen an diesem Tagenicht mehr gutes als gewöhnlich, aber trotzdem war er denganzen Tag in feierlicher Stimmung. Es kam nie vor. daßdie Sonne nicht schien— und zwar schien sie auffallendhell: lind die Kühe sahen ihn so fest an, während sie dalagenund kauten.„Heut is mein Geburtstag, du!" sagte er undhängte sich dem Ochsen Nero um den Hals— kannst duwohl„ich gratuliere" sagen?" Und Nero blies i.hm warmenAtem den Rücken hinab, zusammen mit grünem Saft vomKauen. Und dann ging er glücklich umher und stahl grüneSaat für ihn und für sein Lieblingskalb, hielt das neueMesser— oder was es sonst war— den lieben, langen Tagin der Hand und verrichtete alles, was er tat, mit einemeigenen, feierlichen Zögern. Ten ausgereckten Tag konnteer in Feicrtagsftimmung anschwellen lassen, und wenn erins Bett kam, lag er da und kämpfte mit dem Schlaf, damitder Tag noch länger'verde» sollte.Aber der Johannisabend war ans seine Weise doch einnoch größerer Festtag— es lag auf alle Fälle der Schimmerdes Unerreichbaren darüber. An dem Tag zog alles, waskriechen und gehen konnte, nach Almindingen"'): es gab keinennoch so erbärmlichen Dienstboten ans der ganzen Insel, dersich darin fand, daß ihm diese Erlaubnis verweigert wurde—außer gerade Lasse und Pelle.Jedes Jahr hatten sie den Tag kommen und� gehensehen, ohne Anteil an seiner Freude zu haben.„Jemandmuß doch, weiß Gott, zu Hause bleiben," sagte der VerwalterEin Lustwald auf Bornholm.