.So?» »Ja. hochgräfliche Gnaden. Der Vater,'hochgräfliche Gnaden. ist ein Mstvieh, hat einen Zahn auf den Mischka, weil der der Mutter seiner Geliebten manchmal ein paar Kreuzer zukommen läßt." »Wem?" Der Mutter seiner Geliebten, hochgräfliche Gnaden, ein er- werbsunfähiges Weib, dem sozusagen die Quellen der Subsistenz- mittel abgeschnitten worden find... dadurch, dast man die Tochter fortgeschickt hat." Schon gut, schon gut!... Mit den häuslichen Angelegen- heiten der Leute verschonen Sie mich, Doktor, da mische ich mich nicht hinein." Der Doktor schob mit einer breiten Geberde den Hut unter den Arm, zog das Taschentuch und schneuzte sich diskret.So werde ich also der Alten sagen, daß es nichts ist." Er machte, was die Franzosen une lsusse sortie(ein Scheinmanöver) nennen, und setzte hinzu:Freilich, hochgräfliche Gnaden, wenn es nur wegen des Vaters wäre..." »Nicht bloß wegen des Vaters, er hat auch dem Janko ein Auge ausgeschlagen»" Der Doktor nahm eine wichtige Miene an. zog die Augenbrauen so hoch in die Höhe, daß seine dicke Stirnhaut förmliche Wülste bildete, und sprach:Was dieses Auge betrifft, das sitzt fest und wird dem Janko noch gute Dienste leisten, sobald die Geschwulst, die sich durch den erhaltenen Faustschlag gebildet hat, aufgesaugt sein wird. Hätte mich auch gewundert, wenn der Mischka imstande gewesen wäre, einen kräftigen Hieb zu führen nach der Behand- lung, die er von den Heiducken erfahren hat. Die Heiducken, hoch- gräfliche Gnaden, haben ihn übel zugerichtet." Seine Schuld� warum wollte er ihnen nicht gutwillig folgen." Freilich, freilich, warum wollte er nicht? Vermutlich, weil sie ihn vom Sterbebette seiner Geliebten abgeholt haben da hat er sich schwer getrennt... Das Mädchen, hm, hm, war in anderen Umständen, soll vom Vater des Mischka sehr geprügelt worden sein, bevor sie die Wanderung angetreten hat. Und dann die Wande­rung, die weit ist, und die Person, hm, hm, die immer schwach gewesen ist... kein Munder, wenn sie am Ziele zusammen- gebrochen ist." Meine Großmutter vernahm jedes Wort dieser abgebrochenen Sätze, wenn sie sich auch den Anschein zu geben suchte, daß sie ihnen nur eine oberslächliche Aufmerksamkeit schenkte.Eine merk- würdige Verkettung von Fatalitäten." sprach sie,vielleicht eine Strafe des Himmels." Wohl, wohl", nickte der Doktor, dessen Gesicht zwar immer seinen gleichmütigen Ausdruck behielt, sich aber allmählich Purpur- rot gefärbt hatte.Wohl, wohl, des Himmels, und wenn der Himmel sich bereits dreingelegt hat, dürfen hochgräfliche Gnaden ihm vielleicht auch das weitere in der Sache überlassen... ich meine nur so!" schaltete er, seine vorlaute Schlußfolgerung ent- schuldigend, einund dieser Bettlerin", er deutete nachlässig auf die Mutter Mischkas,huldvollst ihre flehentliche Bitte er- füllen." Die knicende Alte hatte dem Gespräch zu folgen gesucht, sich aber mit keinem Laut daran beteiligt. Ihre Zähne schlugen vor Angst aneinander, und sie sank immer tiefer in sich zusammen. Was will sie denn eigentlich?" fragte meine Großmutter. Um acht Tage Aufschub, hochgräfliche Gnaden, der ihrem Sohne diktierten Strafe, untersteht sie sich zu bitten, und ich, hoch- gräfliche Gnaden, unterstütze das Gesuch, durch dessen Genehmi- gung der Gerechtigkeit besser Genüge geschähe, als heute der Fall sein kann." Warum?" Weil der Delinguent in seinem gegenwärtigen Zustande den Vollzug der ganzen Strafe schwerlich aushalten würde." Meine Großmutter machte eine unwillige Bewegung und be- gann langsam die Stufen des Portals niederzusteigcn. Fritz sprang hinzu und wollte sie dabei unterstützen. Sie aber winkte ihn hinweg:»Geh aufs Amt," befahl sie,Mischka ist begnadigt." Ahl" stieß der treue Knecht bewundernd hervor und enteilte, während der Doktor bedächtig die Uhr aus der Tasche zog und leise vor sich hinbrummte:Hm, hm, es wird noch Zeit sein, die Exe- kution dürfte eben begonnen haben." Das Wortbegnadigt" war von der Alten verstanden worden; ein Gewinsel der Rührung, des Entzückens drang von ihren Lippen, sie fiel nieder und drückte, als die Herrin näher trat, daö Gesicht auf die Erde, als ob sie sich vor so viel Größe und Hoheit dem Boden förmlich gleichzumachen suche. Der Blick meiner Großmutter glitt mit einer gewissen Scheu über dieses Bild verkörperter Demut:Steh auf", sagte sie und zuckte zusammen und horchte... und alle Anwesenden horchten erschaudernd, die einen starr, die anderen mit dem albernen Lachen des Entsetzens. Aus der Gegend des AmtshauseS hatten die Lüfte einen gräßlichen Schrei hcrübergetragcn. Er schien ein Echo geweckt zu haben in der Brust des alten Wcibleins, denn es erhob stöhnend den Kopf und murmelte ein Gebet... Nun?" fragte einige Minuten später meine Großmutter den atemlos herbeistürzcnden Fritz:Hast Du's bestellt?" Zu dienen", antwortete Fritz, und brachte es diesmal statt zu seinem süßen Lächeln nur zu einem kläglichen Grinsen:Er laßt die Hand küssen, er ist schon tot." Fürchterlichl" rief die Gräfitl aus, und das nennen Sie eine friedliche Geschichte?" Verzeihen Sie die Kriegslist, Sie hätten mich ja sonst nicht angehört", erwiderte der Graf.Aber vielleicht begreifen Sie jetzt, warum ich den sanftmütigen Nachkommen Mischkas nicht aus dem Dienst jage, obwohl er meine Interessen eigentlich recht nachlässig vertritt." Gin berühmter tTbeaterfhandaL Von Albert Fr ick. Der 13. März 1861 war einer der stürmischsten Tage im Leben Richard Wagners  : die Pariser  Tannhäuser  "°Aufführung, die tief in sein künstlerisches Dasein eingriff und nicht minder stark sein Familienleben berührte, fand am Abend dieses Tages statt, ein Ereignis, von dem er eine vollkommene, seine ganzen Verhältnisse günstig gestaltende Wendung erhoffte, und das für ihn gerade deshalb zu einem vernichtenden Schlage wurde, weil die Ursachen dieser Bühnenniederlage die dümmsten und lächer- lichsten waren. Die Geschichte dieser PariserTannhäuser  "°Aufführung ist sehr interessant; sie hat eine Vorgeschichte besonderer Art und ein Nachspiel. Die bekannte Fürstin Pauline Metternich  , die Veranstalterin dieser Aufführung, hat sich verschiedentlich über die damaligen Ereignisse geäußert, doch stand sie diesen zum Teil persönlich so nahe, um sie völlig unparteiisch überblicken zu können. Zahlreiche andere aber, die der Aufführung als Zuschauer un- parteiischer gegenüberstanden, haben uns näheres darüber be- richtet. Die Schicksalstragödie dieser Aufführung begann bereits mit der Uebersetzung desTannhäuser  " ins Französische, die auf eigenartige Weise zustande kam; Rudolf Lindau  , der sich damals in Paris   aufhielt, hatte eine Prosaübersetzung des Textes für den des Deutschen   unkundigen Edmund Roche angefertigt, der daraus die poetische Uebersetzung machen sollte. Roche   war ein kunstsinniger Zollbeamter, der dem Meister bei einem Streit mit Beamten des Bahnhofszollamtes beigestanden und auf diese Weise seine Bekanntschaft gemacht hatte. Rudolf Lindau   aber hatte vereinbart, daß er als Mitüberseher desTannhäuser  " auf dem Theaterzettel genannt würde, und Wagner hatte beiden, Lindau  und Roche  , einen Teil seiner Autorenrechte versprochen. Lindau  aber stellte, wie Olivier berichtet, bis zu dem geforderten Termin nur den ersten Akt fertig und veranlaßte auf Roches Drängen einen gewissen Duvivier, die Arbeit in einer Nacht zu beendigen. Obwohl nun Wagner bald erkannte, daß Lindau   ihn meist völlig mißverstanden hatte, bemühte er sich doch selbst, die Uebertragung für Roche   mundgerecht zu machen, die jedoch von den Direktoren der Großen Oper abgelehnt wurde. Da trat noch ein dritter. Truinct, dessen Theatername Nuittier lautete, hinzu und machte eine sich der Musik anpassende Uebersetzung, in der die besten Verse Roches Verwendung fanden. Obwohl nun Wagner aller Verpflichtungen gegen Lindau   ledig zu sein glaubte, erhob dieser Klage gegen ihn. Der Termin fand noch vor der Ausführung statt, und Olivier sagte damals in seiner Rede vor Gericht:Die Musik Wagners ist die Musik der Zukunft; sie wird noch lange leben, wenn man längst die Namen seiner leidenschaftlichen An- greifen vergessen haben wird." Der Gerichtshof wies denn auch Lindau   mit seinen Ansprüchen ab. Das war die Introduktion zu dem Drama deS 13. März. Es hatte ohnehin einer Intrige bedurft, denTannhäuser  " bei der Oper anzubringen. Die junge Fürstin Metternich  / deren Be- kanntschaft der Künstler in Prenzing bei Wien   gemacht hatte, und die als Gattin des österreichischen Gesandten in Paris   weilte, hatte Wagner versprochen, ihren Einfluß für ihn geltend zu machen. Wagner hatte eben in der Seinestadt, um seine Ver- Hältnisse aufzubessern, drei Konzerte gegeben, die ihm statt des erhofften pekuniären Erfolges ein Defizit von 11 voll Franken eintrugen, das glücklicherweise eine Freundin Liszts, Madame Kalerghi, eine geborene Gräfin Ncsselrode. deckte. So wurde die von der Fürstin Metternich   angebotene Hilfe der letzte Rettungs- anker. An einem der Montags-Empfangsabende der Kaiserin Eugenie   nahm die Fürstin dem Kaiser Napoleon das Versprechen ab, denTannhäuscr" geben zu lassen,, und der Auftrag wurde noch während jenes Empfanges dem anwesenden Leiter der Hof- oper vom Kaiser selbst, der keine Ahnung von Wagner und seinen Werken hatte, gegeben. Nach Bewältigung ungeheurer Schwierigkeiten begannen die Proben, und es schien sich alles gut anzulassen.Wagner forderte mich aus," so erzählt Malwida von Meysenbug  »-in die erste voll- ständige Orchestcrprobe zu kommen. Es waren nur wenige Bevor- zugte im großen Opcrnhause gegenwärtig, von Damen nur Wagners Frau und ich. So hörte ich denn zum erstenmal vollständig vom Orchester diese Musik, die so lange das Ziel meiner Sehnsucht gc- wesen war, und ich war davon ergriffen, wie von etwas Heiligem, davon berührt wie von dem Hauch der Wahrheit. Es ging auch alles wunderschön, und nach dem herrlichen Sextett, wo die Minne- sänger den wiedergefundenen Tannhäuser begrüßen, erhöh sich das Orchester wie ein Mann und brachte Wagner ein freudiges Hoch der Begeisterung aus. Es war 1 Uhr in der Nacht, als die Probe zu Ende war,"