Ztt lang ist, wird' man schon fertig", wie Lasse sagte. Cr legte eine dicke Sohle hinein und stopfte die Zehenspitzen mit Papier aus. Pelle kriegte zwei Paar Strümpfe an— und die Schuhe saßen wie angegossen. Auf dem Kops trug Pelle eine blaue Mritze, die er sich selbst beim Kaufmann ausgesucht hatte. Sie war aus den Zuwachs berechnet, und ritt auf seinen� Klappohren, die in Veranlassung des Tages glühten wie zwei Rosen. Rund um die Mütze herum lies ein breites Band, in das Harken, Sensen und Dreschflegel kreuzweise mit Korngarben hineingewebt waren. „Rur gut, daß Tu mitkommst," sagte Pelle, als sie vor die Kirche rollten und sich zwischen den vielen Leuten befanden. Lasse wäre ja beinahe nicht mitgekommen; der Knecht, der so lange für die Kühe sorgen sollte, mußte im letzten Augenblick zur Stadt, um den Tierarzt zu holen. Aber Karna kam und erbot sich die Kühe zu tränken und die Mittagsfütterung zu übernehmen, obwohl sie alle beide nicht gerade sagen konnten, daß sie sich so gegen sie benommen hatten, wie sie es hätten wn müssen. „Hast Tu nu auch das, Tu weißt ja?" flüsterte Lasse in der Kirche. Pelle fühlte an seine Tasche und nickte, da lag das kleine runde Stück Pokkenholz, das ihm über die Schwierig- leiten des Tages hinweghelfen sollte.„Und dann antworte Tu nur laut und frei heraus," flüsterte Lasse und schob sich in eine Bank im Hintergrund hinein. Pelle antwortete frei heraus, seine Stimme klang förmlich schön in dem Raum, fand Lasse. Es war auch keine Rede da- von, daß der Pfarrer etwas tat, um sich zu rächen. Cr behau- delte Pelle akkurat so gut wie die anderen. Als die Handlung am allerfeierlichsten war, mußte Lasse an Karna denken, wie rührend sie in ihrer Treue gewesen war. Er schalt sich selbst mit halblauten Worten aus und gab sich ein heiliges Ver- sprechen. Sie sollte nicht länger einhergehen und vergebens seufzen. Lasse hatte sich übrigens schon einen ganzen Monat in Ge- danken so im Stillen mit Karna beschäftigt; bald war er für sie, bald wider sie. Aber jetzt in diesem feierlichen Augenblick, wo Pelle im Begriff war, den großen Schritt in die Zukunft zu tun, und wo Lasses Sinn auf mancherlei Weise bewegt war, überwältigte ihn Karnas Treue so mächtig wie ein Lied von verschmähter Liebe, die endlich, endlich zu ihrem Recht kommt. Lasse gab Pelle die Hand.„Glück und Segen!" sagte er mit zitternder Stimme. Ter Wunsch umfaßte auch seinen eigenen Bund, und er hatte Miihe, den Beschluß zu verschwel- gen, so bewegt wie er war.„Glück und Segen!" ertönte es zu allen Seiten; Pelle ging herum und drückte den Gefährten die Hand. Und dann fuhren sie nach Hause. „Das ging ja unglaublich glatt mit Dir," sagte Lasse stolz, (j— und nu bist Du ein Mann, Du!" „Ja. nu mußt Tu Dich nach'ner Braut umsehen!" meinte Karl Johann. Pelle lachte nur. Am Nachmittag hatten sie frei. Pelle mußte erst zu der Herrschaft hinauf, um sich für den Anzug zu bedanken und ihren Glückwunsch in Empfang zu nehmen. Frau Kongstrup trak- tierte mit Johannisbeerwein und Kuchen, und Kongstrup gab ihm ein Zwcikronenstück. Und dann gingen sie zu Kalles nach dem Steinbruch. Pelle sollte sich in feinem neuen Anzug vorstellen und sich von ihnen verabschieden. Es waren nur noch ein paar Wochen bis zum ersten Mai. Lasse wollte die Gelegenheit benutzen, um ganz im geheimen Erkundigungen über ein Haus einzuziehen, das auf der Heide zu Verkauf stand. (Fortsetzuna folgt.ls rNoAdrUck«Molen.) Sein letztes Lied» Von Hermann Löns . Ehe der Frühling den Bergwald bezwang, hatte eS lange, sehr lange gedauert. Unten im Auwalde hatte er längst schon den Winter zum Kuckuck gejagt; da blühten Windröschen . Schlüssel- blumen und Milzkraut schon, da flog Fuchs und Zitronenfalter, da saß die Amsel auf dem vollen Gelege. Aber auf der Höhe lag noch der Schnee. Da, wo die Sonne hüt hin konnte, verschwand er schließlich; dii Heidelbeere schwellte ihre Knospen, das Wallgras schob seine Kätzchen, die Kriechweide schmückte sich mit Gold, Fliegen und Bienen und Käfer summten und brummten, laichende Frösche knurrten in den Moorsümpfcn, Molche ruderten in den Tümpeln über den klaren Granitgrus und fiuf Pen.leuchtenden Moospolstern grauer Steinblöcke sonnte sich die Bcrgeidechse und schnappte die Fliegen ffom blühenden Sauer« klee fort. Hier, wo bisher nur der Kreuzschnabel lockte. Meisen pfiffen und das Goldhähnchen piepste, sang jetzt die Märzdrossel ihr Jubel« lied, schw-bte der Baumpieper mit frohem Geschmetter hernieder, zwitscherte die Braunelle, schlug der Fink, wippte die Bergbachstelzo von Stein zu Stein, und hier stellte sich auch alles wieder ein, waS vor dem herben Winter zu Tale geflohen war, der edle Hirsch unij das schüchterne Reh, Reineke, der Schleicher, Lampe , der friedliche Mpnn, und des Gebirges stolzestes Geflügel, der Urhahn. Ein altr Hauptpahn war es, der zuerst die tieferen Lagen ver-, ließ und sausenden Fluges die Talschlucht entlang strich, bergan» wärts, dahin, wo selten der Förster hinkam und fast nie ein fahren» der Stadtmensch. Dort,, wo Moor an Moor den Kopf des BergeS umlagert, wo die Axt nie kracht, wo die Fichten wachsen und fallen, wie sie wollen, hat er seit Jahren seinen Stand, lebte er sein heim» liches Leben zwischen Felsblöcken und Baumtrümmern schon manches Jahr, sicher vor Kraut und Lot. Aus einer wilden Trümmerhalde, die jäh zum Tal abschoß, hatte sich zwischen den Blöcken eine gewaltige Eberesche einen Platz! ertrotzt. Leicht war es ihr nicht geworden, und sie hatte sich viel winden und biegen müssen, ehe sie sich durchkämpfte. Wie der Leib einer Riesenschlange ringelte sie sich aus den grauen, von knallgelben Flechten gesprenkelten Blöcken hervor, wuchs wagerecht fünf Fuß über den Abgrund und dann schoß der knorrige Stamn» gerade empor. Jahr für Jahr versuchte der Sturm ihn zu morden, wie er ringsumher die Fichten zerbrach, wenn der Rauheif sie um» spönnen hielt, aber der alte Ebereschenbaum wich und wankte nicht, denn allzu tief reichten seine Wurzeln in die Spalten, zu sehe hatten Frost und Sturm ihm Rinde und Holz gehärtet. Von hier aus sang Jahr für Jahr während der Schneeschmelze! der alte Hahn sein minnigliches Lied, wenn der Nebel wie eine Mauer in den Fichten stand. Jeden Morgen klang seine Strophe in das große Schweigen des Berges hinein, bis der Tag sich langsani aus dem Nebelbette erhob und drüben von der fernen Wand die Misteldrossel die Sonne grüßte und unten das Land sich entschleierte, Pfiff der Frühwind auch scharf und hart, den alten Hahn focht das nicht an; sein Herz war heiß, seine Kraft zu groß, der Kälte, dem Tauschnce und dem Eiswasser zum Trotz sang er sein seltsames, wunderliches Lied von dem alten Ebereschenbaum herab. Wenn aber Braunelle und Drossel schlugen, Fink und Piepev schmetterten, Zaunkönig und Laubvogel jubelten, dann schwieg der stolze Vogel, als schäme er sich, daß er, der ernste Kämpe, wie das geringe Volk zeigen müsse, daß auch ihm nicht anders ums Herz sei. Polternd strich er dann ab und fiel dort ein, wo die Hennen zwischen den mächtigen Steinblöcken nach kleinem Getier suchten und Knospen und Samenkörner auflasen, und er holte sich bei ihnen, was sein gutes Recht war als ihr Herr Gemahl, und das ihm kein anderer Hahn länger als eine Viertelstunde streitig machte, um zerzaust und zerschunden dorthin zu streichen, wo kein so grimmer Kämpe, wie der Hahn vom rauhen Hang, seinen Harem schirmte. Wenn dann die Frühsonne so recht warm schien, daß das MooS wie Gold und die Sauerkleeblumen wie Silber leuchteten, wenn» aus allen Fliegen Diamanten und auS allen Heidelbeerblüten Rubinen wurden, dann konnte es geschehen, daß hier in dieser Einsamkeit die Tannenmeise uno das Goldhähnchen, der Laubvogcl und der Zaunkönig ganz etwas Ab- sonderliches zu sehen bekamen; denn nachdem der Hahn eine lange Weile schläfrig dagestanden hatte, schritt er gemessen den Hennen näher, schwang sich auf einen bunten Steinblock, daß die Sonne sein adelig Gefieder von allen Seiten bestrahlen konnte, spreizte die Schwingen, fächerte den Stoß, blies die Kehle auf und fang so herrlich, so wunderbar, so rührend, daß eine Henne nach der an» deren die Käfersuche aufgab und ergriffen seinem Liede lauschte, Und eS konnte auch vorkommen, daß der Hahn in seiner Verliebtheit polternd auf der Spitze einer der vom Wintcrsturm mißhandelten, vom Rauhreif zernagten Fichten einfiel und, ohne sich um den Hirsch oder das Stück Wildbret zu kümmern, das er aus dem Bette gescheucht hatte, von hier aus auf das ernsthafteste die Sonnenbalze betrieb. Ja, oft quälte ihn sein Herz so arg, daß er noch abends, wenn tief unten im Tale die Sonne von dem Lande Abschied nahm und die Misteldrossel ihr Nachtlied sang, der Hahn, wenn er sich auj seinem Schlafbaume eingeschwungen hatte, noch nicht gleich den Kopf versteckte, sondern noch einmal seine uralte Wvise in die dämmernde Einsamkeit hinaussang. Der Fuchs, der unter den Klippen herschnürte, spitzte die Gehöre und schlich weiter; er wußte, das war nichts für ihn. Eine Urhenne hatte er wohl schon einmal aus dem Neste gerissen, auchl sonst ein ganzes Gesperre vertilgt� aber an den alten Hahn war er noch nie herangekommen. Ein einzigesmal wäre eS ihm fast ge- glückt, als der Hahn am Boden balzte, aber die Hennen hatten der» Schleicher gewahrt und waren mit hellen Warnrufen davon- gepoltert und hinter ihnen her ritt der Hahn ab und der Fuchs hatte, und daraus machte er sich nicht viel. So schlich er denn an Witterung von der Stelle nehmen konnte, wo der Hahn gebalzt hatte, und daraus machte er sich nicht viel. So schlich! er denn an dem Hang entlang, um zu versuchen, ob er tiefer unten nichts Besseres fände, als nur Rüsselkäser und weiter nichts als Rüssel» käfer,. und wenn das Glück es wollte, eine magere Maus. Aber es war jemand da, der das Balzen des Hahnes vernommen hatte. In aller Herrgottsfrühe war es jm Tale erstlang geschlichen,
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28 (28.3.1911) 61
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