der Dramen und Aufführungen der Engländer bildete, war nichts anderes als der Clown, der noch heute im ZirkuS ganz ähnliche Possen und Spätze treibt wie damals Monsieur Pickel- häring oder Jean Potage. Derbe Pantomimen und tolles Gesichter- schneiden hatte� er zur Virtuosität ausgebildet. In den Zwischen- alten der Tragödien erlustierte er das Publikum durch Equilibristen- künste, Verklerdungen aller Art und Zauberstückchen. Höhere An- forderungen als an die darstellende Kunst wurden an eine akrobatische Ausbildung gestellt. Die Tänze wurden durch gefährliche Sprünge, durch Gliederverrenkungen und Saltoyrortales gewürzt, wie ja überhaupt noch lange der Beruf des Tänzers und des Pantomimen aus dem des Akrobaten und Seiltänzers hervorwuchs. Noch der junge Schröder, der dann das deutsche Theater auf die Höhe seiner klassischen Epoche führen sollte, begann zunächst als Springer und Tänzer, führte halsbrecherische Künste aus und belustigte damit noch im Nachspiel ein Publikum, das er vorher als Shylock aufs tiefste erschüttert hatte. Wie die englischen Komödianten in ihre blutrünstigenMordspektakel" stets akrobatische Separatvorstellungen einlegten, zeigt anschaulich etwa das Drama »Esther und Haman". Der Sohn des Pickelhärings Hans Knapkäse macht den Eltern Equilibristenkünste vor, springt z. B. durch einen Bogen, was der Alte vergebens nachzumachen sucht. Auch das Erhenken HamanS gibt dem Schauspieler zu einem ge- wagten Sprung Anlast. Hansstürbet ihn hinunter, schneidet her- nach ab und trägt ihn hinein". All jene Gaukelstückchen der Tascken- spieler, das Kehleabschneiden, das Sich-den-Bauch-aufschlitzen, worin heute noch die japanischen Schauspieler brillieren, wurden von den englischen Komödianten mit virtuoser Geschicklichkeit und höchstem Naturalismus vollbracht. Die mit Blut gefüllten Blasen, die dabei aufgeschnitten wurden, tauchten alles erst in die richtige grausig rote Mordstinunung..,. Nach solch glorreichem Vorbild dauerte eS nicht lange, bis auch deutsche Komödianten immer häufiger ihre roh gezimmerteBrücke" auf den Marktplätzen aufschlugen, um dorthöchst jämmerliche" Trauerspiele darzustellen und in den Zwischenpausen oder Einlagen die alten Gaukler- und Tänzertricks vorzuführen. Ein Teil des fahrenden Volkes stieg nun zum Komödiantcnstande empor und verpflanzte dieBudenwirtschaft" auf die Bühne. Ganz trefflich eigneten sich zu Hanswürsten die sogenanntenHimmelreicher" oderHimmelreichsmänner", all die Lustspringer, Seiltänzer und Akrobaten, die als ihr eigentliches Element die Luft, den Himmel, in Anspruch nahmen. DieExerzitien", die siezu nutz der Jugendt" mit ihrenAktionen" verbanden, umfastten die ganzeSpringerei", wie man damals kurz all' solche theatralische Vorführungen nannte. Auch Marionetten- und Puppenspieler trieben zugleich Gaukel- künste, während sich manche Schwindler und Abenteurer, die damals ganz Europa überfluteten, die neue Kunst des Komödien- spielS zunutze machten. Wir finden eine ganze Reihe von fahrenden Aerzten, Onacksalbern und Zahnbrechern, die nicht nur auf dem Seile tanzten, dressierte Tiere vorführten und Taschen- spielerkünst« trieben, sondern sogar ein richtigesTheatrnm" er- richteten und vor und nach der ärztlichen Konsultation Komödie spielten. Der Arzt selbst, seine Frau, Hanswurst und Magd stellten dem zusammenströmenden Publikum ganze Theaterstücke mit ein- gestreuten Voltigier« und Gauklerszenen dar. Der bekannteste dieser Aerzte-Komödianten" war der Hanswurst und Zahnbrecher Johann Ferdinand Beck, Prinzipal einerprivilegierten hochdeutschen Hos- komödianten- Gesellschaft", der unter sein prächtiges Porträt die Werse setzte: Ein Künstler, der bin ich, wer dist nicht glauben will, Setz fich auf einen Stuhl und halte mir nur still, Ich nehm die Zähne auh subtiele und behäude, So hat der Schmertz, die Qual auf einmal gleich ein Ende. Ich bin ein solcher Mann, der noch viel nrehr kann machen, Wer mich Agiren fieht, den mache ich zu lachen." Die zwar recht praktische, aber für uns doch ungewöhnliche Verbindung von Komiker und Zahnarzt Ivav nicht die einzige kuriose Erscheinung, die bis tief in das 18. Jahrhundert hinein ihr Wesen auf dem deutschen Theater trieb. Teuber in feiner inhaltsreichen Geschichte des Prager Thcaterwcsens registriert nur eine allgemein typische Erscheinung, wenn er in dem Repertoire immer wiederCommedianten und Sayldanzer" aufführt, die mancherley schöne Kurzweill, erstlich auf dem ungespannten Luft- Sail, mit schönen, trefflichen Danzern, Springern, Maskeraden, sowohl in der Tasche als in der Karte" agierten. Wir treffen Luftspringer", polnische Tänzer und Bävcnfiihrer, Leute mit Auto- nKiten und anderen Kuriositäten ckn, die zugleich auch Komödianten waren. In Berlin erscheint z. B. der große Wundermaiin Sebastian di Soie, der laut dem ihm ausgestellten PrivilegKomödien spielen, Ballette tantzen, mich andere Exercitien treiben, gleichen seinen Balsam und chymischcn Medikamente verkaufen" durfte. Ein be- sondercr Liebling König Friedrich Wilhelm l. war derstarke Mann" Johann Carl Eckenberg, der eine Kanone mit einem trommelnden Mann darauf in die Höhe hob und auf seinen Bauch einen riesigen Schmiedeambost setzen liest. Er wurde in den Adel - stand erhoben und erbaute in Berlin ein Schauspielhaus, in dem er Komödien aufführte und sich zugleich als Voltigirer, Luftspringer und Athlet sehen lieh. Selbst bei der.berühmten Banda" des Ma- gijttzx Belthen, der ersten deutschen Schanspielertxuppe mit eintzp eigenen künstlerischen Physiognomie, finden wir noch die cquili- bristischen Intermezzi und Lazzi des Hanswursts und auch die Neuberiu konnte ohne sie nicht auskommen. Erst ganz allmählich hörte dieBudenwirtschgst" im Theater« leben auf, die erste Rolle zu spielen sie ba.'cht ja in den Schmieren " noch heute fort, die Zirkuskünste i-er schwanden von der deutschen Schaubühne und fanden ihre Stätte in dem modernen Zirkus, dessen Begründung und Ausbildung erst zu Anfang des . Jahrhunderts, hauptsächlich durch de» alten Renz, erfolgte. Und kaum waren sie fort von der Büh»x, die Vagabunden und ihre Jahrmarttskünste da sehnte man sich auch schon nach den Fahrenden" zurück. Leidenschaftliche Theaterphantasten, wie der alte Ticck und Holte!, predigten in romantischer Schvärmercieine Regeneration der Bühne von der Kreuzerbude aus". Holtet wollte das spiestbürgerliche banale Leben der ständigen Theater in Breslau , wo er Dramaturg war, durch das Engagement einer Seiltänzer- und Akrobatentruppe aus dem Zirkus farbiger und interessanter machen; er sah später nur in der Rückkehr zum Wanderleben ein Mittel für die Hebung der gesunkenen Schauspielkunst, und die ganze Glut seiner Theatcrlcidenschast gehörte jener verlockenden, romantisch wunderlichen Sphäre des Schaubuden- und Vagabunden- tums, in der sich Bühne und Zirkus miteinander vermischen. Dies abenteuerliche Reich der Gaukler und Komödianten hat er in seinen beiden besten Romanen, denVagabunden" und demLetzten Komödianten", verherrlicht, l)er ZcKlaf und feine Störungen. Von Dr. B. S t e i n i n g e r. Alle Lebenserscheinungcn zeigen den periodischen Wechsel der Arbeit und der Ruhe. Das Gesetz des Wechsels macht sich durch die ganze organische Welt geltend, und zweifellos gehören die Gegen- sätze der Ermüdung und der Erholung zu den hervorragendsten Eigenschaften des Lebens. Das Schlafen und das Wachen sind nur die höchstentwickelten Formen der Erholungs- und Ermüdungsphasen, die auf dem Wege der Einübung und durch Vererben der GallungS- eigenschafreu innerhalb langer Reihen von Generalioneu erworben werde». Den BewustlseinSzustand deS Schlafes keimt jedermann. Trotzdem ist es bis jetzt nicht gelungen, eine erschöpfende Erklärung dieses ZustandeS zu geben. Viele erklären das rhythmische Einsetzen des Schlafes aus der Anhäufung von Ermüdungsprodukten im Blute, die sich während des Wachens im Organismus bilden und dann in einer gewissen Ouaniitäl schlaf- erregend auf das Nervensystem wirken. Welcher Art diese Stoffe sind, die also das uatürlichste Schlafmittel darstellen, ist uns vorläufig völlig dunkel. Der Schlaf gehört eben zu jenen überall verbreiteten Erscheinungen, für die die Ursache in den Eigen- schafteu der lebendigen Substanz selbst liegt. Diese komplizierten Vorgänge deS Schlafes machen uns seine Störungen verständlicher. Ist doch die Schlaflosigkeit eines der ver» breitetsten Hebel. Kaum daß sich jemand findet, der noch keine schlaflose Nacht erlebt hätte. Denn der gestörte Schlaf ist die Haupt- sächlichste Form, in der sich unsere körperlichen und seelischen Un- pätzlichkeiten zeigen, und wir dürfen deshalb seine Abweichungen von der Norm nicht vernachlässigen. Mit dein Worte Schlaflosigkeit ist jedoch noch wenig gesagt. ES gibt so viele Arten und so mannig- fache Ursachen dieses ZustandeS, und jede Art verlangt eine andere Beurteilung und Behandlung; wie wohl jeder Leidende eines be» sonderen ärztlichen Rates bedarf, so natürlich vor allem bei Schlaf» losigkeit infolge körperlicher Schmerzen oder anderer Leiden. An Schlaflosigkeit leiden meist auch die Neurastheniker und Hypochonder. Sie klagen, daß sie erst 1 2 Stmideii nach dem ubettgehen einschlafen, dann nur wenige Stunden schlafen, um sehr üb zu erwachen, und dann nicht mehr einschlafen können. Die natürliche Folge der verminderten Ruhe ist, daß sie sich tagsüber abgespannt und abgeschlagen fühlen. Andere Ivieder wälzen sich die halben Nächte auf dem Lager herum, ohne Schlaf finden zu können, stehen vielleicht auf, macheu Licht und beobachten qualvoll da» Fort- schreiten der Zeit, um erst gegen Morgen in einen oberflächlichen und kurzen Schlummer zu fallen. Erne große Anzahl derartig Leidender krankt auch direkt an der Zwangsvorstellung, nicht schlafen zu können. Sie haben ein oder einige Male nicht geschlafen, und mm bildet sich die Furcht des Nichtschlafenköiinens aus. Diese Beftirchtung tragen sie schon des Tages über mit sich herum, legen sich abends damit zu Bett, und diese Furcht ist der Hauptfaktor, der sie am Einschlafen hindert. Ferner ist noch einer Reihe von Nervösen zu gedenken, die unter zu großer Geräusch- uud Lichtempfindlichkeit leiden. Wenn sie sich schlafen legen, so horchen sie förmlich im Halbschlummer auf jedes Geräusch in der Umgebimg, um sofort dadurch zu erwachen. Mag die Umgebung noch so ruhig sein, immer wieder wird sich etwa? finden, was störend und aufweckend wirkst So ist es ver» ständlich, daß cS in Paris für solche Leidende Nachtlager in tiefen, unterirdischen Kellern gibt» wohin der Lärm der Großstadt nicht ge» langen kann,