Hlnterhattungsblatl des vorwärts Nr. 85. Donnerstag, den 4. Mai. 1911 virbolen.) l>as Sememäekincl. Erzählung v. Marie v. Ebner-EschenbaH. - lll'. Alißerhalb des DorfeS, zu Füßen eines Abhangs, den krr Jahren der längst ausgerodete Bauernwald bedeckt hatte, be- fand sich eine verlassene Sandgrube. Seitdem sie ihres In- Halts bis auf die letzte Ader entledigt worden, gehörte sie?u den toten Kapitalien des Gemeindevermögens, und keiner dachte daran, das öde Fleckchen Erde nutzbar zu machen: denn keiner, der da begonnen hätte zu Pflügen und zu säen, würde die Ernte erlebt haben. Einmal bot der Verwalter der Frau Baronin, deren schlechteste Felder an die Sandgrube grenzten, 30 Gulden für den vom Unkraut überwucherten Winkel, trat jedoch von dem Kauf, als er richtig gemacht werden sollte, wieder zurück. Von der Zeit an hatte kein Käufer sich mehr gemeldet. Das Erstaunen war nicht gering, als ein solcher endlich wieder auftrat und zwar in der Person Pavel Kolubs. Ein Jahr war vergangen, seitdem er aus der Unter» suchungshaft entlassen worden, und Tag für Tag hatte er sich, im Winter wie im Sommer, am frühen Morgen auf die Beine gemacht und war erst mit der sinkenden Nacht heimgekehrt. Nichts vermochte die Gleichförmigkeit seiner Lebensweise zu unterbrechen, nichts ihm eine Teilnahmsäußerung für die Vorgänge in der Außenwelt zu entlocken. Ueber die Heirat Peters nnd Vinskas, die ganz in der Stille begangen worden war und im Dorfe sogar den hartnäckigsten Schweigern so viel zu reden gegeben hatte, verlor er kein Wort. An dem Tag. wie an jedem andern, ging er nach Zbaro, wo er immer Arbeit fand, in der Sägemühle, in der Zuckerfabrik oder im Wald. Er verdiente viel und konnte am Ende der Woche seinen Lohn ungeschmälert in die Sparkasse unter der Diele im Zimmer Habrechts legen, da ihn dieser init Kost und Kleidung ver- forgte. Mit Wonne sah er das Wachsen seines Reichtums und hätte sich überhaupt ganz zufrieden gefühlt unter zwei Be- dingungen. Ein Wiedersehen mit seiner Schwester wäre die erste, Ruhe vor den Neckereien der Dorfjugend die zweite ge- Wesen. Aber keine von beiden wurde erfüllt. So oft er sich an der Klosterpforte einstellte, wurde er unerbittlich fortge» wiesen, und so zeitig er auch nach Zbaro ging, immer fanden sich Buben und Mädel, die noch zeitiger aufgestanden waren, llm ihm aufzulauern und ihm unter dem Türspalt hervor oder über die Hecke hinweg nachzurufen:Giftmischer!.», bist doch ein Giftmischer." Pavel schwieg lange, klagte aber zuletzt voll Bitterkeit dem Kehrer seinen Verdruß. Schau, schau," erwiderte der,jetzt ärgerst Dich?... Wie lang ist's her, daß Dir um nichts so viel zu tun war, als um die schlechte Meinung der Leute?" Der Bursche wurde rot:Man kann am Ende genug da- hon kriegen," meinte er, und Habrecht versetzte: Das denk ich. Wenn sich einer Prügel geholt hat und im Anfang auch trotzt und sagt: Nur zu! endlich wird's ihm doch genug, und dann sagt er: Hört auf! Aber just da packt die, die zuschlagen, erst die rechte Passion. Wie geht's denn wir, und wie lange ist's denn bei mir her, daß ich gelacht habe, wenn die Leut gekommen sind und mich gebeten haben, ich soll machen, daß der Hagel ihr Feld oder der Blitz ihre Scheuer verschont? Es hat mir geschmeichelt... O, lieber Mensch! ».. und heut möchte ich jedem Esel um den Hals fallen, der nichts anderes von mir glaubt, als daß ich so dumm bin wie jer selbst." Im Wirtshaus berieten derweil die Bauern über den Verkauf der Sandgrube an Pavel. Anton, der Schmied, um feine Meinung befragt, befürwortete die Sache. Auf ihn hatte die SchuldlosigkeitSerklärung, die Pavel von?lmts wegen ausgestellt worden, Eindruck gemacht, und das Gutachten der Sachverständigen ihn in dem Zweifel be- festigt, den er von Anfang her an der Leichtigkeit der Gifte gehegt. Sein Rat war: man verkaufe dem Buben die Grube; ex hat Geld, er soll zahlen. Der Vorschlag ging durch. Pavel wurde mündig gesprochen und' erwarb die Sand- grübe zu hohem Preis, nachdem man ihm begreiflich gemacht hatte, daß die Gemeinde, der er ohnehin seit sieben Jahren iwl Beutel lag, am wenigsten ihm etwas schenken könne. Was ihn betraf, er fand seinen Besitz nicht zu teuer be- zahlt. Ihm erschien eine Summe immer noch gering, die eini Wunder getan und ihm, dem Bettler, dem Gemeindekind, zu einem Eigentum verholfen hatte. Sein Gönner und er be- schlössen den Tag, an dem der Kaufkontrakt unterschrieben worden war, auf das feierlichste. Habrecht zündete außer dem Lämpchen auch eine Kerze an, Pavel breitete seine Schätze vor sich aus, das Zeugnis vom Amte, den Kaufvertrag, den Rest seiner Ersparnisse und Miladas Beutelchen mit seinem noch unangetasteten Inhalt, Das Geld wurde gezählt und ein Ueberschlag der Kosten des! Hausbaues gemacht. Um die Ziegel war keine Sorge, die sollte Pavel auf dem Felde des Lehrers schlagen, nach Ton braucht man in der Gegend nicht weit zu suchen. Schwer hin- gegen ist das Holzwerk beizuschaffen, dazu reichen die vor- handenen Mittel nicht aus und können im günstigsten Fall! vor dem nächsten Herbst kaum zusammengebracht werden. Zum Glück kommt der Dachstuhl zuletzt; die nächsten Sorgen Pavels galten der Pkanierung seines Grundes und dem Auf- bau seiner vier Mauern. Genug für den Anfang, genug für einen, der zur Bestellung seiner Angelegenheiten nur die Zeit hat, die ihm der Dienst bei fremden Leuten übrig läßt. Dies alles ausgemacht, und der Bursche holte Schreib- Material herbei und verfaßte, schwer seufzend, und unter größeren Anstrengungen, als das Fällen eines Baumes ihn gekostet hätte, folgenden Brief: Milada, meine allerliebste Schwester ich bin dreimal bei Dir ge- Wesen aber die Klosterfrauen haben es mir nicht erlaubt der Herr Lehrer hat ihnen schon geschrieben. Milada ich Hab die Sandgruben gekauft wo ich für mich und die Mutter das Haus bauen soll, bitte die Frau Baronin, daß sie mich zu Dir gehen laßt weil ich unschuldig bin und von Gericht den Schein bekommen habe daß mir das Gericht nichts tun darf ich habe auch neue Kleider und möcht nicht mehr im Kloster Knecht sein weil ich die Sandgruben Hab. So sollen mich die Kloster- frauen zu Dir erlauben." Auch an seine Mutter schrieb Pavel noch an demselben Abend und teilte ihr mit, daß sie, wenn ihre Strafzeit ver- flössen sein werde, eine Unterkunft bei ihm finden könne. Von der Mutter kam auch bald ein Brief voll Liebe, Dank und Sehnsucht: die Antwort Miladas ließ lange auf sich warten und brachte, als sie eintraf, eine herbe Enttäuschung. Lieber Pavel, ich habe immer gewußt, daß Du unschuldige bist," hieß es in dem Schreiben,und mich gefreut und Gott gedankt, daß er Dich würdigt, unschuldig zu leiden nach dem Vorbild unseres süßen Heilands. Und jetzt muß ich Dir etwas sagen, lieber Pavel. Ich habe Dich lange nicht gesehen, aber das war nur Gehorsam und kein freiwilliges Opfer, das hat mein Erlöser mir nicht angerechnet. Jetzt hat die ehr- würdige Frau Oberin erlaubt, daß Du mich besuchst, und jetzt erst kann ich ein freiwilliges Opfer bringen. Ich tu's. Pavel, und bitte Dich, lieber Pavel, komm nicht zu mir. warte noch ein Jahr, warte ohne Murren, denn nur das Opfer, das wir freudig zu Füßen des Kreuzes niederlegen, ist ein Gott wohlgefälliges und wird von Ihm denen angerechnet, für welche wir es darbringen. Laß uns freudig entsagen, Du weißt, daß wir es für die Seelen unserer Eltern tun, die keine anderen Fürsprecher als uns bei ihrem ewigen Nichter haben. Komm also nicht. Wenn Du aber dennoch kämst, lieber Pavel, es wäre umsonst mich würdest Du nicht sehen, ich würde die guten Klosterfrauen bitten, mich vor Dir zu verstecken, Du würdest wieder fortgehen, hättest mich nicht gesehen und mir das Herz nun unendlich schwer gemacht, denn ich habe Dich lieb, mein lieber Pavel, gewiß lieber als Du Dich selber hast." Was schreibt denn Deine Schwester?" fragte Habrecht, der den Burschen mit betroffener Miene auf das Blatt nieder- starren sah. dessen schöne regelmäßige Schriftzüge er langsam entziffert hatte. Pavel beugte sich plötzlich vor, große Träne» stürzten aus seinen Augen.