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Noch

Die Bebölferung Rüstringens ift, was der Bolteftamm anbelangt, I heit. Das ganze Jahr im Glastaften fizen, fich bon eine Kolonialbevölkerung. Aus allen Gegenden Deutschlands hat fie allen Leuten beobachtet zu sehen, auf Schritt und Tritt mit seinem fich in diesem Neuland zusammengefunden. Es überwiegt indessen Namen begrüßt zu werden, oder hinter seinem Rüden feinen Namen doch das niedersächsische Element. So neu Rüftringen als Stadt tuscheln und sich die politische Gegnerschaft an ihm reiben zu hören, auch ist, feine romantische Vergangenheit hat es doch. Die alten das fann einen, selbst wenn man phlegmatisches Temperament be Rüstringer waren ein trobiger Friesenstamm, der einsiedlerisch auf figt und Nerven wie Bazenstricke hat, schließlich doch noch nervös den den Springfluten trozbietenden Landerhebungen saß, auf denen machen. Und dieser Fluch des Stadtbekanntseins lastete auch in fich heute noch die alten Bauernhöfe befinden. Die Rüstringer waren Rüstringen auf mir. So fagte ich denn der neuesten Stadt und die Bundesgenossen der bekannten Stedinger, jener Freiheitshelden, ihren freundlichen Städtern bald wieder Valet und vergrub mich in der gegen die im Mittelalter ein Kreuzzug gepredigt worden. So harm Häuserwüste und dem Menschengemenge Berlins , um einmal die Tos waren die Rüstringer freilich nicht, fie bevorzugten Seeraub twohltuende Einsamkeit" des Nichtgekanntseins zu genießen. und Strandraub als bequemste und sicherste Erwerbsquellen. R. Wagner . lange hat sich im Kirchengebet die Bitte um einen gefegneten Strande, das heißt um das Stranden fremder Schiffe, erhalten. Auch die Mönche des Banter Klosters waren gefürchtete Seeräuber. Deshalb wurde es von dem Bremer Bischof als ein Gottes­gericht hingestellt, als im 18. Jahrhundert schreckliche Sturm­fluten das Land verschlangen und den Jadebusen bildeten. Nichts blieb übrig als die traurigen Ruinen der auf einer Erhebung stehenden Banter Kirche. In Erinnerung an dieses alte Bant, das im Meer versunkene Veneta, wurde, ich darf wohl annehmen, auf Veranlassung unseres Parteigenossen Hug, deffen Lebenslauf aufs engste mit der Entstehung der Stadt Rüftringen berknüpft ist, die oldenburgische Werftarbeiterkolonie, die im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts im Anschluß an die Entstehung des Jadehafens auffam, Bant genannt.

Der eigentliche Grundstock der Wilhelmshavener Gründung war das Kirchdorf Heppens, das heute noch als Alt- Heppens existiert und in seinen einstödigen Häusern die Baghaftigkeit der ersten Bebauer zeigt, die auf dem meergeborenen Schlidboden große Häuser zu bauen fich nicht getrauten. Jetzt ist auch diese Furcht überwunden. Man baut mächtige Marine- und Mietskasernen auf den scheinbar so unsicheren Schlid.

( Nachdrud verboten.]

Die Königin der Kathedralen.

Von Dr. Karl Goldmann( Berlin ).

Die moderne Industriestadt Reims , die zu Anfang Mai unter großem weltlichen und firchlichen Gepränge den siebenten Säfular tag der Grundsteinlegung ihrer weitberühmten Kathedrale Notres dame festlich begeht, hatte zu der Zeit, da man die ersten Grund­mauern des Domes errichtete, an dem gewaltigen Aufschwung französischer Kultur bedeutenden Anteil. Bon Frankreich ging damals die große Erneuerung aus, die das alte Europa wieder jung machte. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts schrich der deutsche Chronist Olto von Freifing, daß die Wissenschaften nach Gallien übergefiedelt seien. Aber Frankreich hatte in diesens geistigften aller Jahrhunderte des europäischen Mittelalters nicht nur die Führung in den Wissenschaften, sondern auch in der Politif, in der Kunst, kurz in jeder Art erhöhten Lebens die Führerschaft. Fast mehr noch als die reichausgestattete Marinebertvaltung in Dre Norden Frankreichs und vor allem Paris war damals der Wilhelmshaven hat die befizlose Arbeiterschaft in Bant und Hoppens Brunnen, der den ganzen Erdkreis bewäfferte". Niemals vorher geleistet. Die Schwierigkeiten waren außergewöhnlich. Man bente hatte französischer Geist so mühelos ficgend sich die Kulturwels nur an die Trinkwasserbeschaffung, Brunnen fann man nicht graben, unterjocht und auch nachher nur noch einmal: zur Zeit der großen da der Meerboden nur Salzwasser von fich gibt. In Zifternen Revolution. wurde das Regenwasser gesammelt, das nur als Tee trintbar war, Diese beiden Bewegungen, so verschieden sich auch ihre äußeren der meistens die Form eines steifen Grogs erhielt. Jetzt hat die Erscheinungsformen darstellten, haben innerlich weit mehr gemeins neue Stadt eine tadellose Quellwasserleitung. als es bei einer oberflächlichen Betrachtung den Anschein hat. Da war zunächst eine in ihrer Konsequenz unerbittliche und revolution näre, gegen das Ueberkommene sich wendende Wissenschaft: hier die Scholaftit, dort der Encyklopädismus; beide hatten in einer furzem Spanne Zeit das gelehrte Europa sich erobert und in größte Be wegung gebracht. Sodann arbeitete sich in beiden Epochen eine neue foziale Schicht zur Macht empor: im 12. Jahrhundert das Städte- und Bürgertum, im Zeitalter der großen Revolution der dritte Stand". In der Politik drängte in beiden Epochen das ganze Land zur Führerschaft. Das Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts bekriegte und befiegte ganz Europa , fich auf deffen Kosten vergrößernd: als 1223 Philipp Auguft nach vierzigjährigen erfolgreicher Regierung starb, stand der Staat der Stapetingen gerade dreimal so groß da als vorher. Und in beiden Zeitalterm war Französisch die Weltsprache.

Ich weiß sehr wohl, daß man im fapitalistischen Klaffenstaate leine fommunale Musterleistung vollbringen fann. Gerade in einer Arbeiterstadt, in der nur die Arbeiter die Lasten zu tragen haben, hat das wegen der hohen Gemeindefteuern feine besonderen Schwierigleiten; aber schon der erste Blid in die überaus saubere, freundliche und gesunde neue Stadt zeigt, daß hier mit geringen Mitteln die Arbeiterschaft mehr geschaffen hat, als das hochmütige und geldstolze Batriziat alter Großstädte. Gewiß mögen auch hier Fehler vorkommen, aber, wenn man alles nur in allem nimmt, wie es Goethe uns zu tun lehrt, muß man an dem netten freundlichen Gemeinwesen seine helle Freude haben. Auch ich hatte meine helle Frende daran, als ich die mir so vertrauten Straßen der neuen Stadt wiederfah. Man sieht ordentlich das Vorwärtsdrängen, es ist ein moderner Geift, der hier herrscht, trotz der oldenburgischen Bureaukratie, die sich, wie alles, was von oben kommt, nach dem reaktionären preußischen Geiste richten möchte.

Fast ideal möchte ich das Klinterpflaster der neuen Stadt nennen, das stets sauber und so elastisch ist, daß es mir wie ein wahrer Hühneraugentrost erschien.

Diese Zeit aufs höchste gesteigerter Kultur war so reich ar eigenen Kräften, daß sie es wagen mußte, auch auf dem Gebiet revolutionär zu sein und ein Eigenes zu geben, das bisher durchs aus von der Tradition der Antife beherrscht war: in der Baufunt, Der romanische Stil, der von der Spätantike ausging, man Ein Schmerzenskind der Gemeinde Bant waren früher die roten im Grunde doch nichts anderes gewesen als deren Fortbildung und Laternen, die den Matrosen die schneidige Damenbedienung tund Bariation. Die Gotit aber ist etwas so völlig Neues, daß in taten. Wer wollte den ersten Stein auf sie werfen? Aber auch in mancher Beziehung gar nicht von einer Weiterentwidelung roma­dieser Beziehung ist die Sauberkeit durchgedrungen. Die Arbeiter neuen genialen Eingebungen, die, einem einheitlichen Geist unters Arbeiter- nischer Bauformen zu gotischen zu reden ist, sondern von durchaus schaft verlehrt nicht in dunklen, altmodischen, dumpfen Spelunken, tan, einen neuen Stil ergeben. sondern in hellen, fomfortabelen Lofalen.

Eine Schattenseite zu der erfreulichen Lichtseite bildet die außer wurde zuerst das bisher heilig gehaltene, geschlossene Rund des In der Isle de France erstanden seine ersten Formen. Hier dienstliche Bevormundung der Werftarbeiter durch die Werftbehörden. Tonnengewölbes und der Kuppel gesprengt, Kreuzgewölbe und Auch die oldenburgischen Behörden lassen es an Schifanen nicht Strebepfeiler drängten zur Höhe. Nicht mehr der Raum als solchen fehlen, obwohl sie in dieser Beziehung etwas sparsamer wirtschaften, war der letzte Ausdrud des Baugedankens, sondern die Perspektive. als die preußischen. Selbst der neue Magistrat der neuen Stadt In erhabener Kahlheit, nur als Manifestation tiefer architetto­war so fleinlich, den Gründungstag nicht einmal mit cer Benischer Gedanken lagen die romanischen Dome da, in großer Ruhe; flaggung der Häufer zu begehen, weil eben der Gründungstag auf da wudyjen Rippen, Dienste, Kreuzgewölbe, Strebebogen, Strebe den 1. Mai fiel und deshalb hätte angenommen werden fönnen, daß pfeiler herauf, sprengten das völlig zu Ende gedachte System und der Fahnenschmud der Maifeier gelte. Selbstverständlich sind die brachten und verlangten lebendigste Bewegung. In verschiedenen fozialdemokratischen Magistratsmitglieder mit dieser Unterlaffung Provinzen Nordfrankreichs entwidelten sich diese ersten Formen der wohl nicht einverstanden gewesen. frühen Gotif, schließlich erlangte die Schule der Jele de France, die S. Denis zu Baris erbaut hatte, den größten Einfluß; was hier gea baut wurde, blieb vorbildlich für die Provinzen.

Jawohl, man hat in der neuen Stadt sozialistische Magistrats­personen und fie führen, wie Unkel Herse in Reuters Franzofentid" den imponierenden Titel Ratsherr". Db fie, wie Untel Herse auch eine Ratsherrenuniform befizen, habe ich nicht ermitteln können, jeden falls hat sich noch feiner darin photographieren lassen. Im Stadtrat, den man in Preußen geschmadloserweise Stadtverordnetenkollegium nennt, besitzt die Anhängerschaft der Sozialdemokratie die Mehr­heit. Der Bollswiz hat für die Stadträte den Titel Senatoren­maate geprägt.

Gern hätte ich noch einen Tag länger in der neuen Stadt ver­weilt, aber die guten Rüstringer machten mich nervös, fie meinten es zu gut mit mir. Ein Provinzialredakteur ist gewiß feine Be­rühmtheit; aber er hat es in der Beziehung noch schlechter, da er ohne Ruhm noch stadtbekannter ift, als eine Berühmt

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Auf die Zeit dieser unerhört raschen Blüte neuen Stile folgte eine Zeit der Klassit, der Reife. Nennt man die ersten fünfzig Jahre des Werdens die Frühgotit, so kann die folgende Epoche die der Hochgotit genannt werden. Sie wurde aufs großartigste ein geleitet durch den Bau einer Reihe von Kathedralen größten Stils, und man nennt sie daher in der Architekturgeschichte auch die Epoche der großen Kathedralen". Kurz nacheinander wurde der Grundstein zu den Domen von Chartres , Reims und Amiens gea legt. Schon die Maßverhältnisse ließen etwas ganz Neues ahnen, eine letzte Stufe in der Entwickelung des neuen Stils.

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Notredame zu Reims , die seit alters den Eh ennamen Königin der Kathedralen" führt, verdankt ihre Entstehung gleich