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fann nichts sie aufhalten." Gegen Ende des 13. Jahrhunderts schien dieser heilige Eifer indessen erloschen zu sein, denn im Jahre 1295 verweigerte die Stadtgemeinde den Jahresbeitrag zur Bauhütte, den sie seit 1211 alljährlich geleistet hatte.

Der Name des genialen Mannes, der den Gesamtplan des ge­waltigen Bauwerkes sich und seinen Nachfolgern flar und sicher vorzeichnete, ist ebenso umstritten wie es die Namen vieler anderer Erbauer der großen Dome dieser Zeit sind.

Kleines feuilleton.

Aus dem Pflanzenleben.

Bahlreichen anderen firchlichen Bauten des Mittelalters einer sie dahinziehen unter Posaunenschall und unter geweihten Bannern, Feuersbrunst. An ihrer Stelle erhob sich eines der größten Heilig tümer Frankreichs , eine Basilika, deren goldene Kuppeln" Bischof Adalbero von Laon nicht genug rühmen konnte. Am 6. Mai 1210 nun brannten die schon in Trümmer liegenden" goldenen Kuppeln" mit der ganzen Basilika nieder. Die Feuersbrunst, die den alten Bau vernichtete, mag nicht unwillkommen gewesen sein, wurde doch ber Reimser Erzbischof Alberich Humbert beschuldigt, das Feuer Jei nicht ohne seine Genehmigung entstanden zu dem Zwecke, Blab zu schaffen für einen neuen Dom. Der neue Riesenbau, zu dem Alberich Humbert ein Jahr nach dem Brand am 6. Mai 1211 den Grundstein legte, wurde nach den Angaben des Chronisten von Trois- Fontaines schon in zwanzig Jahren vollendet; dies stimmt aber nach den neueren Forschungen nicht. Man hatte wie bei allen großen Kirchenbauten dieser Jahrhunderte auch beim Reimser Dom den Chor zuerst in Angriff genommen. Er wurde 1241 geweiht, zu einer Zeit, als jedenfalls mit dem Bau des Langhauses und der Westfront schon begonnen worden war. So groß man auch die Kathedrale geplant Pflanzenblut. Je eingehender die Forschung sich mit dem hatte; noch im Entsteher genügten ihre Maße den immer fühner Pflanzenleben beschäftigt, um so zahlreicher werden die Beispiele für werdenden Bauherrn nicht, und so wurde 1260 die schon halb fertige eine gewisse Uebereinstimmung im Leben der Pflanze mit dem der Westfront wieder abgerissen, damit das Schiff, das sich angeblich Tiere. Einem russischen Forscher ist es zu danken, daß wir neuer­bereits als zu klein erwies, für die Scharen der Gläubigen um zwei dings auch von Pflanzenblut und von Pflanzenblutstoff reden müssen. weitere Gewölbejoche verlängert werden konnte: der wirkliche Das Pflanzenblut ist der Zelliaft, der Pflanzenblutstoff ist ein neu Grund war jedoch allem Anschein nach durchaus nicht Platmangel, entdeckter, im Bellsaft gelöster Stoff, das Phytohämatin. Dieser sondern der Ehrgeiz der Architekten, die letzte Möglichkeit an Mo numentalität zu erschöpfen. Mit den zuerst geplanten sieben Ge- Stoff leistet genau die gleiche Arbeit, wie der Blutfarbestoff bei den wölbejochen hatte die Kathedrale immerhin die Länge von 110 Tieren, er macht den Sauerstoff frei, der zur Verbrennung der ver­Metern gehabt; der Anbau der zwei neuen Joche steigerte ihre Kohlehydrate und ist farblos, so lange er nicht selbst mit Sauerstoff schiedenen Stoffe im Pflanzenkörper erforderlich ist. Er besteht aus Gesamtlänge auf 140 Meter. Je weiter der Bau von Osten nach eine Verbindung eingeht. Sobald dies aber eintritt, wenn der Stoff Westen fortschritt, um so moderner" wurde er; das heißt, die orydiert wird. architektonischen Fortschritte, die die Zeit inzwischen machte, er­wie der Chemiker sagt, dann nimmt der bis scheinet, an seinen neueren Teilen. Während die Ostpartie noch dahin farblose Pflanzenblutstoff eine hübsche rote Farbe an oder verhältnismäßig plump ist, verjüngen sich die Mauern gegen Westen wird braun oder violett. In diesem Zustande ist der Körper schon zu; man hatte inzwischen gelernt, ihre Dicke zu verringern, ohne länger als Anthochan bekannt. Da das Phytohämatin den Sauer­aber leicht hergibt, muß das Blut ihre Tragfähigkeit damit zu beeinträchtigen. Ungeachtet dieser stoff für gewöhnlich architektonischen Fortschritte blieb indeffen der Gesamtbauplan un- der Pflanze für gewöhnlich farblos erscheinen. angetastet, ja er wurde, wie das grundlegende Wert von Dehio und Bedingungen vorhanden sind, die den Blutstoff zu einer Verbindung Bezold über die Kirchliche Baukunst des Abendlandes" ausdrücklich mit Sauerstoff zwingen, muß die rötliche Färbung in Erscheinung treten. Beim Wechsel von warmen und falten Zeiten fritt nun der betont, mit einer Pietät festgehalten, die einzig dasteht denn in allen anderen Fällen arbeitete jeder der aufeinander folgenden bekannte Anthrochan recht häufig auf, so im Frühling und im Herbst Architekten oder Bauherrn nach einem neuen, seinem eigenen Plan; und bei manchen wintergrünen Pflanzen im Winter. Man hat seit­eine Tatsache, die bei uns in Deutschland am Klarsten an den her das Anthrochan gewissermaßen als ein Schutzmittel gegen die Domen von Straßburg und Mainz zu erkennen ist, die alle Ente Kältewirkung angesehen. Diese Ansicht wird revidiert werden müssen, wickelungsstufen vom romanischen bis zum spätgotischen Baustil denn die rote Farbe ergibt sich lediglich als eine Folge besonders mitmachen. Einzig dastehend beim Bau des Reimfer Domes ist lebhafter Tätigkeit des Pflanzenblutstoffes. Die Kälte veranlaßt die übrigens auch das andere Faktum, daß die Geldmittel ununter- Pflanze zu stärkerer Atmung, der Blutstoff erzeugt einen Ueberschuß brochen flossen wenigstens bis zum Ende des Jahrhunderts. von Sauerstoff und verbindet sich schließlich selbst mit Sauerstoff, Von 1260 an wurde die Westfront, die schönste aller gotischen dadurch seine rote Farbe erhaltend. Wir haben diesen Vorgang ähn Fassaden, mit ihren beiden Türmen gebaut und mit einem Heer lich zu erklären wie jenen, bei dem uns die winterliche Kälte das von Statuen geschmückt. Fast vollendet stand der mächtige Dom in Blut ins Gesicht treibt. Lebhafte Atmung ist die Ursache der Rot­großer Schönheit da, als am 21. Juli 1481 ein Feuer das ganze färbung. Dach vernichtete; der Turm über der Vierung stürzte zusammen; Technisches. aber die Gewölbe und Außenmauern blieben zum Glück unver­fehrt. Immerhin mußte eine große Renovation unternommen werden. Seit dieser Zeit erfuhr Notredame keine Umgestaltungen

mehr.

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Nur wenn

h.

Wagen, Schiff, Luftschiff- alles in einem. Wenn man sich ein ideales Zukunftsbild davon ausmalen will, welches höchste Ziel die Technik in der Entwickelung der Beförderungs mittel für den Menschen erreichen könnte, so fann wohl kaum ein Bweifel darüber bestehen, welche Hauptzüge dies Bild tragen müßte. Die Vervollkommnung des Luftschiffes und des Flugzeuges ist doch nur ein Teil davon. Nach den vielversprechenden Anfängen, die nach Jahrhunderten der Vorarbeit jetzt in der praktischen Ausnutung der Flugschiffahrt gemacht worden sind, läßt es sich leicht voraus sagen, daß einmal eine Zeit kommen wird und kommen muß, wo eben will. Die höchste Vollendung aber würde erst ein Apparat darbieten, jeder sein Flugzeug besißt und damit durch die Luft fliegt, wohin er mit dem man einfach überall vorwärts kommen fann. Geht es nicht über Land, so geht es durch die Luft, und wird es einem in der Luft unbehaglich, so läßt man sich wieder auf den festen Boden ebensowohl als Schiff wie als Wagen dienen können. Diese groß­oder auf das Wasser herunter; selbstverständlich muß das Gefährte artige Idee ist jetzt nicht mehr bloß ein Gebilde der Phantasie, sondern der Amerikaner Glen Curtiß hat nach einer Mitteilung der " Nature" eine Maschine hergestellt, mit der man ebenso leicht über Land und durch das Wasser als durch die Luft soll reisen können. Der dafür vorgeschlagene Name Hydroaeroplan ist also eigentlich noch nicht voll­ständig und müßte vielleicht zu einem Geohydroaeroplan erweitert werden. Das Originalmodell hat zwei Schwimmer, einen Schild und einen großen Ponton, ist aber bereits derart vereinfacht worden, daß jezt nur noch ein rechteckiger Ponton von 50 Pfund Gewicht nötig ist. Der Teil der Maschine, der das Flugzeug darstellt, ist nach dem Muster des schon früher von Curtis fonstruierten Zwei­deders gebaut. Die Gleitflächen sind auf der Unterseite gleichfalls noch mit Holzwerk versehen, damit sie beim Niederlassen auf eine Wasserfläche nicht eintauchen. Vorn und hinten an dem Ponton find Räder angebracht, die der Beförderung auf festem Boden dienen follen. Angeblich hat sich die Maschine bei den Versuchen in allen drei Elementen durchaus bewährt.

Eine ungeheure Steinmasse, einer grauen Felsenwand ber­gleichbar, starrt auf den zur Kirche Schreitenden nieder. Sie iſt, trotz ihrer enormen Wucht. ganz flar in vertikaler Richtung drei fach geteilt; im unteren Stock vollziehen drei mächtige Portale die Gliederung, die nach oben hin durch vorspringende Tabernakel­türme und luftige Wimperge fortgesetzt wird. Die Mitte der Fassade nimmt ein gewaltiges Rosettenfenster ein. Keine andere Domfaffade, weder in Frankreich noch in Deutschland , mäßigt durch eine solche Klarheit der Teilung die Wucht des Ganzen. Mit Sun­derten und aber Hunderten von Figuren sind die Portale besetzt; auch in den Galerien, unter den Tabernakeln und Türmen thronen fie, einem heiligen Heere gleich; ganz hoch oben indes, unterhalb ber beginnenden Türme, stehen unter einer fortlaufenden Galerie, Der Galerie der Könige", 24 in Notredame gekrönte Könige Frankreichs , in ihrer Mitte Chlodwig , der die Taufe erhält. Die Baufreudigkeit war in den ersten hundert Jahren am größten gewesen. Sie lag nicht im Willen eines einzelnen, sei es eines weltlichen oder kirchlichen Fürsten, sie ging auch nicht von einem der mächtigen Klöster aus, die bis dahin in ganz Europa sich Abteien aufgetürmt hatten: das Bürgertum war erwacht und übernahm begeistert die Errichtung der großen Kathedralen, die nicht nur ein Weihegeschenk an den Himmel, sondern auch eine Bierde der Stadt, ein Ausdruck der bürgerlichen Macht sein mußten. Ganze Städte wurden von fanatischer Baulust, ja man könnte hagen Bauwut, erfaßt. Was der Abt Haimon von St. Pierre- sur­Dive berichtet, gilt auch für Chartres , Amiens , Reims , für alle Städte, die sich neue Dome bauten, und es gab deren genug! Wer Hat jemals etwas Aehnliches gesehen und gehört," ruft der er­staunte Abt aus, mächtige Herren und Fürsten der Welt, selbst Frauen von edler Geburt haben ihre stolzen Häupter gebeugt und gleich Bugtieren sich an Karren gespannt, um Wein, Getreide, Del, Balt, Steine, Holz den Werkleuten einer Kirche zuzuführen! Und ob biel mehr als tausend Köpfe zusammen sind, herrscht doch tiefes Schweigen, man hört fein Wort, nicht einmal ein Flüstern. Wenn Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Druck u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.