Eisen gelassen, sich mit einem schnellen Hunde gebalgt, Schrote hatten seine Keulen geschrammt und eine Kugel ihm Felsshiitter um den Kopf gesprengt. Da zog es ihn wieder in das heimatliche Tal zurück. Im Februar aber trieb es ihn, wenn er in Busch und Klippe Nacht für Nacht umhergestrichen war, kläglich nach Minnelohn jammernd, hinaus in die Fremde, über kahle Felder, in unbekannte Wälder, wo er seinesgleichen antraf. Grimmige Gefechte hatte er bestehen müssen mit freien Katern, zerrissen war oft sein Balg und rot seine Pranken, aber immer hatte er obgesiegt und seine Lust büßen dürfen. Aber allzu gefahrvoll wurden ihm die Minne- fahrten, und so strich er nachts an dem Torfe entlang, trieb die unfreien Kater vor sich her und jagte ihnen ihre Bräute ab, und die Bauern fanden eS verwunderlich, daß die jungen Katzen in ihren Ställen von Jahr zu Jahr grauer wurden und dickere Köpfe, rauheres Haar und kürzere Schwänze bekamen. Als aber der Jäger, der jeden Juli hier auf den roten Bock weidwerkte, ihnen sagte, in den Katzen stecke wildes Blut, da lachten sie und sagten, sie letzten beiden Wildtatzen in der Gegend hätte der Förster vor sechs Jahren im Eisen gefangen und an die Schule in der Kreis- stadt gegeben. Der Jäger aber spürte nach jedem Regen alle Wege ab, und er sah sich jeden alten, geschundenen Holunderbusch an und strich um jeden Bau und lauerte an allen Uferstellen, wo er die Reste von Forellen fand und saß stundenlang vom Abend bis tief in die Nacht auf dem Hochsitz, bei unsicherem Mondenlicht in den Wald spähend, und ließ sich auslachen von dem Förster und von den Holzarbeitern, weil es ihm dieses Jahr mit den Böcken nicht glücken wolle, denn er hatte sich gelobt, nicht eher wieder den Finger auf «inen Bock krumm zu machen, bis daß das Kitz gerächt sei, das er im Busche fand, mit den Krallennarben an der Kehle und dem säuberlich benagten Blatt. T«nn daß das der Fuchs nicht gewesen war, das stand für ihn fest. Und so hatte er vorgestern und gestern, wie die Tage vorher, vor Tau und Tag die Krone der alten Samenbuche erstiegen, die oberhalb des WarlocheS an dem Uwangspasse zwischen den grauen Klippen steht, sich im Frühwind vor Frost geschüttelt, in der Mittagsglut vor Hitze geseufzt und sich nicht gerührt und geregt und immer nur auf die Sohle des Erdfalles nach dem schwarzen Flecke an der Wand der grauen Gipswand gestarrt. Und einmal, als ihm der Schlaf Sand in die Augen warf, und er fester in den Riemen hineinsank, mit dem er sich an den Stamm geschnürt hatte, da hatte er geträumt, die Wildkatze stände unter ihn? und war wach geworden. Und als er sich die Augen rieb, da stand sie auf dem Blutstein« und verschwand, ehe er den Dreilauf von dem Astzacken nehmen, scharf machen und anbacken konnte, wie ein Schemen, wie ein Traumgesicht. Wie er dann, müde und verärgert, jeden Fleck um die Fichten- dickung abspürte, da fand er die starke Katzenspur, und jeden Raum zwischen den Jungfichten absuchend, stieß er auf das Not- rohr und überlegte nicht lange und verwitterte es nach Jägerart in gröblicher Weise, um den Kater zu zwingen, dort aufzutauchen, wo er ihm sichtig kommen mußte. Uno jeden Tag verwitterte er das Notrvhr von neuem, und alle dicken schwarzen Käfer und alle fetten blauen Fliegen wußten das bald und brummten und summten nach der Dickung hin, und nun auch an diesem Spät- nachmittag war dort ein großes Gebrummse und Gesummse. Der aste Kater will dort den Abend erwarten. Langsam schiebt er sich in dem Notrohr entlang. Schon von weitem vernimmt er das Summen und Brummen, und die üble Witterung fällt ihm ziemlich auf die Nerven. Er reckt sich, schiebt sich vor und starrt nach der Lichtung. Dann fährt er� zurück und schleicht über die Felszacken, springt über die Spalten und bleibt lange nachdenklich auf seinem Schlafplatze fitzen. Endlich schiebt er sich voran, Zoll um Zoll, bis er sich der Mündung des HauptrohreS nähert. Da verhofft er lange Zeit, windet und äugt, bis Mausepfiff und Jungvogelaepiepe seinem Magen heftiger zusetzt. Da steckt er den dicken Kopf auS dem schwarzen Loche und äugt an den Gipswänden entlang. Kein Blatt rührt sich, es regt sich kein Halm. Fern pfeifen die jungen Käuze, im Stangenorte ruft eine Kitz nach der Ricke, Mäuse schrillen, die Fledermaus zwitschert, Rotkehlchen singt sein letztes Lied. Lautlos schleicht der Kater an der Schattenseite des Fels- kessels entlang, unhörbar schnürt er an der Wand empor, unter dem Holunderbusch verharrt er lange regungslos, den Kopf hin und her wendend, jedes Abendfalters Schwinaenschlag, jedes Käfers Gekrabbel vernehmend. Und nun steht cr auf dem Mordsteine, setzt sich und äugt ringsumher. Ein ganz leises Kratzen in der asten Buche reißt seinen Kops herum. Aber oben aus den Kronen der Bäume kam noch nie ein falscher Laut, eine gefährliche Witterung. Lange starren seine grünen Seher in den breiten Wipfel. Es lebt und webt da etwas. Viesteicht der Siebenschläfer, oder eine Taube» die sich im Schlafe rührt, ein Häher oder die Eule. Ein roter Blitz zerreißt die Dämmerung, ein Hagekgepraffel zerschmettert den Holunderbusch, ein Donner fällt in die Ruhe des Waldes, Stinknebel tanzt blau um den Silbcrstamm der Buche; die Taube prasselt durch das Laubwerk, der Hase rauscht durch das Gekraut, der Berg wirft den Donner zurück und trägt der Rehe Schrecken heran, In der alten Buche raschelt und knistert eS. Etwas Großes, Graues klettert in ihrem Astiverk, steigt langsam herab, fällt dumpf zu Boden. Ein Lichtchen brennt auf, fährt hinter ein Glas, eine Flamme leuchtet, tanzt nach dem Bliusteine und schwebt um ihn herum, den Stein beleuchtend und ein braunes Mannesgesicht rot färbend. Die Augen des Jägers leuchten auf. Rote Flecken findet er auf dem grauen Steine und ein graues Büschel an einem roten, nassen Fetzen, der zwischen den zerschossenen Flechten hängt. Und weiter nichts, gar nichts. Auch nicht an den Wänden des schwarzen Schlundes, auch nicht auf dem. Schotter der Sohle des Erdfalles, auch nicht in der Mündung des Baues. Er führt einen belaubten Zweig hinein und zieht ihn heraus, jedes Blatt ableuchtend. Nichts! Doch, hier ein winziges Fleckchen Schweiß. Der Jäger wirft sich lang hin, schiebt sich bor den Bau, legt das Ohr vor das Rohr, hält den Atem an und lauscht. Schwach, als wäre es unendlich weit, ertönt ein einziger dünner, kläglicher Laut, einmal nur und dann nicht mehr. Ter Holunderbusch wird keinen Krallenhieb mehr spüren, kein Kitz klagt mehr unter dem Prankengriff, keine Forelle fliegt mehr im Bogen auf den Uferschotter. Der Letzte von der Sippe der freien Katzen weit und breit ist nicht mehr. Volksbücderei. Heutzutage mangelt eZ weder an allerhand belehrender wie unterhaltender Literatur, noch an Möglichkeiten, sich solche auf die billigste Weise zu verschafien. Nach und nach in den Besitz einer Hausbibliotbei zu kommen, ohne deren Beschaffung und ständige Vergrößerung als unerschwingliches Opfer empfinden zu müssen, wird heute manchem möglich gemacht. Natürlich soll nicht verkannt werden, daß, da der Strom der wissenschaftlichen und sogenannten .schönen" Literatur von Jahr zu Jahr inS Uferlose wächst, die AuS- wähl des Wertvollsten immer(räivcrcr fällt. Der iiteraiurunkundige Laie kann sich da ohne Fübrcr nicht mehr zurechtfinden und wird oft daneben greifen. Allerdings fehlt es auch nickt an Berzeich» nisscn der besten Bücher anS der Weltliteratur. Unsere Arbeiter- bildungSausschüsse könnten da im Berein mit fachlichen Kennern wirklich noch ein nützlich Stück Arbeit leisten, obwohl ja die Verlagsinstitute alljährlich nud je nach Bedarf Kataloge der bei ihnen erscheinenden Werke herausgeben und diese an jeden Intel - eflenten gratis verabfolgen. An der Spitze aller Unternehmungen für billige, gediegene Volksliteratur steht noch immer die R e c kam sch« Universalb ibliotbek in Leipzig . Sie hat bis jetzt weit über SOOV Einzel« und Gesamtwerke aus den Literaturschätzcn aller Völler der Erde veröffentlicht. Freilich ist auch manche Spreu darunter, insoweit nämlich, als lebende Autoren in Betracht kommen, die sich um jeden Preis gedruckt sehen wollen.(Die meisten Verlage billiger Literatur huldigen den, Grundsatz, daß Honorarzahlung em übel und überflüssig Ding sei.) Nichts ist aber, ivenn man diese wirtschaftliche Misere außer Acht läßt, verkehrter, alS die AuSgrabungS manie deutscher Literaturschulmeister. Wir sind schon soweit gekommen, daß wir jeden Papier« schnitzel, den ein Dichter beschrieben, jeden Span und Splitter, den er von seinem Werke weggehauen hat, in Buchform serviert bekommen. Von anderen Neuausgaben kann dagegen der- dienstlich geredet werden. Da find z. B. die Gedichte des hoch- begabten, aber zeitlebens, ja selbst über seinen Tod hinan? namentlich von seinen Landsleuten verkannten und geschmähten schweizerischen Lyrikers Heinrich L e u t h o l d und die Ausgabe der AuS- gewählten Dichtungen von Johann Nepomuk Vogl zu nennen. Dieser Oesterreicher genoß den begründeten Ruf eine» Meister» der Ballade. Der Herausgeber Rudolf Kleinecke ist gewiß sorgfältig verfahren; denn er läßt auch Vogl, den tiefsinnigen Lyriker, reichlich zu seinem Rechte kommen. Und mochte Vogl gleich vielen österreichischen Poeten aus der Metternichschen Aera sich gegenüber den Rufen nach Freiheit taub verhalten haben: tt hat doch auch seinPereat omni malo" dem undeutschen Mann� wie der undeutschen Frau, dem feilen Knecht, wie dem falschen. Freunde, dem Schacherbund, wie dem Frömmler gesungen; Pereat dem feilen Knecht Mit dem ewig krummen Rücken, Der mit süßem Angesichts Ein erbarmungswerter Wicht, Nichts versteht, als sich zu bücken j Ihm und jeder Schleichertat:..v Pereat l Pereat dem Schacherhund. Der nach Gold nur Menschen schätzet) Der da häuft nur Gut auf Gut, Dem es gleich, ob Trän', ob Blut Sein erpreßtes Gold benetzet; Pereat dem Frommler gar, Der da kniet mit Gleißnermleneq, Der sich frech erborgt den Schein)* Aber dessen Herz von Stein' Stur dem eigenen Ich mag dtemt»