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vor dem Abwerfen des Panzers in besonderen Magenfäden und| Ruhe des Orientalen schläfert auch uns ein, und, die Augen Halb wurden einftmals in der Heilkunde pulverisiert als absorbierendes geöffnet, überlassen wir uns nur zu gern der süßen Träumerei ( die Magenwände neutralisierendes) Mittel angewendet. So bestand und lauschen den einschmeichelnden Klängen dieser Märchen, die zum Beispiel das seinerzeit berühmte Stahlsche Pulver gegen Sod- von Gefängen so anmutig und wunderbar unterbrochen werden. brennen, Magensäure und dergleichen aus gepulverten Krebssteinen. Die Märchen geben ein Bild des arabischen Lebens aus sechs Gegen die Schar von Krankheiten, die man früher unter dem Ge- Jahrhunderten, und man meint oft, fie feien noch reicher und un­famtnamen Strebs zusammenfaßte, gab man pulverisierte Krebsicheren erschöpflicher, als diese Jahrhunderte zusammen es gewesen sein und gestoßenen Krebspanzer mit Rosenöl strich man auf den Aus- fönnten. Der gerechte Kalif und der seinen Launen blind ges schlag der Kinder. horchende Despot, der getreue Bezier und der falsche, hinterliftige, räntespinnende Hofmann, das Walten des Sultans als oberster Gerichtsherr, seine Entscheidungen und Rechtsprechungen unter den Parteien, die Kämpfe um den Glauben, das Treiben der Bürger auf dem Markt beim Stlavenhandel, beim lärmenden Tausch und feilschen um die Kostbarkeiten und Lebensmittel, das Leben im Harem und den öffentlichen Häusern der Lust, auf den Zügen der Karawanen durch die Wüste, auf den gefährlichsten und abenteuer reichen Fahrten durch das Meer, das Durcheinander von Christen, Juden, Feueranbetern und Gläubigen, das Treiben aller Hand­werker, der Bäcker und Schlächter, Schuster und Schneider, der Fischer und Schiffer, der Lastträger und der Sklaven, alles ist ge­schildert und ausgeführt in immer neuen, immer farbenreichen Bildern mit unvergleichlicher Treue, verblüffender und kühner Na­türlichkeit, bald in flaren, wenigen und scharfen Umrissen, bald breit ausladend und inmitten des lebenstollsten Gewirrs.

Der Flußtrebs ist fast über ganz Europa verbreitet. Die Ge­wässer des östlichen Europa werden aber von dem minderwertigeren sogenannten Teichfrebs bewohnt, während bei uns der Edelkrebs be­heimatet ist. Leider geht der deutsche Krebsbestand den Krebs­gang", denn von dem früheren Krebsreichtum fann feine Rede mehr sein. Raubfischerei und allerlei Krankheiten haben unter den Krnstern unglaublich aufgeräumt. Eine fogenannte Strebspest", der diese Tiere erliegen sollen, gibt es aber nicht; die Sterblichkeit wird viel­mehr durch allerlei Ursachen, namentlich durch Würmer, veruriacht. Die Zahl der Infassen der ostpreußischen Seen hat infolge der Raub­fischerei so abgenommen, daß der Preis der Krebse auf das dreißig­fache und Vierzigfache gestiegen ist. Bemerkenswert ist, daß der Teichkrebs, auch galizischer Krebs genannt, seine Wanderung von Often immer weiter nach Westen ausdehnt und zwar auf Kosten des Edelkrebses, den er verdrängt, wo er überhaupt noch vorkommt. Wir haben, wie schon erwähnt, mit der Invasion des Galiziers feinen guten Tausch gemacht.

,, Taufend und eine Nacht"

von Prof. F. von der Lehen*)

Eben weil aber der Strom dieses Lebens viel breiter, mäch tiger und getragener fließt als im Indischen, gibt es eine ganz Das Rotwerden des Krebfes beim Sieden hat seinen Grund in neue, überraschende Wirkung, wenn auch dieser Strom mitten dem Zerstören der einen Grundfarbe des Chitinpanzers. Die braun- durch die Wunderreiche des Märchens uns führt und wenn Ver­graue Färbung ist entstanden aus der Vermischung eines Bläulich- zauberungen und Verwandlungen, die tollsten Abenteuer, Geister grau mit einem Rot, und zwar liegt die rote Farbichicht zu unterst. und Dämonen in Ländern mit nie gesehenen Ungeheuern mit den Durch das kochende Wasser, auch durch Alkohol wird jene zerstört, Menschen, die uns so sehr gleichen, ihr verwirrendes und belustigen­so daß diese zum Vorschein kommt. Will man sie recht intensiv des Spiel treiben. Das Gelungenste bieten die Araber, wenn sie ganz eigene haben, so genügt es, ein oder zwei Tröpfchen Salziäure dem Wasser beizumischen, wodurch die Kalksubstanz des Panzers zerstört wird Erfindungen erzählen, und diese sind so bezeichnend, daß sie im Wo hat ein Volk von sich und das auflösende Wasser tiefer in die Chitinschicht eindringen kann. Lande blieben und nicht wanderten. selbst eine so liebenswürdige und föstliche Schilderung gegeben wie die Araber in ihrer Geschichte vom schwaßhaften Barbier und seinen sieben Brüdern und von dem immer wieder getöteten und doch nicht toten Budligen! Die anderen Geschichten aus Tausendundeiner Nacht, die uns als Repräsentanten der arabischen Märchenkunst gelten und die sogar in unsere Volksmärchen ein brangen, haben die Araber von anderen Völkern übernommen und dann allerdings mit ihrem Geist und ihrer Kunst durchtränkt, die Geschichten von Aladdin und der Wunderlampe, die von Ali Baba und den vierzig Räubern, die vom Fischer und dem Geist, die vom sprechenden Baum und dem singenden Vogel, die von den neidischen Schwestern und die vom Prinzen Achmat und der Fee Baribanu. Es bleibt die unbergängliche Bedeutung der Araber, daß sie die Märchen, die sie bei sich fanden und die sie von anderen Völkern übernahmen, mit ihrer Gabe der Erzählung zu ganz neuen Ge­bilden umschufen, deren schwelgerischer Reiz und deren verweilende und hingebend weiche, finnenhafte Stunst uns immer von neuem entzüdt. Wir möchten es nicht für einen Zufall halten, daß gerade die Franzosen diese Kunst dem anderen Europa zeigten. Sie hatten das feinste Verständnis für die Grazie und Bärtlichkeit, für die Feinheit und Sinnenfreude, und für die grotesken Ausmalungen gerade dieser Märchen.

Es waren im Lauf der Jahrhunderte viele Erzähler, die sich an Tausendundeiner Nacht versuchten und die Geschichten haben fich immer wieder an andere Kreise gewandt. Wir entdecken unter ihnen die Spuren der alten Dichter zur Zeit Muhammeds, die von den Fehden und Schlachten der Stämme unt von Heldentum und Liebe sangen. Aus der Wüste wanderte die arabische Erzählungs­tunst an den Hof der Omaijaden zu Damaskus . Die berühmte, feierliche und wehmütige Geschichte von der Messingstadt gehört in jene Tage. Bon Damaskus verschob sich der Schwerpunkt des Reiches nach Bagdad an den Hof des Kalifen , diese Zeit findet in Tausendundeiner Nacht ihren Widerhall in den Geschichten, die auf Harun Al- Raschid übertragen wurden und seine nicht sehr be­deutende Persönlichkeit erhöhten und verklärten. Von den anderen Städten des Reiches tommt für unsere Märchensammlung vor allem Kairo mit seinen reichen, ägyptischen Ueberlieferungen in Betracht und für die Scharen, die sich in den Kaffeehäusern von Kairo und anderen Städten unterhalten möchten, sind die Er­zählungen der späteren Fassungen von Tausendundeiner Nacht bestimmt.

Weil von Räubern und Helden, von Herrschern und Fürsten , von Handwerkern und Bürgern, von Kaufleuten und Sklaven in diesen Geschichten erzählt wurde, fonnten sie allen Ständen des großen Reiches gefallen. Jm allgemeinen läßt sich bei ihnen wie bei den Dichtungen des abendländischen Mittelalters der Ueber­gang von der Heldensage zur höfischen Dichtung und von dieser zur bolkstümlichen Dichtung beobachten.

Die Araber waren weniger Märchenerfinder als Märchen­erzähler. Sie waren nicht in der Art schöpferisch wie die Inder, dafür sind sie in seltener Art märchenempfänglich, und ihre Gabe, zu beobachten und zu schildern macht sie zu unvergleichlichen Märchenerzählern, sobald sie die Märchenstoffe befizen. Wenn fie die Schönheit ihrer Frauen schildern und für jeden neuen Reiz einen neuen Vergleich oder einen neuen Ausdruck des Entzückens finden, bis die Schöne in ihrer strahlenden Pracht vor uns steht, so fühlen wir uns selbst wie berauscht, und es funkelt und flimmert und sprüht auch vor unseren Augen. Und wenn uns die arabischen Märchen in die Baläste ihrer Herrscher führen, so entsteht auch bor uns deren ganzer märchenhafter Glanz, wir sehen ihre fchlanten, unzähligen Säulen, die Gewölbe und Nischen, in denen das Licht sich zugleich mildert und vertieft, wir sehen den tau­sendfältig verschlungenen Schmud der Wände und Deden mit feinen tiefgefättigten, wie aus unbekannten Tiefen hervordringen­ben, wunderbar und fanft sich absösenden Farben. An fühlen Abenden wandern wir mit dem Dichter durch die Gärten der Kalifen , die Springbrunnen verplätschern leise und melodisch ihr Waffer, im fanften Schein des Mondes singt die Nachtigall, und der leise Wind führt von den tausend Blumen und Blüten tausend­fachen Duft herüber. Die tiefe, schwelgerische, in sich verklingende

*) Aus dessen soeben erschienenen Buche Das Märchen" ( Sammlung, Wissenschaft und Bildung, Band 96.) In Original leinenband 1,25 M.

Kleines feuilleton.

Literarisches.

66 Prologe für Arbeiterfeste von Ernst Preczang ( Berlin , Buchhandlung Vorwärts 1911). Heinrich Heine , glaube ich, hat irgendwo über die Vereinsmeierei seiner deutschen Landsleute gefpöttelt: Wo drei zusammenkommen, gründen sie einen Verein. Ich weiß sehr wohl: des Dichters Spott galt spießbürgerlicher Strähwinkelei. Hätte ers erleben fönnen, zu sehen, wie das sozia­liftische Proletariat von heute seine Feste feiert, er hätte Freude, daran gefunden. Allerdings wir steden noch immer in mancherlei Schablonen, die ihre fleinbürgerliche Herkunft verraten. Ein be trächtlich Stück weiter find wir aber doch schon geschritten. Und wenn wir allenthalben einem fünstlerisch geleiteten Geiste noch mehr Einfluß gewähren, als es bis jetzt geschah oder möglich war, dann werden unsere Feste noch ganz anders aussehen. Ja, ich glaube, dann werde man auch der Prologe nicht mehr bedürfen, wenigstens nicht in der bisher überlieferten Gestalt. So lang aber die sozialistische Arbeiterschaft ihre bald verteidigende, bald angreifende Stampfstellung behaupten muß, wird sie der einmal erprobten Prologe nicht entbehren können.

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Sammlungen solcher haben wir bereits mehrere gehabt. Man­fred Wittich war es wohl zuerst, der vor 20 Jahren mit einem Büchlein eigener Gelegenheitsgedichte und Prologe für Arbeiter feste" hervortrat. Kurz danach wartete der Dresdener Genosse Ernst Klaar mit einer Sammlung seiner Prologe für Arbeiterfeste auf. Sie führen den Titel:" Worte der Weihe". Endlich hat auch Genosse Adolf Hoffmann ein Büchlein mit zweckdienlichen Bei­trägen verschiedener Autoren herausgegeben.

Nunmehr liegen 66 Brologe von Ernst Preczang vor. Der Unterschied ift flar erkennbar. Was früher erst im Steime lag: Der Ausbau der einzelnen Organisationen, ja die Arbeiter feste selbst bei Preczang stehen beide im vollen Flor.

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