5cn Uassce mit dem braunen Zucker hinaus an das Werk- styitfcnster. Mit der Arbeitslust war es des Morgens, ehe der Meister auf war, nur schtrach bestellt; sie waren schläfrig und sahen einein langen, griesgrämigen Tag entgegen. Der Geselle trieb nicht zur Arbeit an, er mutzte dafür sorgen, datz da etwas für ihn selbst übrig blieb. So satzen sie denn und nusselten, taten hin und wieder ein Mir Hammerichläge zum Schein, während dieser oder jener über dem Tisch weiter- schlief. Sie fuhren auf, wenn die drei Schläge für Pelle an die Wand gepickt wurden. „Was inacht Ihr denn? Mir deucht, es ist so tot hier bei Euch?" konnte der Meister fragen, indem er Pelle mitz- trauisch anstarrte. Aber Pelle hatte sich gemerkt, was jeder einzelne in Händen haben sollte, und nannte es—" Was für einen Tag haben wir heute?— Donnerstag? Verdammt und verflucht, sag' dem Jens, datz er mrgenblicklich Mannas Worschuhe hinlegt und die Stiefel für den Lotsen in Angriff nimmt, sie waren für vorigen Montag versprochen." Der Meister rang trübselig nach Luft:„Ach, ich Hab' eine schlimme Nacht gehabt, Pelle, eine ganz abscheuliche Nacht mit Hitze und Ohrensausen. Das neue Blut ist ja so verteufelt un- bändig, es kocht mir beständig im Kopf wie Sodawasser. Aber gut ist es ja, datz ich es krieg, sonst war ich weitz Gott bald fertig, Du.— Glaubst Du an die Hölle? Der Himmel, daS ist ein reiner Unsinn, was können wir wohl Gutes anderswo erwarten, wenn wir es hier nicht mal ordentlich haben können! Aber, glaubst Du an die Hölle? Mir träumte, yj) hätte den letzten Stummel Lunge ausgespien und komme in die Hölle.„Was zum Satan willst Du hier, Andres?" sagten sie zu mir,„Du hast ja Dein Herz noch ganz," sie wollten mich nicht haben. Aber was nützt das? Mit dem Herzen kann ich ja doch nicht atmen, ich krepiere darum doch. Und was wird dann aus mir? Willst Du mir das sagen? Es gibt ja etwas, das heitzt,. wieder in seine Mutter hineingehen, tvenn man das wenigstens könnte, und dann als neuer Mensch mit zwei guten Beinen wieder zur Welt kommen. Dann solltest Du mich in aller Eile übers Meer verschwinden sehen— wuppdil Ich würde mich hier nicht lange aufhalten und herumwühlen.— Hast Tu Deinen Nabel schon gesehen? Ja, Du grinst. Du Luder, aber es ist mein Ernst! Es würde Dir das meiste geraten, wenn Du den Tag immer damit anfingst. Deinen Nabel zu besehen." l Fortsetzung folgt.j 6m Ftömg in der 6ant. Zum 13. Juni. Seitdem die Monarchen ihre Herrschaft mit den Parlamenten teilen münen, sind sie der Sorgen ledig. Die fniheren Känipfe gegen Gläubiger und um Geldleiher haben aufgehört. Sie haben jcine Finanznote mehr. Was die Herrschaften brauchen, stellt ihnen die VolkSvertreiung liebenswürdig zur Verfügung. Und die Parla- mente zahlen ihren Fürsten anständig und unter generösen Ve- dingungcn, viel nobler als fie selbst. Während in Deutschland die parlamentarischen Diäten ganz geringfügig sind und die paar tausend Marl im Reichstag unter den beschämendsten Formen� aus- gezahlt werden(man denke an die schimpflichen Schlutz- und Schutz- Prämien), fällt es keinem Parlament ein, den Fürstlichkeiten elwa nur Tage- und Anwesenheitsgeldcr zu bewilligen. Neben der grotzen Zivilliste wissen auch sonst die monarchischen Kassenverwaltungen die ihnen onvertrauteir Vermögen gut zu verwalten, und die so gewonnenen Nebeneinnahmen mögen bisweilen die allerhöchsten Löhne übersteigen. Unter diesen Umständen, bei so splendider Bezahlung, ist es heute undenkbar, datz ein deutscher Monarch in Schulden gerät. Und würde einmal in Zukunft dereinst einem Fürsten dergleichen zustotzen, so würde die Regierung sich einfach an die Volksvertretung wenden, und mit Rücksicht aus die ollgemeine Teuerung der Lebensmittel eine Erhöhung der Zivilliste un, die benötigten Millionen verlangen und erreichen. Da klingt es wie ein unpatriotisches Umsturzmärchen aus fronen Vorzeit, datz ein deutsches Volk einmal dem geliebten Fürsten ie Zahlung von ein paar Millionen verweigert Hot und eS den von Gläubigern Bedrängten in den Tod treiben lieh. Und doch ist'S erst LS Jahre her, und die traurige Geschichte mag zum 13. Juni, als dem Grdenftag an Schuld und Schulden, erzählt werden, zum rühm- reichen Zeugnis deflen, wie weit inzwischen der deutsche Monarchis- mus sich befestigt hat. Heut wird man keinen regierenden Fürsten mehr für verrückt erklären, weil er zu viel Geld ausgibt, und kein Monarch wird mehr durch die Drohung um sein Leben gebracht »verden , datz man sein Eigentum unter den Hammer bringen werde. vozn wären denn Parlamente und Steuem, wozu monarchische Ge- flnnung und vaterlandslieve erfunden! WaS ein Fürst braucht, mutz ihm die Nation bewilligen.... » Am 13. Juni 1886, am Abend eines PfingstsonntagS fand Ludwig H., König von Bayern, im Starnberger See den Tod: seinen Irrenarzt Gudden hatte er mit ins Wafler genommen. War's Selbstmord, war'S ein Zufall, hatte ihn gar tückische Absicht in den Tod gelockt? Das Rätsel ist bis heute nicht gelöst, aber ein dunkles Geheimnis waltet über diesem Ende; alle Umstände scheinen gegen einen Selbstmord— au seichter Stelle— zu sprechen. Ludwig IL war seit drei Tagen als unheilbar Geisteskranker in Schloß Berg interniert, seit eben diesen drei Tagen war er gewalt- san, der Regierung entsetzt, die er aber seit 22 Jahren ruhig führen durste, obwohl er nach den ärztlichen Gutachten seit 41 Jahren ver- rückt war, seit seiner Geburt, auf der, wenn nicht ein Wittelsbacher Schicksal, so die mütterliche Verwandtschaft mit Friedrich Wilhelm Hl. von Preutzen lastete. Wenige Tage vor diesem Ende hatte er noch wichtige Gesetze unterschrieben; daS letzte handelte, wie um die schlimmste Angst deS Königs zu verhöhnen, von der Regelung des Subhastattonswcsens. Auch durfte er noch über Tod und Leben entscheiden, und unmittel- bar vor der Verschleppung nach Schloß Berg hatte er auf Schloß Nen-Schwanftcin einen zum Tode verurteillen Verbrecher begnadigt, während er zu gleicher Zeit über seine gehöhten Minister— un- vollstreckte— Todesurteile fällte. Ein paar Jahre zurück und man vergötterte den immer Verrückten als den schönsten und idealsten Herrscher der Erde und feierte ihn als den edelmütigen Spender— der deutschen Einheit und der deutschen Kaiserkrone. Jetzt bezeichnete man seinen geistigen Zustand in amtlich veröffentlichten Sach- vcrständigengntachten als eine Mischung von Verrücktheit, moralischcin Schwachsinn und Narrheit. Die eidlichen Zeugnisse seiner Lakaien und Stallknechte, mit denen der König allein noch vertrauensselig verkehrte, während fie von der Gegenpartei als Spitzel gedungen waren, verbreileten wüste Räubergeschichten, wie's die Majestät in seiner Einsamkeit getrieben. Er hatte sich mit jüngeren Stallknechten in heiter-kindlichen Waldspielen vergnügt, während er von seinen Ministern und den höchsten Beamten nur alS von Pack, Gesindel, Geschmeiß sprach— welch Grad von Verrückt» heit l Er grübelte über einen Flugapparat, der den Alpsee über» fliegen könnte— war je ein Monarch so verrückt? Er beauftragte seinen Friseur, ein neue« Mnisterium zu bilden— unübertrefflich verrückt, zweifellos; aber man hatte es doch all die Jahre als patriotische, weltgeschichtliche Großtat gepriesen, datz der Stall m e i st e r Ludwig IL mit Bismarck die deutsche Kaiserkrone fabriziert hatte I Er beauftragte den Professor v. Löher, den Leiter des Reichs» archivS , ein Königreich zu suchen, in dem man noch absolut herrschen könute und daS gegen Bayern zu vertauschen wäre � ein grandios verrückter Einfall; aber der Professor nahm doch diesen Auftrag an, unternahm die intereffante Forschungsreise, ließ fich dafür bezahlen und galt nicht für verrückt I AlS jetzt, nach der Katastrophe, die Schlöffer, die Ludwig hatte erbauen lassen— unzu» gänglich für fremde Späher— besichtigt wurden, war man sich klar darüber, daß schon diese.wahnsinnige Pracht" ein Beweis seiner Verrücktheit wäre; aber heute bilden diese Schlösser den stärksten Motor bayerischen Fremdenverkehrs und haben längst die für sie vergeudeten Millionen mit Wucherzmsen eingebracht. .Der Herrscher deS königStreuesten Volkes, der ohne Bangen sein teures Haupt in jedes Untertanen Schoß hätte ruhen lassen können, fuhr nie auS, ohne datz alle Wege von Gendarmen bewacht und soweit als möglich vom Publikum gesäubert worden wären"— auch diese königliche Eigenart deutete der Berichterstatter des Kammer» auSschustes als Beweis der Verrücktheit, aber wirkte nicht damals daS Sozialistengesetz. daS man den Fürsten als Schutzmittel gegen eine Horde von Königsmördern empfahl, fanden nicht zu jener Zeit gerade in München VerschwörungSprozeffe statt, und war der Polizei» minister nicht befliffen, die Majestät mit den Erzählungen vom organisierten Umsturz zu ängstigen? ES scheint demnach, als ob man erst in einem gewissen Augenblicke sich bereit findet, königliche Verrücktheit zu erkenne». ••• Man hatte frühzeitig sich gewöhnt. Ludwig IL in die Kaste zu gucken. Schon damals, als er Richard Wagner , aus schwersten Nöten rettend, zu fich nahm. Mau verhinderte— auS finanziellen Gründen— den Bau des Semperschen Festspielhauses auf den Münchcner Jsarhöhen, das als Wallfahrtsort deutscher Kunstfeiertage für da? gesamte Volk geplant war. Freilich waren Umgang und Neigung deS Königs feit jeher der herrschenden Kaste verdächtig. Schon in den sechziger Jahren, als er noch Kabinettsselretär deS Königs war. schöpfte der spätere Ministerpräsident Lutz Argwohn über den geistigen Zustand LudwigS; Lutz hat im Juni 1886 selbst die? Zeugnis frühen Verdachts be» kannt und veröffentlicht, indem er bekundete, datz.Seine Majestät eine große Begeisterung für die deutsche Literatur hatten und selbst während des Vortrags oft Stellen aus Schiller und Goethe deklamierten". In der Tat, Verse de? Wilhelm Tell waren ihm lieber als Darlegungen seines Ministers. Er zog eine Oper WognerS der herrlichsten Parade'vor. Ein bürgerlicher Musiker war ihm mehr wert als Adel, Geistlichkeit und Armee zusammengenommen. Er zog einen Joseph Kainz allen Potentaten, Etzbischöfen, Junkern und Generälen vor; und«in Bauer war ihm lieber als ein Reichsrat.
Ausgabe
28 (13.6.1911) 111
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