fftnnung erfolgt tfl. Wie man durch Versuche leicht festzustellen vermag, handelt es sich bei der Loslösung des Schwanzes um einen rein reflektorischen Vorgang, der sich völlig unabhängig von dem Willen des Tieres abspielt und zu dessen Auslösung eine hinläng- liche Reizung der Schwanzspitzc nötig ist. Das ist insofern ein doppelter Vorteil, da der Mechanismus der Autotomie schneller und zuver- lässiger arbeitet, als wenn er erst durch einen Willensakt hervor- gerufen würde; auf der anderen Seite bewahrt er die Eidechse, ohne mtsreichenden Grund, etwa nur aus Schreck, von ihrer Fähigkeit Gebrauch zu machen. Unter künstlichen Versuchsanordnungen kann die Unabhängigkeit der Selbstverstümmelung vom Willen freilich zum Nachteil werden. Eine Eidechse, der man z. B. vorsichtig eine Schlinge um den Schwanz legt und die man dann mit dem Kopf mach unten aufhängt, vermag sich nicht zu befreien, da dieser Reiz nicht genügt, um das Reflexzentrum zur Tätigkeit anzuregen. So- wie jedoch jetzt die Schwanzspitze schmerzhaft gereizt wird, erfolgt Autotomie. Die Lage des Reflexzentrums befindet sich zwischen den Hinteren Extremitäten, in der sog. Lumbalregion des Rückenmarks. Schneidet man nämlich einer Eidechse den Kopf ab, das radikalste Mittel, um den Einfluß des Willens auszuschalten, so kann das geköpfte Tier itrotzdem unmittelbar nach der Köpfung bei entsprechender Reizung den Schwanz abwerfen. Ja sogar in der Mitte ihres Leibes durch- itrennte Tiere vermögen noch zu autotomieren, wird dagegen der Schnitt hinter den Hinterbeinen geführt, erlischt diese Fähigkeit sofort. Wir sprachen bereits darüber, in welcher Weise die Neubildung deS Schwanzes vor sich geht und hörten auch, daß das Negenerat in mancher Hinsicht defekt erscheint. Hervorgehoben zu werden verdient es noch, daß auch die Beschuppung des neuen Schwanzes einen pri- mitivcren Charakter aufweist und daß vorgebildete Bruchstellen Ifehlen. Trotzdem kommt bisweilen eine Selbstverstümmelung des regenerierten Schwanzes mit nachfolgendem Ersatz vor. Kann es auch nicht geleugnet werden, daß eine verstümmelte Eidechse, bis der Schwanz nachgewachsen ist, in ihrer Beweglichkeit und Schnelligkeit schwer behindert erscheint, schwerer fast als nach Verlust eines Beines, so ist der Nutzen, den eine möglichst leichte und plötzliche Ablösungsfähigkcit des Schwanzes für das Tier bedeutet, unbestreitbar, da die Echsen natürlich am Häufigsien an ihrem langen Schwänze von Verfolgern gepackt werden. Da das abgc- brochene Schwanzende noch mehrere Minuten lang lebhafte Be- wegungen ausführt, wird der tierische Feind sich um so eher mit dieser Beute begnügen und die Eidechse ihrem Schicksal überlassen. Für die Wertung der Autotomie als einer zweckmäßigen An- Passungserscheinung ist es von Bedeutung, daß den Chamäleontiden, denen der Schwanz als wichtiges Greiforgan dient, oder den Va- raniden, die ihn als Verteidigungswaffe gebrauchen, die Fähigkeit zur Selbstamputation abgeht. Aeutzerst schwierig ist die Beantwortung der Frage, ob die Tiere bei ihren Sclbstamputationen Schmerzen leiden? Im allgemeinen dürfte wohl der Satz gelten, daß starke Schmerzempfindlichkeit und Autotomie unversöhnliche Gegensätze sind. Wo eine hohe Sensi- ibilität vorhanden ist, wird demnach die Selbstverstümmelung ent- »vcder überhaupt fehlen, oder doch nur in geringem Maße auftreten. Das mag neben der herabgeminderten Regencrationsfähigkeit ein tveitercr Grund sein, warum wir aus der Reihe der höchsten Tier- klaffen überhaupt keine Fälle echter Autotomie kennen. Wie gering andrerseits die Schmerzempfindung niederer Tiere, ja selbst der Insekten sein muß, kann sich jeder überzeugen, der einer Honig »laschenden Wespe vorsichtig den Hinterleib abschneidet. Unbeirrt, als wäre nichts geschehen, wird das Tier weiter fressen. Eine sehr weite Verbreitung hat die Selbstverstümmelung unter ven Gliederfüßern(Arthropoden) gefunden, und unter diesen sind es wieder die Krebstiere(Crustaccen), bei denen die Fähigkeit zur Autotomie in erstaunlichem Grade entwickelt ist. Hauptsächlich werden die Beine und Scheren leichten Herzens geopfert. Eine aus- gezeichnete Beschreibung dieses Vorganges, sowie des Muskel- apparates, der dabei eine Rolle spielt, wurde bereits 1826 von Mac Eullock gegeben. Im einzelnen spielt sich der Vorgang etwa fol- gendermaßen ab: Wird eine Krabbe dies sind die Meister in der Kunst der Verstümmelung heftig an der Spitze eines Beines ge- packt oder eine der Extremitäten durch Stich, Schnitt oder Biß der- ssetzt, dann entäußert sich das Tier des bedrohten Gliedes, indem es dasselbe einfach abknickt. Wie der Eidechsenschwanz besitzt auch das Krabbenbein eine vorgebildete Amputationsstelle; der Bruch erfolgt nämlich regelmäßig in der Mitte des kurzen, vom Körper aus gerechnet zweiten Beingliedes an einer verdünnten Stelle, ge- »ade zwischen den Ansatzpunkten der Muskeln, welche von der zarten Maht einerseits nach der Körperwand, andererseits nach der Spitze des Beines hin ziehen. Bei Verletzung oder schmerzhafter Be- rührung des Beines zieht sich krampfartig dessen Muskulatur zu- lsammen, das zweite Glied wird dadurch heftig gegen einen Vor- jsprung des ersten gepreßt. Diesem plötzlichen scharfen Zuge vermag die Naht nicht Stand zu halten und reißt entzwei. Da die Aus- tfuhrung dieser Amputation eine erhebliche Muskelleistung er- Fordert, sind nur gesunde ungeschwächte Tiere dazu fähig. Dann ist auch eine genügend starke Intensität des Reizes notwendig, um den Amputationsreflex auszulösen. Häufig kann man an der Küste beobachten, wie eine Krahbe von einer Möwe oder einem anderen Wasservogel an einem Bein ergriffen und fortgeschleppt Kerantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin. Druck u. Verlag: wird, ohne sich befreien zu können. Der Vogel packt das Bein zu sanft an, um den Ablösungsmechanismus in Tätigkeit zu setzen. Bei anderen Feinden, die schärfer zufassen, gelingt es den Tieren jedoch oft, unter Aufopferung des betreffenden Beines zu entfliehen. Besonders eklatant wird der Vorteil, den die Selbstverstümme- lung für die Tiere bedeutet, bei Verletzungen der Extremitäten. die ohne Amputation zur Verblutung führen würden; autotomiert die Krabbe jedoch rechtzeitig das verwundete Bein oder die Schere, gist jede Gefahr beseitigt, da feine Sepien an der präformierten ruchstelle einen starken Blutverlust verhüten. Es ist auch bekannt, daß verstümmelte Beine nur sehr schwer regenerieren, während die amputierten Gliedmaßen regelmäßig durch Neubildungen ersetzt werden. Freilich gelangen die Tiere auch nach einer Selbstamputa« tion nicht sofort zum Gebrauch des neugebildeten Gliedes, denn ein- mal nehmen die Wundheilung und die Vorbereitungen zum Regene- rationsprozesse längere Zeit in Anspruch, dann aber ist auch da? junge Beinchen anfangs viel zu schwach, um wirklich verwendet zu werden. kleines feuilleton. Naturwissenschaftliches. Aus der biologischen Literatur. In den Mooren deS Grunewaldes und überall an ähnlichen Stellen unserer Heimat haben sich jetzt auf nassem Torfboden und über den Rasen der Moose die Rosetten des Sonnentaues ausgebreitet, die rötlich schimmern von den purpurnen Drüsenhaaren, mit denen die Blätter dieser lebenden Fliegenfänger besetzt sind. Das ist die geeignete Zeit, um auf ein Büchlein hinzuweisen, das Prof. Dr. A. W a g n e r von der JnnSbrucker Universität überDie fleisch - fressenden Pflanzen"' geschrieben hat(Verlag von B. G. Teubner, Leipzig ; Preis 1, geb. 1,25 M.) Der Sonnentau ist in populären Schriften und in Artikeln der UnterhaltungS» beilagen schon unzählige Male beschrieben und abgebildet worden. Außer ihm gibt es aber noch eine größere Anzahl anderer Insekten- fänger, und eS ist das Verdienst des vorliegenden Bändchens, alle diese sonderbaren Gestalten in wissenschaftlich zuverlässiger, zu- gleich aber allgemein verständlicher Weise zu schildern. Da ein großer Teil der pflanzlichen Fleischfresser Ausländer sind, so ist der Reichtum an guten Abbildungen(82), die sie uns in anschaulicher Weise näher bringen, besonder? hervorzuheben. Wagner beschränkt sich jedoch nicht auf die Beschreibung der einzelnen Borrichtungen zum Tierfange, sondern gibt durchweg auch ihre Biologie. Dabei geht es ohne polemisierende Aus- und Einblicke nicht ab, die aber gerade bei diesen rätselvollen Pflanzen am wenigsten zu vermeiden' waren und den Wert der Arbeit nur fördern. Ganz unvergleich- lich viel größer ist der Kreis jener Gewächse, die ebenfalls auf Insekten angewiesen sind, aber nicht, um sie zu vernichten, sondern um gegen Nektar und andere Vorteile Liebesdienste bei ihnen ein« zutauschen. In dem BucheBlumen und Insekten' hat Prof. Dr. O. v. Kirchner(Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, Preis 6,60, geb. 7,50 M.), das überaus umfangreiche Kapitel der Natur von der Anpassung zwischen Insekten und Blumen und von ihrer gegenseitigen Abhängigkeit in einem starken, gut ausgestatteten und reich illustrierten Bande behandelt. Die intimen Reize dieser Beziehungen haben selbst Dichter schon gefesselt und Maeterlinck schrieb darüber sein Buch von derIntelligenz der Blumen". Aber auch Fachwerke streng wissenschaftlicher Prägung haben sich längst deS Stoffes beinächligt. Kirchner wollte einen Mittelweg einschlagen und sich mit seinem Buche nicht nur an Fach- leute, sondern auch an zahlreiche Naturfreunde wenden. Der Stoff ist viel zu groß, als daß hier Einzelnes berichtet werden könnte. Wer ein lebhaftes Interesse für das Thema besitzt, Zeit und Lust hat, auch selbst das Treiben zwischen Insekten und Blumen zu be- obachten(z. B. in Laubenkolonien) und den Preis erschwingen kann, dem kann das Buch angelegentlich empfohlen werden. DieEx- perimentelle Biologie" von Dr. C. T h e s i n g(Aus Natur und Geisteswelt", Verlag B. G. Teubner, Leipzig . Preis 1,00, geb. 1,25 M.) entstand in dem vorliegenden zweiten Bändchen ijedes bildet ein abgeschlossenes Ganzes) aus Vorträgen des Vcr- faffers in der Berliner Urania. Es ist das eigenartige Teilgebiet der Regeneration und Transplantation bei Tieren und Pflanzen, da« gerade gegenwärtig in der stärksten Fortbildung begriffen ist. Eine Anzahl von Forschern haben es zur Meisterschaft darin gebracht, Tiere zu teilen und aus den Teilen sich wieder er- gänzen zu lassen, verschiedene Arten miteinander verwachsen zu lassen, künstlichsiamesische Zwillinge" zu erzeugen und dergleichen. Auf den oberflächlichen Blick könnte das Ganze als Spielerei, wenn nicht als Schlimmeres erscheinen. In Wirklichkeit ist die experimentelle Biologie berufen, sehr schwierige wissenschaftliche Fragen durch das Experiment zu lösen. Daß ihr das gelungen ist und manche Losung auch sllr das Menschengeschlecht von großer Bedeutung ist, mag man in dem Bändchen nachlesen, das fast auf jeder Seite durch Ab» bildungen unterstützt wird. L. L. vorwärtLBuchdruckerei u.VerlagSanstalt Paul SingerchCo.,Berlin SW.