OSkar Frenze! sich stets zu bewahren gewicht. Sem Teich(3Sg) schläft in der Melancholie«ineS verlorenen Winkels; manwittert das schweigsame Dorf jenseits des braunen, vom Pflugdurchwühlten Hügels. Der Geruch der Erde durchdringt die Luft,und trotz ihres kleinen Formates stapfen und kauen die Ochsen inüberzeugender Animalilät.Technisch recht amüsant stnd die Bilder von HermannG r o e b e r(945— 46). Er gestaltet eine Schar sitzender Jäger wieein Gobelin aus farbigen, fich lose aneinander legenden Inseln. Erlägt auch den Eindruck des Abgegriffenen, des eben nur so Hin-gewischten sich bemerkbar machen. Die Sache ist nicht aufregend;niemand wird an CSzanne denken, wohl aber von ohngefähr an dieMünchener Illustratoren. Wer dagegen Berlin sehen möchte, dasauf Objektivität gestellte, der Banalität nicht minder als der Bru-talität ein wenig versippte, aber letzten Sinnes doch tüchtige undlebcnsstarke Berlin, der trete vor das Bildnis, das Hugo Vogel(346) von der Frau eines Großindustriellen gemacht hat. Es istvielleicht das einzige Bildnis der ganzen Ausstellung, in dem etwasvom Rhythmus der Zeit pulst und etwas von dem Kampf zu sehenist, der ausgekämpft wird, wenn zwei Persönlichkeiten aneinandergeraten; wie das die Basis für jede starke Porrrätmalcrei sein muß.Die große Leinewand zeigt einen männlichen Duktus. Man fühltdie Pinselschrift, die stark aufsetzt; man weiß, was sie will.Man fühlt die bewußte Organiiation, die der Fläche die Jäuf-teilung bestimmte und den Körper der Dame zur wichtigsten Senk-rechten machte. Gewiß, das System des Bildes ist akademisch;aber es ist immerhin fleischgewordene Akademie. Der kräftigmodellierte Kopf, der ausgespannte Brustkorb, die Farbigkeit undStofflichkeit des blauen Kleides, der Perlenschnur und des grünenPolsters im hohen Lehnsessel, da? alles ist Materie, ist reell greif-bare Wirklichkeit. Und es will nichts anderes sein. Vogel müht sichnicht um Probleme, die ihm verschlossen bleiben müssen; er maltwie er es eben kann, weniger als ein Künstler, mehr als Handwerkerund Athlet.Zu Gästen soll man höflich sein; wichtiger aber als Höflichkeitist die Wahrheit. Darum muß eS gesagt werden, daß auch dieSchweizer, die wir in einer Kollektivausstellung zu sehen bekommen,nur Trabanten find. Sie kreisen um Hobler und Amiet, um diemonumentale Linie, den rhythmischen Ausdruck und die schroff gegen-einandergesetzten, die Harmonie des Freskos erstrebenden Farben.Sie stnd also keine Eigenen im höchsten Sinne; sie find aber weitkonzentriertere Energien als der Fritz Burg er, den man ziem-lich unmotiviert unter die Aelpler hing. Dieser Deutsche, der eineliebenswürdige Manie hat, aus Bildnissen geschmackvolle Stillebenzu arrangieren, ist viel zu weich und süßlich, als daß er durch dieinnere Härte, das Knorrige und Drängende der Schweizer nichtbedräut würde. Man braucht nur das kleine Bild von EdouardBallet(2481) daneben zu halten, um zu spüren, welchanderes Blut in solch einem Jünger der Hodlergemeiudepocht. Es ist ein Bild aus der Veilchenzeit. Burgerhätte daraus eine lyrische Limonade gemischt. Ballet siebt nur dasHerbe, das Asketische des Frühlings, da die Erde von aufsteigendenKräften zersprengt wird, da totes Geäst wieder zur Bewegung er-wacht und eine rhythmische Welle schöpferischer Energie durch denRaum streicht. Noch stärker im Schatten Hadders wuchs das Bild,das Hans Adler(2476) voir einem Jäger gematt hat. DieEinwirkung des„Tell" ist ganz unzweifelhaft; das ist der gleiche,mit der Vorderficht uns zugewandte Körper, das find die gleichengeradeaus sehenden Augen, durch die der Dargestellte den Beschauerzu zwingen scheint, durch die er sich auS dem Bilderrahmen herausin den Raum projiziert. Rur, daß eben Adler nicht den Mut undnicht die Größe besitzt, auf alles Beiwerk, auf das Naturalistischeund daS Episodische grundsätzlich zu verzichten. Eine in diesemSinne charakteristische Arbeit ist auch B u r i s Bild zweier Mädchen(2484). Die beiden Sitzenden, die eine in einer grauen Bluse gegeneine graue Wand, die andere mit rotem Haar in blauer Jacke, dazudie gelbe Formel des Tisches— in solcher hart kontrastierten Dispo-fition steckt ein großes Wollen; nur das Fenster mit den Gardinenund den Blumen, mit dem Blick auf das Schneegebirge stört daSIdyll. Im Skelett intereffant ist die Bergpredigt von Ernst L i n ck(2461). Wir sehen das Schema des Parallelismus. Genau im Zentrum der Leinwand kniet der Prophet; nach links und rechts in präzisesterBalance wurden Gruppen von Sitzenden, Knieenden und Stehendenausgezählt. Solch Verfahren ist fürs erste wohl leblos; dochahnt man bereits, daß sich alles Pathos des Leben? in das archi-teftonische Gefäß wird eintragen lasten, jedenfalls sich eintragenließe, wenn diese Künstler nicht Trabanten wären.Solche Möglichkeit einer Steigerung zur Monumentalität kommteiner anderen, hier zu besprechenden Gruppe schwerlich in den Sinn.Sie will nichts anderes sein als ein harmloser Schwärm liebens-würdiger Amateure. Keiner von ihnen dürfte die Forderung an fichstellen, das Format und das innere Maß eines Bildes auszufüllen.Die Leutchen, zur Hälfte sind eS Damen, machen jene Art modernerGraphik(Farbenholzschnitte oder Lithographien), die bewußt undspezifisch kunstgewerblich ist. Ein farbige« Thema, ein Gesteck auSGrün und Rot, auS Mildigkeit und Pikanterie soll geschmackvollparaphrasiert werden. Mit flüchtigen Erinnerungen an Cözanne unddeutlicheren an Japan soll unter der Aussicht OrlikS oder irgendeines der halbasiatischen Wiener ein ornamentales Spiel vor sichgehen. So nimmt denn Charlotte Rollius(495) einigeBlumen, grüne Aepfel und gelbe Zitronen und dazu eine weißeSchale, das gibt, fein abgestimmt, ein kapriziöses Melodiechen.Martha Kunz(503 und 510) treibt ähnliche, aparte Scherze, nurnutzt sie dazu Störche oder Flamingos. Man denkt an Hokusai.den Japaner, der den Fuhr in hundert Ansichten, immer wieder neuglossierte. Aehnlich steht es um Walter Buhe, einen der erfolg»reichsten Orlikschüler. Sein bohnnsches Mädchen(506) mit gelbemKopfluch und grünem Rock zeigt deutlich die Tendenz zum Buch-schmuck und zum Plakat. Noch wesentlich typographischer wirken diePflastersteine, die Buhe Stück für Stück dem Marktplatz eines barockenStädtchens einzeichnet. Diese Fedcrzüge in ihrer burlesken Eckigkeitund dazu die konturierten Farbflächen der Mauern und Dächer, daSgibt zusammen eine possierliche und doch kultivierte, eine antiquierteund doch moderne Stimmung. Die dadurch um so annehmbarerwird, als sie nicht den Respekt des Bildes verlangt, sich vielmehrmit der Flüchtigkeit einer kunstgewerblichen Graphik begnügt.Und jetzt, nachdem den Lebenden Genüge geschah, sei einesToten gedacht und damit zugleich eines Künstlers, der wirklich undwahrhaftig, trotz aller Empfäuglichkeit und Vorsicht der Gegenwartbeinahe übersehen worden ist. Bis heute haben nur wenige denRadierer Heinrich Eickmann gekannt; von nun an wird manseiner nicht mehr vergesten können. Die in den Saal 7b ein-getragene Gedächtnisausstellung gehört zu dem wenigen, was einenBesuch der.Großen" lohnend macht. Eickmann ging in den Spurenvon Millet, er ist der deutsche Lacrmans, unendlich sympathischer alsBoehle, kein heimatelnder Propagandist, vielmehr ein schweigsamer.mit Liebe sich hingebender, in sich selber träumender Mensch. Technischist an diesen Radierungen nicht viel Neues festzustellen; zuweilen denktman, was das Handwerkliche betrifft, an Rembrandt. Man denktan diesen Heros des Hell und Dunkel aber auch, was die Gestaltungs»kraft und die Lichtdramatik der Eickmannschen Blätter angeht. Unddas ist gewiß ein gutes Zeichen. Man vergißt so leicht nicht einBlatt wie die Geburt im Stalle, da die Laterne mühsam gegen dieFinsternis kämpft, und nur flüchtig, flackernd, wie abgerissene Sätze.Gesichter ausschauern. Und man vergißt nicht so leicht die Bauern-familie, die im freien Sonnenschein um einen Tisch herumsitzt, aufdem ein Kindlein tanzt zu den Klängen der Dorffiedel. Es waltetein diesem Eickmann die Ehrfurcht vor dem Objekt und jene produk-tive Stille des Gottsried Keller oder des Wilhelm Siaabe. Gewiß,auch Eickmann war kein Genie, war kein Eigenster im höchstenSinne; er war aber doch unendlich mehr als ein Trabant. Er warein Künstler._Kleines feuilleton»Literarisches.Ernst Kreokltski:.Ans der Barrikade", Gedichte.(Eberhard Frowein. Berlin. Preis 1 M.)— Kreowski hat seinneues Gedichtbuch mit einer längeren Vorrede versehen, in der ersich ausführlicher über Tcndeiizpoesien ausläßt, denen er auch seineLieder zugerechnet wissen möchte. Er leugnet jede absichtslose undzweckreine Kunst schon aus dem Grunde ab, weil jede Epoche undjedes Milieu, dem ein Künstler angehört, schon ganz unbelvußt einegewisse Tendenz mit sich bringen. Diese Tendenz, die an und fürsich ganz unscheinbar und unauffällig sein kann, steigert sich sofortin dem Augenblick, wo die in dem betreffenden Kunstwerk geoffen-barte Ausfassung„mit der traditionellen Anschauung bevorrechteterKlassen" in Widerspruch gerät.Bei Kreowski ist diese Betonung der Tendenz— schon der Titelseines Buches weist darauf hin— eine gewollte und beabsichtigte,zuinal er sich dessen bewußt ist, daß ein einziges Ge-dicht oft mehr Zündstoff unter die Masten zu werfen der-mag, als eS meist gelehrte Abhandlungeil oder wohl-gesetzte Reden imstande sind. Freilich ist diese an und für sich lobens-werte Absicht deni Dichler nicht einwaudSfrei gelungen. Er hättesicherlich eine einheitlichere und packendere Wirkung erzielt, wenn erden Inhalt seines BucheS mehr gesiebt und gesichtet hätte. Erkommt diesmal mit einer Reihe älterer, bisher noch nicht veröffent-lichter Gedichte, die er z. T. wohl nur deshalb der Sammlung an-gliederte, weil er„Rechenschaft von sich geben" wollte. Doch desPackenden, Begeisternden und dichterisch Wertvollen bietet das neueBüchlein trotz des unnötig mitgetragenen Ballastes noch genug. Dasind Lieder, die von hartem Lebenskampf und gläubigem Zukunfts-hoffen erzählen. Ein prächtiges Balladenbild gibt das wuchtigeGedicht„Russischer Verbaniiienzug". Auch das Volksliedartige(„Strophen fürs Volk") fehlt nicht;>vie jubelndes Erlösungs-hoffen braust es in dem kraftvollen Sang„Dem Lenz entgegen".An satirischen und ironisierenden Strophen ist gleichfalls lein Mangel,die mit spitzen Pfeilen den talmigoldenen Harnisch der herrschendenGesellschaftSmoral zu durchlöchern suchen.- Dazu kommen noch einpaar Prosastücke, von denen das burschikos und flolt hingeworfeneMaiienilleton„Der rote Herrgott" proletarische Leser am meisteninteressieren dürfte. Der dröhnende Rhythmus des zorndurchsprühten„Vnlkanen-Tanz" gibt dem Büchlein einen wuchtigen und wirkungS-vollen Abschluß.Kreowski hat sein August Bebel gewidmetes Gedichtbuch mit einemUmschlag versehen, auf dessen Titelseite Honorä Daumiers Bild„DieFamilie aus der Barrikade" prangt. Die Wahl wahr gm: Titel undUmschlagsbild klingen trefflich zusammen, ergänzen einander. Imübrigen läßt die Ausstattung manches zu wünschen; besonders derSchriftsatz hätte sorgfältiger und geschmackvoller behandelt werde«können.—tu