solches Leven führen, an der Tragödie des AMagS als»ruhmlose Helden" entweder verbluten oder— Normalbürger werdem Auch Peter Michel unterliegt dem typischen Geschick. Der gänzlich naive Sprößling einer ländlichen Lehrerfamilie treibt auf tausend Masten ins Leben, beginnt als hochfliegender Idealist und phantastischer Glücks- jäger und endet als„nützliches Glied" der menschlichen Gesellschaft, als Familienfimpel, der mit Vollbart, Tabackspfeife und Brillengläsern, als seine Jugend in Gestalt der einstigen Geliebten vor sein„Glück im Winkel" tritt, in schulfestlichem Ton den Geist des freien Menschen- tums aus dem Hause weist, in dem Minchen sein Weib am Koch- topf waltet und schaltet. Mit einem Lob Peter Michels auf die Selbstbeschränkung, auf die korrekte Hausbackenheit schließt das Buch. Die Familie ist das Endziel. Der Vorzug der Huchschen Lebens- Tragikomödie liegt nicht im Humor, den man nach dem oben ge- rügten Untertitel erwarten sollte, er liegt in der großen Tendenz- lofigkeit, das heißt, in einer absoluten Objektivität. Hier streift der Autor stellenweise Ludwig Thoma , wenn er trocken, schmucklos die »Tragik des Untragischen" in ihren Lächerlichkeiten wiedergibt. Wie Peter Michel wandeln Viele die Stationen ihres Lebensweges ab, grotesk geschoben und vom ganz Gewöhnlichen zuletzt verschlungen, obwohl das Ungewöhnliche in ihrer Seele rumorte. Dumpfe Märtyrer unserer Kultur sind wir alle mehr oder weniger, doch Peter Michels brauchen wir deshalb nicht zu werden. Die letzte Ueberzeugung fehlt dem Buche vor allem deshalb, weil die Psycho- logie gewaltsam der Absicht dienstbar gemacht ist. Karin Michaelis : Elsie Lindtner, Roman. (Eon- cordia, Deutsche Verlagsanstalt , Berlin .) Die durch einen geschickt gewählten Titel und ein SpekulasionS- thema im Eiltempo berühmt gewordene Karin Michaelis hat rasch auf„Das gefährliche Alter" ein neues Buch folgen lassen, das ge- wissermaßen als Fortsetzung des ersten anzusehen ist. In der Regel kann man feststellen, daß Autoren, die vom Erfolg angetrieben, sich felbst wiederkäuten und wiederholten, mit dem zweiten Aufguß kläg- lich abschnitten. Ein typisches Beispiel ist z. B. Gerhart Haupt- manns Roter Hahn, in dem die Mutter Wolfen aus dem Biberpelz in neuer Auflage, jedoch unendlich schwach geraten erscheint. Bei Karin Michaelis dagegen ist die Sache umgekehrt. Wenigstens was den ersten Teil ihres neuen Buches von der Heldin des gefährlichen Alters, Elsie Lindtner, betrifft. Balanzierte im Gefährlichen Alter gewissermaßen alles ans dem Schwebeseil phantastischer Ausgeburt, so verblüfft in Elsie Lindtner gerade die unheimlich echte Psychologie. Mit derselben unerbittlich scharfen Hellfichtigkeit, mit der Ibsen den auS der Bahn getriebenen Charakter einer Hedda Gabler verstand und bloßlegte, zeichnet Karin Michaelis hier die Seele der unbe- friedigten Frau von höherer Anlage, die das Leben und die eigene Natur verwirrte und mit sich selbst und ihrem besseren Selbst in Zwiespalt brachte. Die kühl berechnende Frau, die in lodernden Wallungen, an denen ihr Blut mehr als ihr Herz und Charakter schuld ist, zu keiner Har- monie gelangen kann und auf dem Wege zu sich und innerem Frieden, an den Dornbüschen der Extravaganzen hängen bleibt, der allerlei häßliche Dinge und Lieblosigkeiten Ventil sein müffen für die wühlende Unruhe ihres Körpers, den physiologische Veränderungen auS dem Gleichgewicht gebracht haben, diese schein- bar verschrobene Frau ist nicht mehr die sensationell aufgetriebene Elsie Lindtner des ersten Erfolgsbuches, sie ist die von Tragik um- witterte Gestalt des Lebens. Freilich nur so lange sie nicht<11. Teil des Büches) von der Verfafferin„rehabilitiert" wird. Das heißt. als Karin Michaelis , um der Welt zu zeigen, daß die Heldin des gefährlichen Alters doch„ein besserer Mensch" ist, sie krampfhaft Mutterliebe für«in jugendliches mauvais sujet empfinden läßt und sie mit zunehmendem Alter auch mit zunehmender Sentimentalität umkleidet, wird die Geschichte romanhaft und entfernt sich von der Wahrheit des Lebens. Katarina Botsky : Der Trinker, Roman.<Verlog Albert Langen , München .) Wie sich Karin Michaelis in ihre bemitleidenswerte Heldin hineingelebt, hat sich Katarina Botsky mit der Seele ihres Helden, des armen Gewohnheitstrinkers John, vertraut gemacht. Man muß nach dieser beinahe epischen Schilderung der Qualen eines Trunken- boldes, der das Unglück seines Lasters in hellen Stunden grausam empfindet und dann wieder schwach mit der Seele eines naiven Kindes sich den Rauschzuständen hingibt und so in Gemeinschaft mit einem anderen Elenden Idyllen von Schönheit, Glück und Frieden erlebt, das Buch für ein Erlebnisbuch halten. Nicht nur das Milieu, Ostpreußen mit seinem GutSleben und desien wunderliche Typen find prächtig lebendig hingestellt, in diesem echten Rahmen sind auch die Empfindungen echt wiedergegeben. Dabei keineswegs naturalistisch von jener krassen Nüchternheit der Wirklichleits« abschreiber. Katarina Botsky , ohne Zweifel ein bcachtcns- wertes Talent, legt über alles einen dichterischen Schinnner und schreibt zudem auS der Güte eines große», ver- stehenden Herzens heraus. Man könnte sagen, es ist ein Stück Tolstoigeist in ihr. So ist sie, wie sehr sie auch den schwachen John als trauriges Beispiel der Trinlerleidenschaft zeichnet, beinahe eine Freundin diese? armen Trinkers, der mit einfältigem Herzen nicht schlechter ist als die Menschen der praktischen Vernunft seiner Um- gebung und Familie. Die Verfasserin versteht es außerdem, Natur und Gefühle poetisch zu übermitteln, wie sie einen freundlichen Humor frisch ins Treffen zu führen weiß. Max Halbe : Die Tat des Dietrich StobäuS. (Verlag Albert Langen , München .) Man hat Max Halbe nach seinen dramatischen Mißerfolgen ge* raten, sich der erzählenden Literatur zuzuwenden. Seine Novellen: Der Ring des Lebens, wiesen manche Feinheiten und dichterische Leuchtstellen auf. Doch für einen ganzen Roman scheint wiederum seine Kraft nicht auszureichen. Dieser dickleibige Band weiß sich mit weiter nichts zu beschäftigen, als mit der Liebe eines ManneS zu einer schönen Sängerin. Ich sage nicht, daß dies kein Buchthema sei, oder zu wenig für ein Buch. Wir haben eine ganze Reihe „Bücher der Liebe", ich erinnere nur an das aus Sonne, Licht und Wärme gesponnene köstliche Buch Kellermanns„Jngeborg". Allein nicht auf das Was kommt es bekanntlich an, sondern aus das Wie. Hier bei Halbe aber dreht sich alles nur um ein Weib, das in keiner Weise lebendig oder fühlbar wird. Daß der Liebhaber„Du Schöne" sagt, genügt nicht, um ein Bild von diese Dame zu bekommen, die in der Schilderung Halbes sich nicht über die landläufige Type eines leichtfertigen Dutzendgeschöpfes erhebt. Und wie diese Mittelpunktsperfon leblos, uninteressant, reizlos bleibt, bleibt es auch der„Held", vielmehr der Schwächling, der einem KaffeehauSliteraten verzweifelt ähnlich sieht, auch wenn er als gesellschaftlich höherer Mensch von„tieferer Bedeutung" im Buche herumläuft. Wir erfahren von ihm weiter nichts, als daß seine Tage und seine Nächte von der besagten„schönen Karoline" ausgefüllt werden, bis er sie endlich— das ist die Tat des Dietrich Stobäus, auf die der Leser ziemlich 600 Seiten lang warten muß— aus Eifersucht tötet. Oder war's nur ein Zufall, daß sie von der Klippe hinab ins Meer fiel? Das bleibt eine offene Frage im Buch. Die ganze Geschichte scheint sich in der Lust abzuspielen, denn zwischen den zum großen Buch gewordenen kleinen Liebes- schmerzen zweier völlig uninteressanter, man könnte fast sagen leeren Menschen bekommen weder die Umdinge Farbe, noch verspüren wir irgendwie den Hauch der Atmosphäre, die die Geschehnisse umgibt. Kurz, die Weltanschauung fehlt, und das machen hübsche Details nicht wett._ J. Y. Kleines feuilleton. Kunstgewerbe. F a ch k u r s e für Verkäufer. Es ist schon oft beklagt worden, daß viele Verkäufer und Verkäuferinnen ihre Ware durch- aus nicht kennen. Namentlich in den großen Warenhäusern wiffen sie davon meist nichts als den Preis, den sie zu fordern haben. Wozu sollten sie auch mehr wissen? Aber auch in Sondergeschäften ist es oft nicht viel anders. Man gehe z. B. in ein großes kera- misches Geschäft und versuche, aus den Verkäuferinnen etwas anderes herauszuholen als die ihnen geläufigen Anpreisungen, daß das und das ganz modern sei und allgemein gefalle usw. Man ver- suche mit ihnen vom Unterschied zwischen Porzellan, Steingut, Steinzeug usw. zu reden, von Glasur, von Ueber- und Unterglasur- malerei, von vernünftigen und unvernünftigen Dekorationsarten usw.— man wird ntetst auf vollkommene Unwissenheit stoßen. Diese Verkäuferinnen sehen ihre Aufgabe auch nur darin, den Kunden möglichst viel aufzureden, gleichgültig was. Wieviel ab- scheuliches Zeug gerade in der Keramik verfertigt, angeboten und gekauft wird, weiß jeder Kenner der Verhältnisse, jeder Blick in die großen Schaufenster lehrt es. Fragt man nach den Ursachen, so erfährt man von dem Fabrikanten, der Händler wolle es nicht anders, alle Versuche, Besseres zu liefern, scheiterten an der Wei- ?erung des Händlers, und der Händler wiederum sagt, das Publi- um verlange das abscheuliche Zeug. Das aber ist unbedingt falsch. Sehr richtig hat Direktor Schäfer vom Kunstgewerbemuseum zu Bremen auf der Münchener Tagung des Werkbundes ausgeführt, man könne dem Publikum unbedingt klar machen, daß die ver- kaufte Ware das richtige sei: Hat der Verkäufer Liebe für den Gegenstand, den er verkauft, und' hat er für ihn Verständnis, dann wird er gute Arbeit lieber und leichter verlausen als schlechte. Hier sollten also Kunstgewerbeschulen und Kunstgewerbemuseen einsetzen. Es gibt z. B., sagt Schäfer, eine große Menge von Mädchen, die Kunstgewerbeschulen besuchen und später nicht wissen, wo sie bleiben sollen. Sie würden ausgezeichnete Verkäuferinnen werden; es gilt nur, ihnen auf den Kunstgowerbeschulcn auch die nötigen technischen und ästhetischen Kenntnisse zu übermitteln, was wahrscheinlich meist ohnehin geschieht. Ein anderer Weg, den Schäfer empfiehlt, sind Kurse für Ver- käufer. Er berichtet über einen solchen Kursus folgendes: Die Zeit für die Vorträge wurde so bestimmt, wie es diesen Geschäftsleuten am besten lag. Wir setzten sie auf frühmorgens zwischen 8 und 10 Uhr an. Der Kursus wurde besucht von 25 Verkäufern, meist älteren, im Fach erprobten Leuten männlichen und weiblichen Ge- schlechts, und wir unterhielten uns mehr, als daß in doktrinärer Weise doziert wurde, über Gegenstände, die ich versuchsweise für geeignet hielt. Man kann in einem Kursus von acht Stunden nrcht mehr erreichen, als daß man einige allgemeine Gesichtspunkte gibt und ein Kapitel ausführlicher behandelt. Als solches hatte ich die Keramik vorgenommen, und so ging ich von der einfachen �opfcrer aus bis hinüber zur Porzcllanmanufaktnr. Ungefayr die ganzen technischen Möglichkeiten an alten und neuen Stücken stellte ich den Teilnehmern dieses Kursus dar, indem ich alles Kunstgeschicht- liche möglichst vermied und vielmehr auf das handwer.liche Ver» ständnis zu wirken suchte. Hält man solche Kurse regelmagig ab, und zwar nicht bloß für Keramik, sondern auch für Tcxtilkunst, für Arbeiten in Metall. Holz. Leder. Papier . Drucksachen usw�(• mußt«!
Ausgabe
28 (25.7.1911) 141
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten