Innere etneS Bienenstockes geworfen hat. die Anordnung und das Aussehen der Waben richtig vorstellen kann. Man denke sich also. um den bäuerischen Bienenstock zu nehmen, in dem die Biene sich völlig selbst überlassen ist, einen Stroh- oder Weidenkorb. Dieser Korb ist von oben bis unten in fünf, sechs, acht, bisweilen auch zehn genau parallele Wachstafeln geteilt, die wie grotze durchgeschnittene Brote aussehen und sich von der Spitze des Bienenstockes bis auf den Boden herabziehen, indem sie sich der ovalen Form seiner Wände genau anschmiegen. Zwischen je zwei dieser Tafeln ist ein Raum von einer Zellenhöhe ausgespart, in dem die Bienen sich aufhalten und gehen. In dem Augenblicke, wo oben in der Spitze des Bienen- stockes mit dem Bau einer dieser Tafeln begonnen wird, ist die an- gefangene Wachswand, die spater ausgezogen und verdünnt wird. noch sehr stark und trennt die fünfzig oder sechzig Bienen, die auf der Vorderseite arbeiten, vollständig von den ebenso vielen Bienen, die die Rückwand ausmeißeln, so daß sie sich gegenseitig nicht sehen können, vorausgesetzt, daß ihre Augen nicht die Gabe haben, die dunkelsten Körper zu durchdringen. Nichtsdestoweniger gräbt keine Biene der Vorderseike ein Loch oder klebt ein Wachsstück an. das nicht einer Aus- oder Einbuchtung aus der anderen Seite entspräche und umgekehrt. Wie fangen sie das an? Wie kommt es, daß die eine nicht zu tief und die andere nicht zu flach gräbt? Wie kommt es, daß alle Winkel der Rhomben stets so wunderbar zusammen- treffen? Wer sagt ihnen, hier anzufangen und dort aufzuhören? Wir müssen uns wieder einmal mit der Antwort begnügen, die keine Antwort ist:»Das ist ein Geheimnis des Bie�nstocks." Verlassen wir endlich die eintönigen Tafeln und die geome- trische Einöde der Zellen. Hier sind fertige Waben, die bewohnt werden können. Wenn auch nur verschwindend Kleines sich zu der- schwindend Kleinem fügt, ohne scheinbare Aussicht auf Fortschritt, und unser Auge, das so wenig sieht, hinblickt, ohne etwas zu sehen, so bleibt der Wachsbau doch keinen Augenblick stehen, weder bei Tage noch bei Nacht, vielmehr wächst er mit außerordentlicher Ge- schwindigkcit. Mehr als einmal ist die Königin schon durch das Dunkel der wachsbleichen Werkstätten gelaufen, und sobald die ersten Reihen der künftigen Wohnung entstanden sind, ergreift sie von ihnen Besitz, und mit ihr das Gefolge ihrer Leibwache, ihrer Beraterinnen und Mägde, denn man kann nicht sagen, ob sie geführt oder begleitet, verehrt oder überwacht wird. An der Stelle ange- kommen, die sie für geeignet hält oder die ihre Ratgeberinnen ihr bezeichnen, krümmt sie den Rücken, beugt sich zurück und führt das Ende ihres langen, spindelförmigen Hinterleibes in eine der Zellen ein, während all die kleinen aufmerksamen Köpfe mit den großen schwarzen Augen sie begeistert umringen, ihr die Beine stützen, die Flügel streicheln und mit ihren fiebernden Fühlern über sie hin- tasten, wie um sie zu ermutigen, zu drängen und zu beglück- wünschen. Die Stelle, an der sie sitzt, erkennt man leicht; sie bildet in jener gestirnten Kokarde, oder besser in jener ovalen Brosche, die den mächtigen Broschen unserer Großmütter ähnelt, den Mittelstein. Es ist nämlich bemerkenswert, da sich die Gelegenheit, es zu be- merken, hier bietet, daß die Arbeitsbienen ihrer Königin niemals den Rücken zudrehen. Sobald sie sich einer Gruppe naht, stellen sich alle mit den Augen und Fühlern gegen sie und gehen rückwärts vor ihr. Es ist dies ein Zeichen von Ehrfurcht oder vielleicht von Be- sorgnis, die. so grundlos sie hier auch scheinen mag, nichtsdesto- weniger immer rege und ganz allgemein ist. Kommen wir indes auf unsere Königin zurück. Oft geschieht es bei dem leichten Krampf, der das Eierlegen sichtbar begleitet, daß eine ihrer Töchter sie in ihre Arme schließt und Stirn an Stirn, Mund an Mund, mit ihr zu flüstern scheint. te-ie bleibt diesen etwas überschwenglichen Liebesbezeugungen gegenüber jedoch ziemlich gleichgültig; sie regt sich nie auf, ninimt sich stets Zeit und geht ganz in ihrem Berufe auf. der für sie mehr eine Liebeswonne als eine Arbeit zu sein scheint. Endlich, nach Ver- lauf einiger Sekunden, richtet sie sich ruhig wieder auf. macht einen Schritt zur Seite, dreht sich etwas um und steckt den Kopf in die Nebenzelle, um sich, bevor sie den Hinterleib in diese einführt, zu überzeugen, ob alles in Ordnung ist und ob sie dieselbe Zelle nicht zweimal bestiftet, während zwei oder drei Bienen aus ihrem Ge- folge schnell nacheinander in die von ihr verlassene Zelle stürzen, um nachzusehen, ob das Werk vollbracht ist, und das kleine bläulich« Ei, das sie auf den Boden gesetzt hat, mit ihrer Fürsorge zu um- geben. Von nun an rastet sie bis zu den ersten Herbstfrösten nicht mehr im Eierlegen; fie legt, während sie gefüttert wird, und schläft, wenn sie schläft, im Legen. Sie ist fortan die Verkörperung jener alles verschlingenden Macht, die jeden Winkel des Stockes ergreift: der Zukunft. Schritt für Schritt folgt sie den unglücklich-m Arbeitsbienen, die sich im Bauen der Wiegen erschöpfen, welche ihre Frucht- barkeit heischt. Man kann auf diese Weise einem Wettkampfe zweier mächtiger Instinkte folgen, dessen Ausgang auf verschiedene Wunder des Bienenstockes genug Licht wirft, nicht um fie zu erklären, wohl aber, um auf fie hinzuweifen. Es kommt zum Beispiel vor. daß die Arbeitsbienen in ihrer treuen Hausfrauenfürsorge, die sie Vorräte für schlechte Zeiten auf- speichern heißt, einen Vorsprung gewinnen, indein sie die Zellen, die sie der Lmbsucht der Gattung abgerungen haben, in aller Eile mit Honig füllen. Aber die Königin kommt herbei; die materiellen Güter müssen dem Gedanken der Art weichen, und die Arbeitsbienen schaffen den lästigen Schatz voll Verzweiflung hastig beiseite. Es kommt auch vor, daß ihr Vorsprung eine ganze Wabe de« trägt: dann haben sie das Symbol der Tyrannei einer Zukunft, bis keine von ihnen je erblicken wird, nicht mehr vor Augen und bauen, sich dies zunutze machend, so schnell wie möglich eine Reihe von großen, sogenannten Drohncnzellen, die viel leichter und schneller zu errichten find. In dieser undankbaren Zone angelangt, bestiftet die Königin hier und da nicht ohne Widerwillen eine Zelle, über-- schlägt die meisten anderen und fordert, am Ende angelangt, neue Arbeitsbienenzellen. Die Arbeitsbienen gehorchen, verengern die Zellen allmählich und die unersättliche Mutter setzt ihren Rund-, gang fort, bis sie von den Enden des Bienenstockes wieder zu bett ersten Zellen gelangt. Diese sind in der Zwischenzeit von der jetzt auskriechenden ersten Generation geräumt worden, welche sich auS ihrem dunklen Geburtswinkel soeben über die Blumen der Um-» gcgend ergießt, die Sonnenstrahlen bevölkert und die schönsten! Stunden des Jahres belebt, um sich ihrerseits wieder dem nach� folgenden Geschlechte zu opfern, das sie in ihren Wiegen schon ablöst. (Nachdruck verbot«!».? Die Melt der Dünen. Von Albert Xürt Die meisten Menschen unserer Zeit kennen die Dünen nur von der gemütlichen Seite her, wie die Kultur der Menschen im Kampfe mit den Naturmächten sie diesen abgerungen hat. Kinder spielen im Sande der Vordüncn, graben Feswngsbauten. Er- wachsene sonnen sich auf dem weichen, Weißen Sande, der zwar in alle Kleider dringt, aber nicht schmutzt. Man sitzt in Strandhütew oder gräbt sich selbst ein in den weichen Dünensand. Vorsorglich haben die Badeverwaltungen derjenigen Bäder unserer /deutschen Ostfee, an denen weite Dünenstrecken gelagert sind, von den Vordünen zu den Dünen Treppenstufen gelegt un!> von diesen wiederum über die Vordünen oft bis dicht an den Strand Bretter, damit die Badegäste nicht über den Dünensand zu gehen brauchen, denn bei jedem Schritt sinkt man in den weichen S«md mehrere Zoll breit ein. Nicht immer war es so in den Dünen, und nicht überall ist es, wo das Meer jene Sandanhäufungen am Strande, die mir Dünen nennen, durch den Wind in Jahrhunderte langer Tätigkeit ge- bildet hat. O, wenn diese Dünen erzählen könnten, wie sie ent- standen find, es klänge den fröhlichen Gästen in den Seebädern wie ein düsteres Märchen, und sie würden vielleicht nicht so harmlos und gemütlich Hausen am Meeresftrande. Sie würden uns mit ihren Erzählung«» wahrhafte Wüsten-» bilder malen in des Wortes ureigentlichstcr Bedeutung, denn die Bildung der Dünen ist auf gleiche Weise entstanden, ivie die den Wüsten. Die Wüste Sahara und die ägyptische Wüste find nichts anderes als Dünenbildungen in gewaltigstem Maßstabe, an denen die Natur in Jahrtausenden in ungebändigter Weise gearbeitet hat. Würden wir die Dünenstrecken bei einem gewaltigen Herbst- stürm besuchen, so würden wir leicht eine andere Vorstellung von der Welt der Dünen erhalten, als wir sie gewöhnlich empfangen. Hermann Masius , der feinsinnige Naturforscher, schildert unS solchen Dünensturm:„Dröhnend scheint die Erde zu beben, aber mitten durch Sturm und Brandung hört man das rasende Zu- sammenschlagen der Tüneuhalme und das Wirbeln des Sandes, der verfinsternd ten Lustraum erfüllt und hageldicht herabschlägt. Und nicht bloß Sand und Staub, alles was der Wind erraffe»! kann: Kies, Muscheln. Scherben reißt er empor und mit sich fort in mächtigen Wolken, um weithin das Land damit zu überschütten. So wird die Düne flüchtig. Sie ivandert, und wandernd begräbt sie, ohne eigentlich zu vernichten, Felsen und Bäume, Brunnen und Teiche, Felder und Wälder, Dörfer und Städte. Denn derart ist die Beweglichkeit der Düne, daß selbst, wenn die Wogen deren Fuß unterwaschen und wieder ins Meer ziehen, der�Gipfel nichtsdesto- weniger in das Festland vorrückt. Von einer Seite schon zerstört und zerfallend, verschlingt sie no«) auf der anderen Seite, gleich jenen Reptilien, die zerstückt und zerschnitten, dennoch von ihrer Beute nicht lassen."_ Wie diese Dünen, die Sandhügel an der See. entstanden sind, wie das sogenannte Wandern der Dünen vor sich ging, das hat jahrhundertelang den Forschern viel Kopfzerbrechen gemacht, ehe der Vorgang sichergestellt war. Das ist vollkommen eigentlich erst in unserer Zeit geschehen. Dünen gibts in der ganzen Welt; man unterscheidet Binnen- landsdünen, zu denen die Sahara , die ägyptische Wüste, der Banat , aber auch in kleinem Maßstabe Strecken der norddeutschen Tief« ebene gehören. Für uns aber kommen vor allem die Scestrandsdüneit in Be- tracht, die überall an flachen sandigen Küsten der Meere entstanden sind, an der preußischen und russischen Ostsecküste, auf den nor- discken Inseln Lcsel und Dago, an der Nordsee im Westen von Holstein, Schleswig und Jütland , aus Sylt, Föhr, ' Helgoland , Nor- derney, Borkum ; an der Westküste von Frankreich , in der Bretagne , aber auch in Afrika und Australien . Die interestantesten Dünen in Deutschsttnd, weil sie noch eigentliche, ungebändigte Wanderdünen sind, sind die der Kurischen
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28 (26.7.1911) 142
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