Nehrung, We von der See zum Haff tvaudern und bei denen man sehen kann, wie sie Dörfer verschüttet haben. Die Sandhügel dieser Dünen erreichen dort eine Höhe von 60 Metern. In einem im Jahre 186(1 erschienenen BüchleiU:Kosmopolitische Wanderungen �urch Preutzen, Livland   usw." wird der wüstenartige Eindruck dieser Dünenstrecke in der folgenden anschaulichen Weise geschildert: »Noch trauriger als die Frische ist die sogenannte Kurische Neh- rung. Hier ist nichts als eine ewige Sandwüste, wo man meilen- weit reisen kann, ohne einen Menschen, geschweige denn ein Dorf anzutreffen. Nie kommt man aus dem Sande heraus, der hier bis an die Achsen geht. Man stößt auf Hütten, die ehemals bewohnt waren, jetzt aber entweder zum Teil oder auch wohl ganz im Saude verschüttet find. Hier und da findet man Ueberbleibsel zer- trümmerter Schiffe, die das tobende Meer in seiner Wut ausgc- worfen hat. Kurz, alles hat hier eine öde, grausende Gestalt, und was man sieht und hört, erweckt in den Menschen die schaudernde Idee einer rächenden Gottheit." Und dieserächende Gottheit", die sich in der Gewalt der wandernden Dünen offenbart, hat bereits sechs Dörfer der Kurischen Nehrung im Dünensande begraben, von denen nach der Seeseite hin bereits ein Dorf, da? Kirchdorf Kunzen. wieder durch die weitergewanderten Dünen freigelegt ist. Man denke sich einen Landstrich von etwa einem halben bis drei und einem halben Kilometer Breite und einer Länge von etwa hundert Kilometern, der alljährlich etwa fünf und einen halben Kilometer weiterschreitet und der mit der Zeit ganz in das Haff hineingewandert sein wird. Freilich werden wir das nicht mehr erleben. Wohl zweihundert Jahre und viel mehr, vielleicht auch«in halbes Jahrtausend kann darüber vergehen, ehe diese Dünenstrecken mit ihrer Sandflut das ganze Hafi ausgefüllt haben werden und die Nehrung mit dem Memeldelta   durch eine Landstrecke verbunden sein wird. Indessen, wie gesagt, man kann dem Wandern der Dünen Ein- halt tun, und man hat eS getan. In Preußen geschah dies seit dem Ende des 18. Jahrhundert. Damals(17S3) war die Stadt Danzig  in einer nicht geringen Gefahr, durch wandernde Dünen in arger Weise geschädigt zu werden. Auf der Frischen Nehrung hatten sich in einer Länge von sechs Meilen, von Neufähr bis Kollberg  . Dünen gebildet, die auf die Stadt Danzig   vorrückten. Schon hatten sie begonnen, fruchtbare Niederungen und den zur Stadt Danzig   gc- hörigen vier Meilen langen Kiefernwald zu begraben. Da mußte ein Einhalt geschehen durch Befestigung und vor allem durch Be- Pflanzung der Dünen. Was dort unter dem Eindruck einer bereits sehr nahen Gefahr geschah, ist dann im Laufe des vorigen Jahr- Hunderts an weiten Strecken der Ostsee   von den verschiedenen Re- gierungen auf Staatskosten angebahnt worden, so daß außer auf der Kurischen Nehrung eigentlich in Deutschland   Wanderdünen kaum noch vorkommen können. Man hat Buschwerk und Forst- anlagen auf den Dünen angesiedelt, die es verhindern, daß der Wind die Sandkörner weiterjagt. Selbstverständlich war das keine einfache Ansiedelung von Ge- wachsen. Denn wenn man bedenkt, daß die Dünenwanderung stark genug war, Dörfer und Wälder zu begraben, konnten einfache Pflanzenansiedelungen auch diese Gefahr nicht verhüten. Es kam daher bei diesen Anpflanzungen vor allem auch darauf an, ein Boll- werk gegen den Wind zu schaffen, der den Sand aufwirbelte und Dünen anwachsen ließ. Daher mußte bei diesen Zwangsansiede- lüngen und Anforstungen der Dünenstriche vor allem auf die geolo- gische Lage des betreffenden Landstriches Rücksicht genommen werden, und es muhten oftmals, ehe die Anpflanzungen geschehen konnten, Bollwerke entstehen. Die geologische Wissenschaft, Technik und Forstkultur mußten sich im Laufe der Zeit mit den modernsten Errungenschaften dieser Zweige vereinigen, um der zerstörenden Natur Einhalt zu tun und der Gewalt des Sandkorns entgegenzu- treten. Indessen haben wir in Deutschland   es eben zumeist doch nur mit Dünen zu tun, die durch den von der Ostsee   herkommenden Wind geschaffen werden. Lesen wir die Schilderung, welche Bre- montier von den Dünen in der Gascogne entwirft, so ist die Ge- schwindigkeit, mit der der Sturm der atlantischen Küste die Dünen landwärts treibt, viel gewaltiger. An einigen Stellen sollen dort die Dünen zwanzig bis fünfundzwanzig Meter jährlich fortschreiten. und in der Bretagne   haben sie in einem Zeitraum von zweihundert Jahren(nach E. de Beaumont) sogar 27 Kilometer zurückgelegt, das wäre in einem Jahre 13S Meter, eine Angabe, die freilich sehr vorsichtig aufgenommen werden muß. Andererseits aber sind gerade besonders starke Winde der Dünenbildung nicht günstig. Denn man hat sich die Bildung dieser Sandanhöhen derart zu denken, daß der aufwirbelnde Wind den feinen, lockeren Sand mit sich fortträgt, bis er irgendwo an einer kleinen Unebenheit des Bodens festgehalten wird, und wo sich dann die anfangs kleine Anhäufung durch nachwehende Massen weiter erhöht zu Bergen von, wie gesagt, Anhöhen bis zu 66 Metern bei uns in Deutschland  . Run ist es wohl erklärlich, daß erst sanftere Winde die ursprüngliche Anhäufung hervorrufen, die dann durch stärkere Winde erhöht wird. Stetig starke Stürme werden es eher verhindern, daß-sich überhaupt Slnhäufungen sammeln. Es ist daher denn auch erklärlich, daß die Festlanddünen oft weit höher find, als die Stranddünen, zum Beispiel die Dünen der Sahara  , die Höben von über 266 Metern erreichen sollen._ lVemütwT" Redakteur: Richard Barth  , Berlin. Druck u. Verlag: ES kommen also bei der Bildung der Dünen sehr verschieden« artige Momente in Betracht, die oft in ganz lokalen Verhaltnisscr« des betreffenden Landstriches ihren Ursprung haben. Beinahe allen Stranddünen aber ist eine gewisse typische Form gemeinsam. Man unterscheidet dabei in den meisten Fällen die sogenannte Vordüne, die das vom Meer ausgeschiedene Sandmaterial zunächst aufnimmt, eine oft ganz schroff ansteigende Sandfläche. Hinter dieser liegt die hohe Düne, die den Flugsand von der Vordüne aufnimmt und' daher eine allmähliche Steigung zeigt. Endlich folgt die Innen, düne, ein niedrigeres, hinter der hohen Düne liegendes Gchügek» das sich aus den Sandmassen bildet, die vom Winde über den nackten Grat der hohen Düne gejagt werden. Freilich hat ein neuerer Forscher die Behauvtung aufgestellt, daß diese typische Dünenform der Wellenbildung entspricht, die der Wind auf dem Wasser ebenso wie auf dem Dünensande hervorruft. Daß in den von uns besuchten Ostseebädern die Bildung von Wanderdünen nicht zu befürchten ist, kommt von den hinter den Dünen liegenden Waldungen her, die die den Sand forttreibende Kraft des Windes sehr abschwächen. Was, wie erwähnt, vom Staate mit vielen Kosten und unter großen Mühen an anderen Stellen bewerkstelligt werden mußte, hat hier die Natur schon von allein getan. Und die Natur tut sogar niehr: durch den Anflug salziger Bestandteile de» Meeres ist dafür gesorgt, daß sich dieses kräftige Bollwerk gegen die Wanderdünen, die Dünenpflanzen, stark und kräftig entwickeln. So ist die Welt der Dünen gar mannigfaltig und verschieden. Man könnte HM auch noch von künstlichen Dünenbildungen be» richten, die überall da angelegt werden, wo die Strömung den Küsten Abbruch tut, und noch vielerlei anderes von dem Wesen dieses eigenartigen Sandes, das uns lehrt, welche Bedeutung daS Sandkorn im Weltensystem haben kann, und ferner auch, waS eS heißt, wenn in der Bibel eine unermeßliche Fülle und Zahl durch das Bildwie Sand am Meere" ausgedrückt wird. kleines feuilleton» Physiologisches. DerRichtungSsinn der Blinden  . Die Fähigkeit der Blinden  , und zwar nicht nur der Erblindeten, sondern auch der Blindgeborenen, sich ohne Führung in einer mehr oder weniger weiten Umgebung ihrer Behausung zurechtzufinden, ist für den normalen Menschen so schwer verständlich, daß man zu ihrer Erklärung die merkwürdigsten Vermutungen aufgestellt hat. Insbesondere hat man von dem Vor» handensein eines sogenannten Richtungssinns gesprochen, der den Blinden in gewissem Grade das Auge ersetzt. Diese Frag» hat von neuem Dr. Truschel auS Straßburg   vor der Pariser Akademie der Wissenschaften behandelt. Er ging dabei be» sonder? auf die Annahme ein, daß die Blinden   imstande sein sollen, die Nähe von Hindernissen zu fühlen, ehe sie sie auch nur mit einem Körperteil unmittelbar oder durch einen Stock mittelbar berührt haben. Man hat sich sogar zu der Behauptung verstiegen, daß dabei irgendeine unbekannte Strahlenart im Spiel sein müsse, deren Wahrnehmung die Blinden lernen. Dr. Truschel ist gleichialls der Meinung, daß ein Blinder fähig ist, ein auf seinem Wege befindliches Hindernis auf einige Entfernung zu fühlen, aber nicht durch einen rätselhaften sechsten Sinn, sondern lediglich durch Erscheinungen des Schalls. Dr. Truschel meint auch, daß diese Fähigkeit nicht auf Blinde beschränkt sei. sondern bei gesunden Menschen nur durcki Mangel an Aufmerksamkeit weniger hervortrete. AIS   Beweis für feine Auf- fasiung führt er den Umstand an, daß ein Blinder sich nur sehr schwer zurechtzufinden vermag, wenn der Erdboden mit Schnee be» deckt ist oder auch in einem Raum, der mit weichen dämpfenden Teppichen belegt ist. Bei Versuchen, die Dr. Truschel angestellt hat, zeigte sich, daß ein Blinder in einem solchen Raum ein Hindernis, das sehr langsam und leise in seine Näh« ge- bracht wurde, nur dann wahrzunehmen vermochte, wenn laut- lose Stille in der Umgebung herrschte. Wenn der Kopf eines Blinden mit Papier, mit Tüchern oder dergleichen eingewickelt wird, so schadet ihm das nichts, vielmehr bleibt das WahrnchmungS» vermögen ungestört bestehen. Merkwürdig aber ist, daß die Empfindlichkeit unterdrückt wird, wenn man über den Kopf eine große zylinderförmige Röhre stülpt. Wahrscheinlich empfindet der Blinde diese selbst als ein Hindernis, jenseits dessen er nichts mehr wahrnehmen kann, ähnlich einer Mauer, durch die auch ein scharfes Auge nicht zu dringen vermag. Immerhin ist Dr. Truschel weit entfernt davon, das Vorhandensein eines Richtungssinns überhaupt zu bestreiten. Genauere Beobachtungen an Tieren lehren zur Genüge, daß ein solche? besteht und zwar ist sein Sitz wahr» scheinlich in dem sogenannten Labyrinth des innern OhrS   zu suchen. Es ist bekannt genug, daß eine Ohrenoperation einem Vogel, bei- spielsweise einer Taube, die Fähigkeit benimmt, geradeaus zu fliegen. Warum sollte nicht auch das, was man beim Menschen Orient«- rungssinn zu nennen pflegt, tatsächlich eine Begründung in der Organisation der Sinne und nicht lediglich in einer Gehirntätigleit haben?______ LorwärtsBuchSruckerei u.VerlagsanstaltPaul Singer�Co., Berlin   LW.