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fomitees. Dort haben wir unseren Platz. Wir wechseln den ganzen Tag ab. Charles Lane hat für sich und seine Damen einen Balkon über der hohen Steinmauer erbauen Jassen.
Wir erhalten etwas vor fünf Uhr morgens ein Telegramm aus Zürich : Mie ersten Maschinen sind passiert! Nun warten wir: in wenigen Minuten werden sie hier sein. Sie sind bei Tagesgrauen von Basel gestartet. Nun fahren sie hinter den Bergen in rasendem Wettlauf. Aber den Automobilen voran fliegen die Gerüchte: Vier Menschen find unterwegs verunglückt. Henri Rotschild liegt tot in Langres und der Weltrekord ist erreicht mit hundertundzwanzig Rilometern in der Stunde.
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die Nastlosigkeit besiegt ihre Ermattung: in einer Minute müssen sie weiter biele tay send Kilometer weiter. Rasch, Wein her! Wie lang ist es nach Luzern ? Wer ist voran? Nun schnell: Telegramm nach Paris , nach Bel fort ! Und Wein! Wein!
Sie reißen die nassen Lederlappen vom Munde und trinken den hellen Goldwändler aus der Karaffe.
Die Kontrolleure zählen laut die Sekunden. Eine halbe Minute noch! Da kommt der Chauffeur gelaufen mit einem Eimer, den er über die Maschine stürzt; das Wasser trieft, schleimig von Staub, über Radnaben und Rohre, „ Play! Plazz!"
Sie schreien und gestikulieren, stampfen in den dicken Straßenstaub, der aufstöbert, ihnen in die Naje fizzelt und sie niesen zwingt; die Sonne sengt ihre Schultern. Play! Play! Im Nu ist der nächste Motor da. Sie packen die vordere Maschine, zehn der Fabrikarbeiter schleppen sie, feuchend vor Anstrengung, an den Straßenrand hinüber. So! Und nun Start! Stöhnend setzt sich der erste Wagen in Bewegung, scheint sich nach einem Anlauf zum Sprung zu sammeln, hält an und ist plöglich fort wie ein Schuß. Sarah Lane ist ihm seitlings ein Stück gefolgt, die Arme unter dem gestreďten Rücken verknotet. Nun fehrt sie zurück und lehnt das Rinn an meine Schulter. Will", sagte sie, oh Will! So hier zurückbleiben zu müssen! Gleich sind sie auf der Eisenbahnbrücke über der Limmat . Wenn sie nun hinabstürzten!" Sie flammert sich an meinen Arm, ihr Atem geht feuchend. Dann reißt sie sich los, um die nächsten Maschinen kommen zu sehen. Vier, fünf find nun da, und in unendlicher Reihe folgen sie. Siebenhundert Wagen nehmen teil.
Längs der Straße stehen die festtäglich gekleideten Bür ger der Stadt mit ihren Damen. Grünuniformierte Polizei- zu männer halten die Bahn frei. Auf den Dächern der Fabrik, auf Eisenbahnwagen und Materialhaufen stehen unsere Arbeiter, um zuzusehen. Der Betriebschef Daniel Weber tritt zu uns, eilig und atemlos, das Emblem des Pariserklubs auf der Müße und die gelbe Kontrollbinde um den Aermel, und ruft laut in die Menge, man möge mehr Platz schaffen. Es müßten wohl noch ein paar Menschen mehr zerstampft werden, ehe die Leute von der Stelle gingen! Er liest Elliot Clyne und mir Telegramme voraus französischen, aus schweizerischen Stationen. Da kommt Sarah mit schleichenden Schritten aus der Gitterpforte der Villa und hängt sich mit einem Sprung an seinen Arm. Sie lächelt nicht, ihre Brauen sind in einem sonderbar gewundenen Schlüssel geschürzt. Ihre Augen erinnern an Notenpunkte, die von einer Kohlschwarzen Linie durchstrichen sind, das Gesicht ist mager, und unter dem furzen gelben Rohjeidenkleide kommen lange Spaßenbeine zum Vorschein.„ Kommen sie?" murmelte sie zwischen den Zähnen. Sind sie schon in der Nähe?"
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Die Schwester sigt zurückgelehnt in dem Automobil ihres Baters, das beim Fabriktore steht. Dann und wann begegnet ihr Blick Elliot Clynes zornigen Augen, und dann zeigt sie die Zähne, ohne daß ein richtiges Lächeln sich formen will. Sie hält die Finger um ihren Kodak gepreßt: das Objektiv ist auf Blißverschluß eingestellt.
Die Menge wird ungeduldig, erregt, die Spannung hat alle ergriffen. Es gilt den letzten Weltrekord, eine Wettfahrt, die jede modern empfindende Seele errregt verfolgt, ohne um Gründe oder Zweck zu fragen: Paris - Wien , über alle Berge hinweg in zwei Tagen in weniger als zwei Tagen.
Der Morgen ist klar. Im Westen leuchtet der ferne Alpenschnee, und der leichte Wind führt Heuduft in die Straßen herein. Die Wärme kommt in Wogen daher, es ist erst sechs Uhr.
Play! Play!"
Oben bei der Straßenbiegung weht eine gelbe Fahne; sie flammt fräftig in der Sonne. Der Menschenhaufen zieht sich zusammen, alle Gesichter heben sich der Sonne entgegen. Die Buschauer oben bei der Straßenede verdichten sich zu einem Klumpen, zerstreuen sich dann und kommen herabgelaufen. Die gelbe Flagge schlägt wild ihr Signal. Eine große Staubwolfe brodelt hervor, wie Rauch aus einem Geschüßrohr, wächst an. Und der Staub nimmt neue Formen an, festigt fich in Flächen, in breiten Bogen, und aus der grauen Masse gießt sich ein großer schwerer Roloß, eine Wagengruppe mit gwei Bronzemännern am Steuer. Es ist ein niedriger Wagen, der nun mit verminderter Schnelligkeit herankommt, mit einem langen fantigen Steven, der aussieht, wie der Widder eines Kriegsschiffes. Nun ist er da. Halloh! Mit einem Ruck steht er.
Dampf dringt fochend aus den Ventilen, und es siedet und zischt in einer Klappe. Die Maschine steht still, steil und schwer, scheinbar unfähig, je wieder in Gang zu kommen. Und wie über den Stiel eines Schiffes winden sich bandwurm artige Rohre an ihren Seiten hinab; der Straßenkot hängt in Tropfsteinformen von den Schirmen. Der Staub hat alles gepudert; nur, hie und da grinst die rote Ladfarbe hervor. Die Kontrolleure winken. Ingenieur Weber schreit in schlechtem Französisch seine Fragen hinauf. Die Menge wimmelt dicht um die Maschine. Sarah Lane aber ist auf das Trittbrett gestiegen, um den Chauffeur mit der Staubbrille zu fehen. Und nun heben sich die beiden stummen Gestalten von ihren hohen Sigen, wälzen sich vor, winden sich zum Boden hinab, wie gepanzerte Reiter, die aus dem Sattel Steigen.
Wie ein Harnisch liegt das Wachstuch um ihren Körper; Staub raucht daraus empor. Und sie starren mit todmüden und hohlen Blicken durch die Glasangen der Maske. Aber
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Majory kommt von ihrem Wagensiz herab und auf mich zu. Will", sagt sie. Unsere Maschine, der Motorwagen ist noch nicht da. Er ist nicht voran. unserer Fabrik Flying star ist nicht unter den Gewinnenden!"
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Ihr Vater wendet sich nach ihr um und lächelt.„ Mas iory", sagt er,„ beunruhige Dich nicht wegen meiner elektrischen Maschine. Die Automobile find nicht gleichzeitig gestartet. Vor einer Stunde dürfen wir sie nicht hier erwarten." Sarah Klammert sich an des Vaters Arm. Er hält sie um den Naden gefaßt, berührt ihr Kinn, läßt sie aber plötzlich los und blidt verwundert auf seine Hand, in die fie ihn blißschnell in zorniger Energie gebissen hat. Und im selben Augenblick läuft sie von ihm fort und mit ausgebreiteten Armen dem kommenden Wagen entgegen, der genau auf dem Zielband anhalten wird, wie sie weiß, zwei Ellen bevor er fie erreicht hat.
( Fortiebung folgt.)
Mesalliance.
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( Nachdruck berboten.]
Eine Wildkatergeschichte von Friedrich v. Gagern. Ringelschwanz war zwar ein so hübscher Wildkater, als nur le einer durch die düsteren Bergwälder streifte; er strohte von Jugendkraft, er galt für fühn und gewandt in allen ritterlichen Uebungen seines Standes, er trug einen schönen fahlen Fled an der Kehle, und sein Schritt befundete gleicherweise Anstand wie anmutige Stärke. Trotz all dieser Vorzüge hatte er fein rechtes Glüd in der Liebe.
Uebrigens, er hätte nicht der Sproß aus einer der gewähltesten Verbindungen sein müssen, die jemals in den schwarzen Hochforsten eingegangen worden, wäre ihm weniger Schönheit, weniger Edelkraft beschieden gewesen. Sein Vater, Maut vom Hoheneichen, aus der alterlauchten Linie der Maut, genannt Stußlunte, wurde von feinesgleichen für den mächtigsten, mutigsten und verschlagensten Raubkater des Gaues gehalten; feine Mutter, die grimme Greifhilt vom Bösenstein, war berühmt dafür, daß selbst die ältesten Mordfüchse einen weiten Bogen um den Geruch ihrer Fährte schlugen. In einer dunkelwarmen Märznacht war Mauß auf Greifhiltens Wege geraten, hatte aus finsteren Gründen ihre wilde Sehnsucht schreien gehört, und war dem Rufe gefolgt, solange er flagend durch die Wälder irrte. Wohl vernahm er das Weinen und Greinen anderer Käbinnen, die gleichfalls gefreit sein wollten, wohl begegnete er mancher, die fich ihm fosend anstrich: aber dann erfcholl wieder jene hohle, grollende Liebesschrei, und mit zorniger Taße schlug er die lingerufene aus dem Wege und antwortete jo schredlich, daß den schlafenden Vögeln der Tod durch die Flügel schauerte, und suchte, bis er die Grimme fand, die feinem Geringeren zu Willen sein mochte. Ihm aber gab sie sich, denn er war noch stärker als sie. Erst tauschten fie unter Fauchen Brantenhiebe und maßen daran die Wut ihrer Minne; endlich schlug Mauß der Gewaltigen seine Waffen so hart ins Gesicht, daß ihr fast die Sinne vergingen. Da ertannte sie ihren Meister in ihut und wurde sein Eigen.