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Dinge sehen, ungeheuerlich, zum Erschrecken, oder drollig und zum| indem er auf der einen Seite Licht von der Sonne annimmt und Lachen, oder aber zum Erbarmen, so ist er darüber Herr und Gott. Schatten auf der anderen, wie man auch den Nebel tun sieht. Die Und in der Tat, alles, was es im Weltall gibt, sei es nun in Erde wird dunkel, ihr wird vom Regen der Glanz der Sonne ent Wesenheit und Dasein, oder in der Einbildung, er hat es zuerst zogen. Die Dinge jenseits des Regenschauers sind von verschwom im Geist und dann in den Händen, und die sind von solcher Vor- menen und undeutlichen Umrissen, die aber, welche dem Auge näher züglichkeit, daß sie eine gleichzeitige, in einem einzigen An- und find, als der Regen, sind deutlicher. Deutlicher werden auch die Augenblid zusammengedrängte Verhältnisharmonie hervorbringen, Dinge sein, die in beschattetem Regen gesehen werden, als die in wie die wirklichen Dinge tun," einem beleuchteten Regen gesehenen.
Grst Lionardo führte einen neuen Grundsah in die Malerei ein, der allmählich immer weiter Aufnahme fand und bald zu einem allein herrschenden wurde, Ser er bis heute blieb.
( Seidlik.)
Eine derartige Differenzierung der Absichten fann nur bers wirklicht werden, wenn die technischen Mittel gleichen Schritt halten. Das wußte Bionardo, und so sehen wir ihn denn unaufhörlich bemüht, die Reinheit der Farbe, die Intensität der Pasten, die Durchfichtigkeit der Lasuren zu steigern. Lionardo ist ein klassisches Beispiel für die ewige Wahrheit; daß jeder optischen Entdeckung eine Verfeinerung der Technik folgen muß, daß jede Steigerung der optischen Sensibilität dem Mechanismus der Hände eine weitere Präzisierung diktiert. Wenn dies ausbleibt, wenn die Nervenfasern wohl immer zahlreicher erwachsen, aber die Muskeln schwinden, wenn das Gefühlsleben sich glänzend und glibernd erweitert, aber der Wille zum Werk fehlt, dann sinkt die Kunst zur Dekadenz. Lionardo sieht mit gesteigerter Sehkraft, seine Augen genießen die Welt auf eine vollkommenere Weise; aber er begnügt sich nicht damit, die neuen Erlebnisse auszutosten, er will sie fest halten, gestalten; darum arbeitet er mit erhöhter Energie, darum um so tiefer in die Dinge. Ihm ist die Kunst nicht nur Erregungszustand der Sinne, ihm ist sie eine Weltanschauung, und das Malen betreibt er nicht nur als Handwerk, er nubt es, damit Probleme zu lösen, Probleme der Mathematik und der Optik, der Psychologie und der Philosophie.
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Es ist nicht notwendig zu sagen, daß Lionardo ein Meister der Renaissance, der Malerei feine abstrakten Spekulationen abjagen wollte. Die Philosophie Lionardos war eine Philosophie der Form; ihre Dentelemente waren die geklärten Formen der Naturobjekte, ihre Denkmethode bestand darin, die einzelnen Formen gegeneinander abzuwägen, die einen durch die anderen zu erläutern, ihr Dentziel, das sich notwendig ergebende Resultat der Methode, war das Auffinden einer allen Formen gemeinsamen Größe. Diese lette Größe ist das, was wir die absolute Form nennen. Sie ist ein Spannungszustand lebendiger Sträfte, ber für alle Zeiten und für alle Völker zwingende Geltung hat; ein Sichtbarwerden des absoluten, die Welten zusammenhaltenden Gesezes, eine Offenbarung der Göttlichkeit. Es braucht nicht jedermann die Bilder Lionardos als Schönheit zu empfinden, ebensowenig wie er eine griechische Vase oder eine Schüssel in japanischer Ladarbeit schön zu finden braucht; aber das Allbezwingende muß jedem offenbar werden, daß hier der Höhepunkt einer Entwickelungsreihe vorliegt daß ein endgültiger Sieg der Form über den Stoff errungen wurde,
Die Entdeckung der Lufttrübungen und der dadurch bedingten Veränderungen der Lokalfarben bedeutet die Ablösung des zeich nerischen Stils durch einen malerischen. Mit besonderem Recht Kann man den großen Florentiner hier gleichzeitig einen Bahnbrecher und Bollender nennen; Bionardo und das Sfumato gehören zusammen. Auf den besten seiner Bilder fühlen wir die Luft den Raum füllen und die Körper umschleiern. Die Buntheit wird milder, ohne zu schwinden, die Farben wirken weniger materiell, weniger objektiv, mehr subjektiv, mehr als optisches Phänomen, sie entstehen und vergehen, sie weben durcheinander, fie jauchzen fprü- weicht er vor der Fülle des Ersehenen nicht zurüd, sondern dringt hend auf und tauchen im Helldunkel unter. Die Malerei speziarisiert sich, sie erhebt sich über die Zeichnung und sondert sich entschieden von der Plastit. Sie beansprucht größere Ehre als diese, ba sie weit mehr von der Natur zu erfassen und wiederzugeben bermag. Lionardo fagt:„ Der Maler hat eine zehnfältige Ueberlegung, mit der er seine Werke zu Ende führt, nämlich Licht, Dunkelheit, Farbe, Körper, Figur, Lage und Dertlichkeit, EntFernung, Höhe, Bewegung und Ruhe. Der Bildhauer hat nur in Betracht zu ziehen: Körper, Figur, Lage, Bewegung und Ruhe. Um Dunkelheit und Licht fümmert er sich nicht... Auf Entfernung und Nähe läßt er sich nur zur Hälfte ein, d. h. er bringt nur die Linearperspektive zur Verwendung, aber nicht die der Farben, die sich in verschiedenen Abständen vom Auge an Färbung und an Deutlichkeit ihrer Umrisse und Figuren berändern. So hat also die Stulptur weniger theoretische Ueberlegung und ist infolgedessen eine geringere Geistesanstrengung als die Malerei... Die Stulptur entbehrt der Schönheit der Farben, es geht ihr die Farbenperspektive ab, ihr fehlt das Verschwimmen der Grenzen dem Auge entfernter Dinge, denn sie wird die Umrisse naher und entfernter Gegenstände gleich kenntlich machen. Sie wird dem Auge den entfernten Gegenstand durch die zwischenlagernde Luft nicht mehr verHüllen lassen als einen nahen, sie wird keine glänzenden, noch auch hindurchscheinenden Körper nachbilden, wie verschleierte Figuren, Sie das nackte Fleisch unter den darüber hinliegenden Schleiern sehen lassen, und auch nicht den kleinen mannigfarbigen Ries unter ber Oberfläche durchsichtiger Gewässer." Allein die Malerei ist die Kunst, der die ganze Welt offen steht, nur mit malerischen Mitteln fann ein Stück Welt so illusioniert werden, daß man die Wirklich feit zu greifen glaubt. Lionardo strebt mit unermüdlicher Anstrengung nach einer Illusionsfunst, nach einer Jllusionierung der Schönheit. Er will, daß das Bild über die Fläche hinwegtäusche; er will nicht Linien, nicht mit Farbe gefüllte Konturen zeigen, sondern förperliche Massen, aus denen sich ein Raum aufbaut, die einen Raum fordern. Es ist dies nicht mehr der Raum, den die Linearsperpektive geometrisch projizierte, den das moderne Auge nur glaubt, wenn es die Verschwindungslinien sieht und ihnen folgt; der Raum Lionardos wird durch das Medium der Luft vermittelt, burch die Luftperspektive, die Entdeckung oder sagen wir tvenigstens die prinzipielle Forderung der Luftperspektive bedeutet einen entscheidenden Schritt aus dem Mittelalter zur Neuzeit.
Von nun an gibt es in Italien eine Geschichte der Malerei. Lionardo kann gar nicht oft genug, eindringlich genug auf die Luftperspektive hinweisen; das Malerbuch behandelt das Thema von allen Seiten: Ich sage, daß das Kleinerscheinen der Form der Dinge daher kommen wird, daß der Gegenstand vom Auge weit entfernt ist. Ist dem so, so muß es zutreffen, daß zwischen dem Auge und dem Gegenstand viel Luft ist. Und diese Luftmenge steht der Wahrnehmbarkeit der Gegenstände im Wege, daher die kleinen Einzelheiten der Körper nicht unterscheidbar sind und nicht erkannt sverden... Der Gegenstand wird flein wegen der großen Entfernung zwischen dem Auge und ihm, die große Entfernung schließt biel Luft in sich, die große Menge Luft bildet durch sich selbst einen dichten Körper, der dem Auge die kleinen Teilchen der Gegenstände Hemmt und entzieht... Wo der Schatten mit dem Licht zusammenTommt, da habe acht, wo er heller oder wo er dunkler ist und wo er mehr oder weniger verblassend gegen das Licht ausläuft. Bor allem andern aber rufe ich Dir ins Gedächtnis, daß Du an jugendlichen Körpern feine hart begrenzten Schatten machst, wie sie ein Stein hat, denn das Fleisch hat ein wenig Durchsichtigkeit. Du Sebest zwischen die Lichter und die Schatten einen Mittelton. Entfernte Dinge zeigen sich aus zwei verschiedenen Ursachen mit berschwommenen und zweifelhaften Umrissen... Der Regen fällt durch die Luft und verdunkelt sie mit schwärzlich- gelber Tönung, Berantw. Redakteur: Richard Barth , Berlin . Drud u. Verlag:
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Kleines Feuilleton.
Astronomisches.
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Die Gewalt der Sonnenstrahlen. Die Naturkraft beweist sich oft in scheinbar geringfügigen Vorgängen in einer ganz überraschenden Macht. Namentlich die Wirkung der Temperatura schwankungen auf die Ausdehnung bezw. Zusammenziehung der Rörper ist von geradezu unwiderstehlicher Wirkung. Jedem Geographen ist es beispielsweise bekannt, daß der Spaltenfrost am meisten zur Zerstörung der Gebirge beiträgt, also das Gefrieren einer verhältnismäßig geringen Wassermenge in einer Felsspalte, die dadurch erweitert wird, bis der ganze Fels schließlich gesprengt ist. Umgekehrt haben die Sonnenstrahlen eine schier unbegreifliche Gewalt. Das hat man in diesem Sommer an vielen Orten erfahren, nirgends aber vielleicht eindrücklicher als in der amerika nischen Bundeshauptstadt Washington . Dort steht vor dem Kapitol das folossale Denkmal des Mannes, dem die Einigung der nordamerikanischen Staaten hauptsächlich zu danken gewesen und nach dem infolgedessen auch die Hauptstadt benannt worden ist. Der Scheitel dieses Denkmals liegt 165 Meter über dem Erdboden, und danach kann man sich eine Vorstellung von seinen ungeheuren Ausmaßen machen, da diese Höhe die der Türme des Kölner Doms noch um 7 Meter übertrifft. Man sollte meinen, daß außer einem Erdbeben keine Naturkraft hinreichen würde, diesen Koloß zu be wegen, und doch bringt das ein heißer Sommertag fertig. Freilich bedarf es eigener Mittel, um die Schwankungen dieses Riesen bemerkbar zu machen. Das ist geschehen, indem man einen 50 Meter langen Kupferdraht in dem hohlen Inneren des Denkmals hat herabhängen laffen. Es hat sich gezeigt, daß um die Mittagsstunde in den heißen Tagen dieses Sommers eine deutliche Ablenkung dieses Drahts erfolgte, die mit einer Biegung des ganzen Dentmals gleichbedeutend war. Allerdings war diese sehr gering und betrug für den Scheitel der sizenden Figur nur einige Millimeter. Uebrigens führen auch besonders starte Winde Bewegungen des Kolosses herbei.
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