Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 170.

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Sonnabend, den 2. September.

( Nachdruck berboten.).

Vor dem Sturm.

Roman von M. E. delle Grazie.

Nound Du?"

1911

Die braunen Fäuste wühlten sich noch tiefer ins Gras. Die festen Bauernfiefer knirschten aneinander, ein kurzes, hartes Lachen flog auf. Und i? Mensch is Mensch!"

Host leicht wos Dumm's daherg❜redt?"

Wos denn, um God'swill'n?"

Eine ganze Weile schwiegen beide. Und die Sonne, die Der breite Schädel nickte in einer Weise, die noch heute fast im Mittag stand, warf ihr Licht in zitternden Wellen befriedigten Troß und fatte Genugtuung verrieten. ,, Wia über die kleine Gruppe bis die Pflugschar aufleuchtete und er mi vor'n Justitär g'frogt hot, worum i nit kommen wär die Flanken der beiden Schecken einen seidigen Glanz er mi vor'n Juftitiär g'fragt hot, worum i nit kommen wär', bekamen, während die Drahtsiebe wie in silbernen Maschen das Licht einfingen und es noch einmal so grell zurück­strahlten. Aus dem Kleefeld nebenan flog ein Käfer empor, furrte nah und näher in müdem, schwerfälligem Torkelflug nech ganz schlummertrunken, wie eben entpuppt. Sonst war fein Laut um die Beiden.

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Weil i nit mög'n hob!" Wieder jenes Lachen. Und während die harten Fäuste in dumpfem Lakt auf die sonnen­verbrannte Erde niederfielen, wiederholte er noch einmal: Weil i nit mög'n hob!"

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,, Und der Verwolter?"

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Da erhob sich der Bursche. Und den Blid noch immer Joder wor domels g'scheiter ols i g'moant hob. nach dem röflich glänzenden Schloßturm gekehrt, sprach er Hot bloß g'schmunzt und so so" g'sogt. D'rauf hob'n ruhig: Wenn ich dort Verwalter bin, schlag' ich den Wald 3' mi wieder lauf'n loss'n. Dafür fämman 3' irzt doppelt aus und zahl an einem Vormittag der Gräfin ihre Schulden. Und dem Jud'n und mir bleibt auch noch was im Sack!" Der Alte starrte ihn verblüfft an. Necht host- meiner Seel'! Wenn das der Gräfin wer beibringet!"

Ja wenn!" lachte der Bursche mit einem leichten Ruck an seiner Müße. Die wenn", die nit zu uns find'n, sein immer die teuersten. Na, b'hüt Gott  !" Damit ging er. ,, G'scheiter Kerl," murmelte der Bauer, während er den Pflug mit einem Nuck aus der Furche hob. Schod'!" Und mit einem Aufleuchten väterlichen Wohlgefallens folgte fein Blick dem Reitermocher", der ihm noch vor kurzem so zu wider war.

3'rud."

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,, Weg'n der Soch'?"..

Hör' nur! Olsdonn... Wia mir heunt mit'n herr­schoftlich'n Ocker firtig san, geht der Verwolter auf mi zua. Di: weißt, was im Herbst g'scheh'n ist?" hob' wirklich nimmer d'rauf denkt! m Hirbst?" Ja, ja," sagt er. Also weg'n dem ung'wasch'nen Maul damals, stellst Dich Samstag zum Arrest. Und bleibst über'n Sonntag d'rin!" Herr," sog i d'rauf, in God's Noma! Und an ird'n ondern Log. Nur über'n Sunntog nit. Do hob'n mir Kirritog. Bon weither fimmt die gonze Freundschoft z'jamm. Mein verheirot'ter Sohn mit'n Kindern..."

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Als er sich zurüdwandte, klomm gerade wieder jemand Und er?" Raum hörbar, wie gehaucht, kam die Frage den Pfad empor. Diesmal fannte er schon die Mühe, sein von den Lippen des Melteren. Nur die Hand, die noch Bruder war's. immer auf der Schulter des Bruders, lag, begann leise zu zittern. Do locht er mir in's G'sicht, wia a Teuf'l und sogt: D'rum eb'n! Oder meinst, daß mir umsonst so lang' wart't haben?" hob' long' nit g'flennt, Sannes! Ober, wia i doberg'gongen, bin.. an unser'm Haus vorüber, weil i's denen dahoam no nit sog'n wollt' wollt'... do hot's mi se podt, auf amal!" Und die heisere Rehle barst plötzlich von einem Ton, der ein Fluch und ein Schluchzen zu­gleich war.

Jiry wo kimmst denn Du her?" Der Angesprochene gab erst feine Antwort- ließ sich am Wegrand niederfallen erschöpft, wie zusammenbrechend. erschöpft, wie zusammenbrechend. Wia schaust denn aus?" Es waren zwei gute, fluge Augen, die sonst unter dem Schirm der Müge in die Welt sahen Augen, deren Blick noch mehr Ruhe und Geduld hatte, als jener des Bruders, obgleich Süry der Jüngere war. Wie er aber nun dasaß und vor sich hinstierte und dabei rechts und links die Fäuste ins Gras wühlte, schier Angst fonnt' es einem werden! So. red' do!" drängte der Aeltere.

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Doß i irgt kan Mörder g'word'n bin.... Dog i irkt fan Mörder g'word'n bin!" murmelte Jüry vor sich hin. ,, Wos sogst de

um God'swill'n?"

Na, na," fuhr der Brütende in sich zusammen. Du hörst jo, daß' s nit g'scheh'n is.... Wonn's ober doch an­mal g'scheh'n sollt.... fonn nir dafür, Hannes. Init!" Red' fan Unsinn," mahnte Hannes. Mord is Mord und Bluat- Bluat. Und Du host Weib und Kind. Is' sis 3 am End' wieder weg'n der Liesi?" fragte er, während die knorrige Hand fich wie tröstend auf die Schulter des Bruders legte. Loß guat sein, die nimmt si schon selbst in ocht. Do konn ihr der Schuft noch so viele Foll'n stell'n und Schling'n leg'n. Schau nur, daß' s bold unter die Haub'n fimmt. Wenn' s erst dem Franzl die feinige is mit'n Franzl fongt sich der Grof nig on!"

,, Dosmol hot er sich hinterm Verwolter g'stedt." " Wia denn?"

,, Doß er mi recht kujonniert." " Du bist do ausg'wich'n?" Ausg'wich'n- ausg'wich'n. fo no vom Hirbst her!"

,, Vom Hirbst?"

Die Hand des Alten zitterte immer heftiger. In den leuchtenden Blauaugen glomm langsam ein dunkler Brand über die lichte Pupille zog. Auch die Lippen schienen an auf, daß es einen Moment wie eine schivarze Wetterwolfe einem Wort zu nagen, das, wer weiß wie lange schon, auf seine Erlösung harrte. Aber mit einem Male glitt dies alles wie ein Schleier von dem schönen Greisenantlit, so daß seine Ruhe und friedvolle Ergebung förmlich berklärt darin auf­leuchteten. Und während der Alte auch die Linke auf die Schulter des Bruders legte, sprach er leise: Hätt'st Dein doch in Demut weitertrog'n. Jiry! So wia's der Herr uns aufg'legt hot! Woaßt no, wos in der Nachfolge Christi  " steht? Wirfst du ein Kreuz ab, so wirst du ein anderes finden, und vielleicht noch ein schwereres!" Jrkt host' s ' fund'n, Jüry! Nimm's auf und troag's dem Herrn noch!"

Leise, schlicht, die eigenen Tränen mit den Worten hineintrinkend, sprach es der Alte über das tiefgeneigte Haupt des Bruders hin. Und dem schönen Wort des Heiligen be­gegnete der feierliche Klang der Mittagsglocken, die ihr Ge­läute wie tönendes Licht über die frühlingsgrünen Saaten

ausg'wich'n.... Die G'schicht' geht gossen.

hob' Dir's dermol'n nit g'sogt, weil's der Berwolter scheinbor hingeh'n hot loff'n. Dafür fimmt er irkt no an­mol so dick!"

Wos hot's denn domols geb'n?"

Robot'n hätt i soll'n und i bin holt ausblieb'n. An mol! Die meinige is' dozumol front g'west. Der Hannes no beim Militär. Woch'n long hot's g'regn't g'hobt. Do is' höchfte Beit zum Odern und Onbau'n g'weſt. So bin i holt ausblieb'n. Logs drauf hot mi der Verwalter g'stellt..."

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Als der Reitermacher ins Dorf fam, fragte er zuerst nach dem Wirtshaus". Mittag war's und gestern hatte er genug verdient, um sich heute eine warme Suppe gönnen zu dürfen.

Die Häuser lagen freundlich, meist strohgedeckt, aber äußerst sauber gehalten. Hinter den Fenstern blühten die ersten Geranien auf. Da und dort stand ein Myrtenstöcklein zwischen den Scheiben, wohlgepflegt und betreut von Händen, die schon dem künftigen Glück ein Stränzlein flochten. Jedem Haus war ein himmelblauer Sockel angefärbelt", so daß es straßauf, straßab wie ein lichtes Band dahinzog. Der Rauch stieg ferzengerade aus den Essen und wirbelte hoch oben in