Du warschk nich ter erste 1' Nun schwiegen sie beide. Als sie schon auf dem Rätschener Berge waren, einem Hügel, so niedrig, daß die Landstraße nicht für nötig gehalten hatte, feinet- wegen einen Umweg zu machen, sahen sie erst die Lichter der Häuser in die blaue Mondnacht hinausblitzen. Hart am Wege, der das Torf nur an seinem Kopfende berührte, lag geduckt und klein, eines so großen Baucrndorfes nicht recht würdig, die Strohkate des Kretschams, das Ziel der beiden Freunde. Wie in Fortsetzung ihres Gesprächs warnte der Schuster noch einmal den Kameraden: Rausschmeißen tut sie Dich, die Rothern, dadruff kannste Dich Verlaffen. Die hält Wort!... Die sicher!" Meinswegen auch!" knurrte der Joseph bissig, den es noch immer wurinte, daß der Freund ihm den Stuhl vor die Tür gesetzt hatte, noch ehe er mit einer Bitte zu ihm gekommen war. Na, na, friß mich ock nich!" lachte Glüch-Karl über den Aerger des anderen. Laß mich zufriede!" fauchte der und zog den Kopf tiefer zwischen die Schultern. Der Kleine mochte mit diesem Ergebnis des Gesprächs zu- frieden sein; noch immer hinter dem Joseph einhertrottend, griente er in sich hinein und schüttelte sich einmal über das andere vor stillem Vergnügen. Als sie aber in den trübe erleuchteten Flur des Gasthauses traten, faßte er den Freund am Arm und raunte ihm zu: Sonntag kannste mich amal besuchen, nochmittigs, ich Hab' an Gast!" Es war das erstemal, daß der Schuster ihn zu sich einlud, und Joseph, der darin einen Ausweg aus der verzwickten Lage witterte, in die er geraten war, wußte diese Ehre wohl zu schätzen. Von Natur gutmütig, vermochte er nicht, lange zutückschen", und als sie nun die Gaststube betraten, aus der ihnen ein heißer Dunst von Schnapsgeruch und Tabaksqualm entgegenschlug, strahlte sein Ge- ficht schon wieder. Ein Frcudengejohl begrüßte sie und bald saßen sie inmitten einer großen Runde fröhlich lärmender Kumpane. So schwer ihm das Weggehen auch fiel, blieb doch der Joseph auf den Rat des Freundes nicht lange, um die Meisterin nicht zu reizen; er zeigte sich noch eine Weile im Wirrwitzer Kretscham, in dem es recht still zuging, weil der Glück-Schuster nicht da tvar, und fand sich beizeiten im Tischlcrhause ein, so daß er noch zum Abendsegen zurecht kam. Die Frau ließ nur flüchtig einen Blick über ihn hingleiten, dann redete sie mit ihm gleichmütig und knapp wie immer von der Arbeit und was am nächsten Tage fertig zu machen sei. Da er jetzt nicht mehr so häufig ins Wirtshaus ging, war der Joseph nun öfter mit dem Paul zusammen: nach Feierabend in der Werkstatt, jeder auf seiner sauber abgeräumten Hobelbank sitzend, oder in der Wohnstube beim traulichen Schein der mit rotem Seidenpapierschirm bedeckten Petroleumlampe, wenn die Meisterin draußen in der Küche beschäftigt war, auch wohl an Sonntagen auf einem Gang durch die winterlichen Felder, wenn es galt, in den umliegenden Dörfern einen Kunden zu besuchen, um mit ihm dies oder jenes zu bereden. So sehr langweilte der Joseph sich in der Gesellschaft des jungen Burschen gar nicht, wie er gefürchtet hatte. Sie kannten sich eigentlich noch nicht so recht, die beiden, ob- gleich der Joseph doch nun schon fünf Wochen im Hause war. Bei der Arbeit tvar zwischen ihnen von nicht viel mehr als eben nur von der Arbeit geredet worden, und Pausen wurden nicht gemacht, das litten die Meisterin und auch ihr Fleiß nicht, denn sie schafften, wenn sie an der Werkbank standen, noch immer miteinander um die Wette. Er tvar eigentlich gar kein übler Bursche, der Paul, frisch und fröhlich, zu Neckerei und Spaßmachcn immer aufgelegt, dabei gut- mütig und hilfsbereit. Wenn die Meisterin nicht gewesen wäre, hätte der Bursche gewiß einen prächtigen Zechkumpan abgegeben. Das mußte der Joseph oft denken. Die Mutter machte einen ganz anderen aus dem Sohne mit ihrer düsteren, herben Strenge und durch die Abhängigkeit, in die sie ihn mit hartem Willen zwang. Gar nicht er selbst durste er sein, wenn sie in der Nähe war, und nur, wenn er sich frei von ihr fühlte, traute sein wirkliches Wesen sich schüchtern ein wenig her- aus. Dann wurde er lauter und fröhlicher, ein bisse! übermütig und ein biffel leichtsinnig auch, aber nur mit dem Munde, nicht in dem, was er tat. Da war er gut zu leiden, und der Joseph konnte ihm leicht das bißchen gutmütige Hänseln und Spotten, wie auch den neckenden Hohn des ersten Tages vergeben. Dem Paul gefiel jetzt der neue Geselle auch mit jedem Tage besser. Er hatte gar nicht gedacht, daß er ein so lustiger Kauz sein konnte. Alle Anekdoten, Geschichten und Witze, die der Joseph von dem Glück-Schuster gehört hatte, erzählte er dem Meistersohne jetzt wieder. Er brachte sie zwar nicht so geschickt heraus wie der Freund, manchmal verpaßte er die Pointe oder sie purzelte vor- aus oder hinkte hinten nach; aber der Paul war ein dankbarer Zuhörer und hätte sich auch bei den verunglücktesten Sachen rein ausschütten mögen vor Lachen. (Fortsetzung folgt.)! DieaUdeutfeben" Hltdeutfcben. Im vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung merzte der gotische Bischof Ulfilas in seiner Bibelübersetzung die kriegerischen Bücher der Könige" aus: er kannte seine Pappenheimer. Die Lektüre der Metzeleien mutzte die Kriegslust der Goten entweder noch verstärken oder ihnen das Christentum, so wie es gemeint war, verdächtig machen. Vier- bis fünfhundert Jahre später er- schienen zwei sogenannte Evangelienharmonien, Zusammen» schweißungen der vier Evangelien zu einer Geschichte, derHeljand" und OtfridsEvangelien", die nun ganz anders zu Werke gingen. Das war die Folge der Entwickelung, die sich in den Jahrhunderten seit der Völkerwanderung vollzogen hatte:... so unproduktiv diese vierhundert Jahre auch scheinen, ein großes Produkt hinter- ließen sie: die modernen Nationalitäten", sagt Engels. Und er fährt fort:Was aber war das geheimnisvolle Zaubermittcl, wo- durch die Deutschen dem absterbenden Europa neue Lebenskraft einhauchten? War es eine, dem deutschen Volksstamm eingeborene Wundermacht, wie unsere chauvinistische Geschichtsschreibung uns vordichtet? Keineswegs. Die Deutschen waren, besonders damals, ein hochbegabter arischer Stamm, und in voller lebendiger Eni- Wickelung begriffen. Aber nicht ihre spezifischen nationalen Eigen» schaftcn waren es, die Europa verjüngt haben, sondern einfach> ihre Barbarei, ihre Gentilverfassung. Ihre persönliche Tüchtigkeit und Tapferkeit, ihr Freiheitssinn und demokratischer Instinkt, der in allen öffentlichen Angelegenheiten seine eigenen Angelegenheiten sah, kurz, alle die Eigenschaften, die dem Römer abhanden gekommen und die allein imstande, aus dem Schlamm der Römerwelt neue Staaten zu bilden und neue Nationalitäten wachsen zu lassen was waren sie anderes als die Charakterzügc des Barbaren de« Oberstufe Früchte seiner Gentilverfassung?" Diese Entwickelung zu fördern, ließ sich die römische Kirche sehr angelegen sein. Und sie hatte die Macht dazu. Sie war als Repräsentantin einer höheren Produktionsform, nämlich der römischen, in Handel und Ackerbau, Handwerk und Kunst die Führerin des Volkes. In der Ausdehnung der Staatsmacht, in der Nationalisierung witterte sie richtig eine Stärkung ihrer Macht. Waren jene germanischen Stämme untergegangen, die sich, wie die Ostgoten und Vandalen, der christlichen Ltirche entgegenstemmten, obwohl sie auf deren Boden, auf den Trümmern des Römerreichs, sich national zu organisieren suchten, so blieb den Franken, die sich frühzeitig der römischen Kirche anschlössen, das Erbe der Römer, die weltliche Herrschaft, freilich unter geistlicher Ober- Herrschaft. Ein Dokument des Nat'onalgefühls jener Zeit, das wir geradezu als chauvinistisch empfinden, ist jene Evangelien, Harmonie des Otfrid von Wvißenburg. Schon in dem altsäckisischcnHeljand", der von einem un- bekannten vermutlichen Theologen zwischen 822 und 840 gedichtet wurde, ist überaus charakteristisch die Tarstellung der Evangelien als Taten eines Volkskönigs, der mit seinem Gefolge von Galiläer- land nach Jerusalcmburg zieht und Thing hält. Hier spiegelt sich also die Umwandlung des Frankenkönigs aus einem bloßen obersten Heerführer in einen wirklichen Landesfürstcn wieder, wie denn die lateinische Einleitung erzählt, daß dies Gedicht von Ludwig dem Frommen veranlaßt sei. Das Gefolge des Königs Christus besteht aus edelgeborenen Männern lerlos adalborana), die von ihrem Herrn Geschenke erhalten! Alles Unkriegerische wird weg- gelassen, so: das Gebot der Feindesliebe, das Reiten auf dem Esel, das Verbot, erlittenes Unrecht zu rächen. Auch alle Kraftstellen gegen die Heiden fehlen, da es diese ja just zu gewinnen galt. Mit Liebe wird dagegen die Tat des Petrus geschild»t, der dem Malchus ein Ohr abhaut, und sehr ausführlich werden Ereignisse wie das festliche Gelage und der Seesturm geschildert. Ja, aus der kurzen Stelle Joh. II. 16:Laßt uns mitziehen, daß wir mit ihm sterben", wird ein ganzer Hymnus auf die Vasallentreue, der mit den Worten schließt:Nur wenn wir in der Heerschar mit ihm sterben, mit unserem Herrn, dann folgt uns Ruhm nach, guter Leumund vor den Leuten!" Nun aber erst der Mönch Otfrid von Wcißenburg im Elsaß, der unter Ludwig dem Deutschen lebte und im Jahre 861 auf einer Urkunde erscheint! Otfrid benutzt zuerst den Endreim statt des Stabreims im Deutschen . Uebrigens gibt er als erstes Kapitel eine Erklärung über die Gründe,warum der Schriftsteller dieses Buch in deutscher Sprache dichtete", und als zweites Kapitelein Gebet des Schriftstellers". Nach Otfrid kommt es nämlich beim Dichten heiliger Gesänge vor allem auf Frömmigkeit an. Besitzt der Dichter die. dann helfen ihm die Engel. Das merkwürdigste aber ist dasLob der Franken", das in einem so säbclrasselnden Tone gehalten ist. wie ihn sich unsere alldeutschen Kriegshetzer nur immer wünschen können: Sic sind ebenso kühn wie die Römer, auch kann niemand behaupten, daß ihnen die Griechen den Rang streitig machen. Sie haben, zu ihrem Nutzen, auch ebensoviel Verstand; in Feld und Wald sind sie gleich kühn; sie haben Reichtum genug; sie sind über- Haupt sehr kühn und in den Waffen tapfer, alle diese Helden. Sie bauen mit Werkzeugen(und waren das von je gewohnt) in gutem Lande, dafür sind sie ohne Schande. Es ist sehr fruchtbar, wie klar zutage liegt, und hat mancherlei Güter, was aber nicht unser Verdienst isü Mit Nutzen gräbt man da auch Erz und Kupfer und sogar währhastig eiserne Steine; hinzu füge noch: Silber in Menge, ja sie lesen dazulande Gold in ihrem Sand. Ihr ernst«