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bie Natur und ihre heil'gen Kreise in Redlichkeit, jedoch auf seine Weise mit grillenhafter Mühe fann". Zu alledem weiß er genau, daß der ihn umgebende Nimbus nur solange borhält, als das Bublikum nicht weiß, was in seinen Mittein enthalten ist. In den Kreisen der ländlichen Bevölkerung wird leider ja auch heute noch immer eine Flasche Medizin am höchsten gewertet, wenn es sich um mindestens einen halben Liter schön gefärbter Flüssigkeit von durch dringendem Geschmack handelt, ebenso wie eine Salbe als um jo Heilkräftiger angesehen wird, je aromatischer und penetranter fie riecht. Solchen Wünschen kommt der ländliche Kurpfuscher natürlich bereitwillig entgegen.
Bei jenen ziemlich seltenen Kurpfuschern, die selber an ihr Rönnen glauben, findet man zuweilen noch recht komplizierte Mittel, die auf der Spekulation aufgebaut sind, daß, wenn man zwanzig verschiedene Stoffe zusammenschüttet, einer oder der andere gegen die Krankheit wirksam sein müsse. Sie sind zwar heute nicht mehr so bluttriefend, wie jener höllische Brei, den die drei Heren im Anfang des vierten Attes von Shakespeares Macbeth in dunkler Höhle zurechtkochen. Sie enthalten aber immer noch die verschiedenften, längst als nublos crkannten Dinge. Die meisten Kurpfuscher und Geheimmittelschwindler verschmähen jedoch solche teuren Kom positionen, weil sich an ihnen nicht genug verdienen läßt, und arbeiten mit so wenigen Substanzen, daß man darüber lachen müßte, tenn das Spiel mit dem menschlichen Leben nicht allzu traurig wäre. Sanitätsrat Dr. Fossel, der volkskundige Verfasser eines Werkes über„ Volksmedizin und medizinischen Aberglauben", berichtet von einem obersteirischen Kurpfuscher, daß er jedem ihn konfultierenden Patienten drei Krankheiten an den Leib diagnostizierte, für die er im wesentlichen nur zwei Medikamente, nämlich einen Kräutertee und ein Del in Bereitschaft hatte, das er als„ lichtes" oder„ trübes", als„ rotes" oder" goldenes" Oel verzapfte.
Leider darf man nicht verschweigen, daß das Bublifum, selbst in seinen höchsten" Bertretern, biel dazu beiträgt, das Kurpfuscher tum zu stützen. Es sind aus Deutschland und Oesterreich nicht wenig Fälle bekannt, daß Apotheker in nicht mißzuverstehender Form angewiesen wurden, die Rezepte von Kurpfuschern nicht zu beanstanSen, weil zufällig einmal irgendein hoher" Herr oder Dame auch unter der Behandlung des Pfuschers gesund geworden war.
Dr. C. R. Kreuschner.
Kleines feuilleton.
Literarisches.
Epikurs Philosophie der Lebensfreude. Serausgegeben von Dr. H. Schmidt.( Kröners Taschenausgabe. Preis 1, M.)
und Lebensanschauung gewesen war. Sein Individualismus, feine Abkehr von jedem Kampf um öffentliche Interessen bezeugen dies auf das flarfte. Das will andererseits feineswegs besagen, daß diese Lehre in allen ihren Teilen feinen dauernden Wert besitzt, denn diese Behauptung wäre ebenso unhistorisch gewesen. Schon die Tatsache, daß die Naturphilosophie der Renaissance vielfach an den Epikuräismus anknüpft, bezeugt, daß in der Popularisierung der Demokritischen Atomistik die starke Seite von Epikurs Lehre liegt. Diesen Umstono scharf hervorzuheben, die Heuchelei der christlichen Kirche in der Bekämpfung des Materialismus gebührend zu brandmarken, kann auch heute eine nübliche aufklärende Arbeit sein. Ueber den naiven Individualismus der epikuräischen Ethit jedoch sind auch die bürgerlichen Massen von heute schon hinaus. Sicht man von der mißglückten Tendenz der Schmidtschen Schrift ab, so kann das Büchlein, das in gedrängter Kürze alle Seiten der epikuräischen Lehre zur leichtfaßlichen Darstellung bringt, eine anregende Lektüre sein. Nur muß sie mit einem ge V. Th. bührenden Körnchen Salz genossen werden.
Gesundheitspflege.
Ueber die Wirkung der Size als Heilmittel veröffentlicht die Zeitschrift für physikalische und diätetische Therapie sehr interessante Leobachtungen. Die Anwendung der Hize spielt in der modernen Heilkunde eine nicht untergeordnete Rolle. Auch da, wo sie nicht unmittelbar appliziert wird, ist doch gerade auf sie die Heilwirkung zurückzuführen, so bei den mit einer undurchlässigen Schicht von Pergament- oder Guttaperchapapier bedeckten Dunstumschlägen und den Prießnißverbänden, die gern bei Erkältungen benutzt werden. Eine direkte Hikewirkung haben wir bei der Applikation von heißem Wasser, warmen Breiumschlägen, Bädern in heißem Sand oder Schlamm, der Heißluftbehandlung und schließlich bei dem elektrischen Lichtbad. Es darf als feststehend gelten, daß durch die Hize nicht nur die Haut, sondern auch die darunter liegenden Partien in ziemlich beträchtlicher Tiefe erwärmt werden, doch beträgt diese Erwärmung im Höchstfalle nicht viel mehr als 3 Grad Celsius. Die einwirkende Hize darf nicht viel höher sein, als die normale Temperatur der Gewebe, da sie sonst durch chemische Veränderungen der Zellensubstanz, deren Lebensfunktion auf eine bestimmte Temperatur eingestellt ist, frankhafte Erscheinungen auslösen kann. Die unmittelbare Folge der Hizeeinwirkung ist eine Steigerung der Blut- und Lymphzirkulation des betreffenden Körpergebietes; diese ist eine Schuhvorrichtung des Körpers gegen Uebererwärmung, da die stets neu zuströmenden Blut- und Lymphmengen, die noch nicht erwärmt find, einen Kühlstrom für die erhitzten Gewebe darstellen. Die auffälligste Erscheinung bei örtlicher Einwirkung ist der erhöhte Zustrom von Blut in die Gefäße der Haut, die hierdurch mehr oder minder rot erscheint. Je höher die einwirkende Temperatur ist, um so schneller tommt diese Blutüberfüllung, diese Hyperämie zustande, und um so eher erreicht sie ihre höchstgrenze, geht aber wiederum auch um so rascher zurüc; das gleiche findet in den tieferen Gewebsschichten statt. Die alte Ansicht, daß die Ausdehnung der ober einhergehe, ist heute nicht mehr haltbar. Nach einigen Stunden ist das Maximum, die Höchstgrenze erreicht und geht wieder zurüd. Die Seilwirtung der Site besteht darin, daß sie entzündliche Herde auflöst; der vermehrte Zufluß von Lymphe wirkt bei Entzündungen auf die Entzündungserreger, die Batterien, direkt schädigend. Interessant ist, daß trop der starten Lymphzirkulation die Batterien nicht in das umliegende Gewebe verschleppt werden. So heilsam mäßige Wärme ist, so gefährlich kann die Anwendung übergroßer Hiße werden. Sie verstärkt nicht etwa die Heilwirkung, fondern verwandelt sie in ihr striktes Gegenteil und stellt eine bebentliche Schädigung der betroffenen Bellenkomplege dar.
Aftronomisches.
Das Bestreben, die Lehren der Vergangenheit dem Verständnis und den Bedürfnissen der Gegenwart näher zu bringen, ist gewißflächlichen Blutgefäße mit einer Zusammenziehung der tieferen sehr berlockend. Man braucht dem Dichterwort vom„ alten Wahren, bas schon längst gefunden war" nicht beizupflichten, um doch anzu erfennen, daß in der Vergangenheit manche geistige Schäße vorhanden sind, die zum eisernen Bestand jeder wahren Kultur gehören. Beim Heben dieser Schäße muß man sich jedoch von dem Grundsage leiten lassen, daß wir desto richtiger erkennen, was diese oder jene Lehre für uns sein kann, je besser wir wissen, was sie für ihre Zeit gewesen ist. Die fonfequente Durchführung dieses Grundsages läßt die vorliegende kurze Zusammenstellung der epituräischen Lehre, wie sie uns Dr. H. Schmidt im formvollendeten Vortrage gibt, leider durchaus vermissen. Im Gegenteil: der Verfaffer, als Monist Hädelscher Observanz, der in der Herrschaft des theologischen Geistes alles Uebels tiefste Wurzel sieht, sucht aus der Ethik Epitnrs vor allem eine„ monistische" Lebenslehre herausEin Beginnen, das zu vielen Schiefheiten in histozudestillieren. rischer Hinsicht führt, was um so mehr zu beklagen ist, als der Verfasser gleich in der Einleitung zeigt, daß er für das Verständnis der geschichtlichen Zusammenhänge feineswegs unzugänglich ist. Sehr richtig bemerkt er, daß epikuräische Ethik ein Produkt der Auf lösung des griechischen staatlichen Lebens war. Und doch vergißt er seltsamerweise jene historische Tatsache der näheren Würdigung zu unterziehen, daß Epikuräismus zur Zeit des römischen Kaisertums eine Ideologie der römischen Geldbourgeoisie wurde, jener Bourgeoisie, die der sozialen und politischen Tätigkeit gänzlich entsagte und nur den privaten Interessen und Genüssen nachjagte. Er bergißt weiter, daß eben dieser Umstand und nicht etwa der rein ideologische Gegensatz zwischen lebensbejahendem Materialismus und idealistischer Lebensverachtung dazu geführt hat, daß das Chriftenfum, als Ideologie des römischen Proletariats, in den schärfsten Gegensatz zum Epikuräismus geriet und ihn mit glühendem Haß bekämpfte. Wenn später dieser ursprüngliche Gegensatz von den firchlichen Machthabern dazu benutzt wurde, die aufteimende Natur. erkenntnis als unfittlich zu verschreien, jede materialistische Philosophie zu verdammen, den Epikur selbst mit unflätigsten Beschimpfungen nachträglich zu überhäufen, so darf dieser Umstand uns doch feineswegs über die Tatsache hinwegtäuschen, daß Epikuräismus ursprünglich eine den Bedürfnissen der Besißenden angepaßte Welt. Berantw. Redakteur: Nichard Barth, Berlin . Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.
Der Vollmond als woltenschieber. Der Glaube daran, daß der Mond, namentlich wenn er voll am Himmel steht, die Wolken zu verscheuchen imftande sei, hat einen ehrwürdigen Taufpaten in dem berühmten Astronomen John Herschel . Trok dem haben die Meteorologen ihn schlechthin als Aberglauben bezeichnet und bekämpft. Ein Astronom an der Sternwarte in Greenmich, Professor Ellis, hat sich jeßt aber nochmals die Mühe genommen, gegen jenen Aberglauben zu Felde zu ziehen. Er ber gleicht ihn mit dem ähnlich weit verbreiteten Vertrauen auf die Möglichkeit einer fünstlichen Regenerzeugung. Die Beobachtungen in Greenwich haben gezeigt, daß überhaupt die Bewölkung am Vormittag am stärksten, in den Abendstunden am geringsten ist. Eine Aufklärung des Abendhimmels tritt bei Vollmond nicht häufiger ein als sonst, sondern wird durch den Mond nur auffälliger. Das Verschwinden der Wolken am Abend wird vielmehr dadurch erklärt, daß die Wolken durch Ausstrahlung in den Raum mehr Wärme verlieren, als sie von der Erde her empfangen, und daß die Wasserbläschen dadurch verdunsten. Die Möglichkeit einer Wirkung des Mondes auf die Wolfen wird auf das Bestimmteste abgestritten. Uebrigens hat bor etwa drei Jahren auch ein deutscher Meteorologe, Meißner, eine Untersuchung mit gleichem Ergebnis ausgeführt, indem er die Lewölkung im Verlauf von 80 Mondumlaufen ber folgte.