Anterhaltungsblatt des �Vorwärts Nr. 185. Sonnabend, den 23. September. 1911 (Nachdruck v«rdoten.Z 17z Vor ciem Sturm. Roman von M. E. delleGrazie. „Do steckt der Hannes dahinter," dachte die Resl erbost. „Der Hot in'r den Olt'n wieder gonz z'sommg'rempelt!" Und sie nahm sich vor, doppelt lustig zu sein, wenn der Hannes kam. �romm und geduldig sein, war ja recht und christlich. Aber was blieb noch übrig von einem Mann, wenn er überall gleich „Ja" deutete? Die Resl hätte keinen solchen mögen, so alt sie schon war! Daheim angekommen, banden die Weiber große Schürzen vor ihren Staat und machten sich sofort ans Fertigkochen. Das Vieh mußte auch noch ordentlich getränkt und gefüttert wer- den. Saß man einmal bei Tisch, stand man nur schwer auf. Und die zwei ledigen Mädchen, die Jury noch daheim hatte, wollten ja später auch ihr Recht. Klang das dumpfe Gestampf der Tanzenden von der„Hütt'n" herüber, hätte wohl unser Herrgott selber kein liebes Wort mehr von ihnen bekommen, geschweige denn das Vieh seinen Trank. Der Tag gehörte nun einmal dem Teufell Das wußten die Alten und darum sahen sie streng darauf, daß noch vor dem Fcstschmaus das Tagewerk erledigt wurde. Sie hatten es auch nicht anders getrieben als sie jung waren. Der Alte und sein Sohn aber nahmen die Kinder an der Hand und gingen unterdes in den HauSgarten. Drinnen stand man den Weibsleuten ohnedies im Weg. Hatten die Kinder ihr„Bacht" in der Hand, spielten sie ruhig zwischen den blühenden Beeten herum. Vater und Sohn aber zündeten ihre Pfeifen an und sehten sich in die„Beinhütt'n"(Bienen- Hütte), uin auch einmal wieder etwas Vernünftiges reden zu können. Zwischen den Weibsleuten kam man sonst gar nicht zum Wort. Ruhig schmauchten sie sich eine Weile den Rauch ins Gesicht— während die Bienen mit leisem Gesumm hin und wider flogen und das dumpfe Gesurr in den Stöcken von dem erregten Leben Zeugnis gab, das der Frühling auch in die Reihen der kleinen Honigsammlerinnen trug. „I moan ollaweil, bei Enk purrt d'r Woasl schon," be- merkte der Sohn bedächtig. „Kimmt m'r a so vür," nickte der Alte, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen. Ex gönnte sich nur an Sonn- und Feiertagen das bißchen Tabak. Aber dann war es ein Genuß, dem er sich mit einer gewissen Andacht hingab. „Aehnl," rief der Aelteste vom Tulpenbeet herüber, „Zweg'n we darf ma nit„Kreuzdunnerweder" sog'n?" „Weil uns unser Herrgod sunst auf's Maul haut," rief der Vater des Jungen zurück. „Jrtzt hob' i's ober g'sogt!" rief der Bub zurück, während ein Leuchten blitzender Wißbegierde in seine Äugen trat, wie ein neugieriges„Was nun?" „Bet' holt g'schwind a Vaterunser drein," gab Jury ernst zurück. Und die Art, wie der Aehnl das sagte, wirkte so über- zeugend, daß der Kleine sein„Bacht" zwischen die Tulpen fallen ließ und mit gefalteten Händen ins Knie sank, die großen Blauaugen bang und erwartungsvoll zum Himmel gerichtet, als könne dort wirklich jetzt und jetzt die große Hand zum Vorschein kommen, die einen„auf's Maul" schlug, wenn man„Kreuzdonnerwetter" sagte. Laut und wie in stammelnder Angst betete er sein Vater- unser her, während die ab und zu fliegenden Bienen gleich blitzenden Funken um den kleinen Blondkopf stoben und der FrühlingSwind seine Löckchen wie gesponnenen Flachs in der Sonne ausbreitete. „Auf den schaut's Enk auf," meinte Jury befriedigt. Ter Hot an' mirksomen Kpof!" Wieder blieb es eine Weile still, kräuselte sich der blaue Dampf der Pfeifen zu leichten Wölkchen, die wie zarte Schleier um die beiden Köpfe hingen. „Was gibt's denn sunst in Tajx?" fragte der Alte. Sein Sohn hatte eine ziemlich vermögende Äauerntochter aus der Gemeinde„Groß-Tajar" geheiratet und konnte nun dort auch ein Wort mit dreinreden, was den Allen mir nicht geringem Stolz erfüllte. Waren die„Tajxer" doch die gröbsten, aber auch die vermögendsten Bauern des ganzen Kreises. „Wos wird's denn geb'n?" erwiderte der Sohn, dem die Sonntagspfeife auch zu gut schmeckte, um mehr als gerade nötig zu reden. „Wia's'n Hommermüller geht, hätt' i gern g'wüßt!" �„Nit schlecht," kam es zwischen zwei schmauchenden Zügett zurück...„Grod nur... dös werd'ts jo schon g'hört hob'n. daß sein' Viktul a ledig's Kind kriagt." „Hot er f schon g'haut?" fragte Jury bedächtig. „Natürli." „No und irtzt—?" „Jo, wos soll's denn toan?" meinte der Sohn.>,G'scheh'n is g'scheh'n!" „Mit lvem Hot sie sich denn eing'loss'n?" „Mit'n herrschoflich'n Drab." „A no dazua?" Der Alte spuckte aus. „Wird er s' heirot'n?" „Ahl Er red't sie auf d' Herrschaft aus und die Herr» schoft-".„ „No?" Der junge Bauer zuckte die Achseln.„Wia holt die gnädig'n Herrn schon san!" „Lump dös!" brummte Jüry vor sich hin. Er wollte schweigen, denn ihn ging ja die Sache nichts an. Oder doch? Seit er mit dem Schreiber von Schönbach gesprochen, sah er die ganze Welt anders an; fand überall den„Hak'n", wie der Schreiber gesagt hatte. Wozu waren denn die Gesetze da. die Kaiser Josef erlassen, wenn die Schergen des Rechtes noch immer nach dem„Brauch" verhandelten und Brauch und Her» kommen nichts waren als die alte, verkappte Gewalt? Nun wußte er es besser! War es da nicht seine Pflicht, als Mann und Christenmensch auch den anderen auf die Beine zu helfen? Er selbst ging ja mit dem Beispiel voran! Wenn nur so und so viel Bauern in jeder Gemeinde einmal denselben Mut auf- brachten, sollte die Welt gar bald ein anderes Gesicht kriegen! „Kreuzdunnerweder," rief er plötzlich. Rief es so laut und überzeugt aus seiner innersten Empfindung heraus, daß die Kinder mitten im Spiel innehielten und mit großen Augen stumm und verstört heriibersahen. „Aehnl, bet'ts g'schwind a Vaterunser!" rief der kleine Flachskopf voll Angst. „Glei, glei," räusperte sich Jüry verlegen. Er stellte die Pfeife weg und schlug ein großmächtigcs jtreuz. Es war doch seltsam, was alles in ihm vorgmg seit gestern!� Als wenn er nach und nach jede Besinnung und Selbstbeherrschung verlöre. Auch das Verhalten seines Sohnes tvollte ihm nicht behagen. Die Resl hatte ihm doch erzählt, was dem Alten bevorstand. und daß er gewillt sei, es sich nicht gefallen zu lassen. Er aber hatte der mütterlichen Beredsamkeit mit einer ganz seltsamen Ruhe standgehalten, weder ja noch nein gesagt, und zum Schluß gerade nur ein paar Worte gefunden, die in ihrer Art ebenso wenig ein Ja oder Nein waren. „A hoakle Soch' dös!" War das eines Sohnes Rede? Nun wollte der Alte ihm zeigen, wie ein Mann aussah. Die Pause hatte— der Kinder halber— gerade eine Vaterunserlänge gedauert. Nun griff Jüry doppelt aufgelegt nach seiner Pfeife. „I hob' nur g'moant, daß i mein Recht schon z'findett wüßt'! A bei d'r Herrschoft, wann i der Viktul ihr Voda war'!" „Dös san holt soliche Rcd'n," erwiderte der junge Balier mit einem verlegenen Blick ins Grün. „Von mir aus nötl" fuhr der Alte auf. Der Sohn zuckte die Achseln, sog an seiner Pfeife, schwieg. Um nichts in der Welt hätte er dem Vater so„vom Maul weg" widersprochen. Drum mußte seine Haltung zeigen, daß er in dieser Sache doch einer anderen Meinung sei. Aber der Alte ließ nicht nach.„Brauchst D'r nur vor- stell'n wia's war', wonn die Viktul a deinig's Kind war'!" »J sog' jo nit, doß so wos— doß so wos nit Hort is," gab der Sobn zu.„Ober wia's an'm schon«mal in der Hand hob'n, die gnädig'n Herrn..." „Mir hob'n a unser Recht," brach Jüry aus.„Seit n Kaiser Josef! Grod nur, dotz's die Wenigsten willen, • stark gnua san, sich's selber z'suach'n!"
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28 (23.9.1911) 185
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