tm Herbst, wenn die Sucheauf die Gans" kam und die Hunde mit triefenden Lefzen durchs Ried brachen, wurde es auch hier laut. Sonst gurgelten nur die Unken ihren melancholischen Chor in die Nacht hinein, der sich wie eine gespenstische Stimme der regungslosen Tiefe anhörte: oder ein Fisch schnellte auf, glotzte mit blöden Augen ins Licht und plätscherte wieder in das lauernde Wasser zurück, während die silbernen Kreise seines Sprunges weiter und weiter liefen, bis ihre letzte Welle mit einem schwermütigen Geglucks an die alten Baumwurzeln schlug. Und weil die Schnepfe hier am liebsten strich, der Hahn am schwierigsten anzugeh'n war. hatten die gnädigen Herren von Lorowitz gerade an den Saum dieses Waldes ihre Jagd- Hütte hingestellt: mitten in den Ginster und wilden Kümmel hinein, der von der Oedung Petrowitz seine goldenen Wellen gegen den Teich schlug.Die Schweighütte" nannten die Bauern das aus Fachwerk gezimmerte Häuschen. Aber der Name lautete beileibe nicht auf das Schweigen zurück, mit dem die Jäger hier das Wild anschlichen. Er kam vielmehr über allerhand dunkle und wüste Abenteuer her. die hier einen schmutzigen oder traurigen Abschluß gefunden. Natürlich �chr für die gnädigen Herren von Lorowitz. Diebeutelten sich immer wieder ab". Und schließlich, wer war dabei ge- Wesen? Nicht nur die gnädigen Herren, auch die armen Opfer ihrer Vergnügungen hatten allen Grund zu schweigen. Vier, fünf Monate nach einem solchen Ja�dvergnügen mußte meist eiki Heger oder sonst ein herrschaftlicher Diener heiraten, ob er nun wollte oder nicht. Die Braut war natür- lich immer eines der hübschesten Mädchen und ihr Vater Plötz- lich in der Lage, ihr eine ganz nette Aussteuer zu geben. Schrie eines Tages das Kind zu früh in der Wiege, rechnete man im Torf auf die letzte Jagd zurück. Und war die Frau aus demKindlbett", bekam sie die ersten Schläge. Daß der glückliche Vater sich nach und nach zuversaufen" begann, war man auch schon gewohnt. Um die Schweighütte aber spielten, wenn nicht gerade gejagt wurde, die Kinder der Heger. Und zuweilen geschah es wohl, daß eines der Kleinen sich auf die Zehen hob, um durch die grünen Läden zu blinzeln, was es darin wohl geben möge? Sprach der Vater doch so oft von dieser Hütte, und so oft er davon sprach, bekam die Mutter Schlägel Wenn man aber hinein sah. war niemand drinnen. Niemand und nichts, als ein paar dickbäuchige Flaschen, die noch von der letztenJa�d" her auf dem Tische standen. Da sollte so ein blonder, wißbegieriger Bubenkopf klug daraus werden? Und so kletterte der Kleine wieder herab und spielte weiter, glücklich, ahnungslos, unter den Fenstern der Schweighütte". lSortsetzung folgte (JJaflirnd derlottn.l lf1 Die Mcirterin. Me ein Irrwisch ivar die Gretel, das Mädel vom Glück» Schuster. Schon über eine Stunde sahen die beiden Burschen, der Joseph und der Paul in der kleinen Wohnstube des Schusterhäusels und erwarteten den Meister, der. wie ihnen berichtet worden war, nur ins Dorf hinunter war, um sich ein bißchen Tabak für die Sonntag- nachmittagspfeife zu holen; aber noch nicht fünf Minuten hatte das Quecksilber auf einem Fleck verharren können. Erst mußte sie. nachdem in der Küche die Arbeit getan war. sich am Ofen, dann am Tisch zu schaffen machen, der bereits für den Vesperkaffee gedeckt wurde. Als sie damit fertig war, gefiel ihr die Anordnung der billigen Porzellanfigürchen, der künstlichen Blumensträuße, Bilder und Kästchen auf der Kommode nicht, daß sie daran herumhantieren, die Söchelchen hier hin und da hinstellen muhte, um neue Wirkungen auszuprobieren. Das bot so schöne Gelegenheit, den neuen Gast, den sie nur selten uich flüchtig gesehen, von dem sie aber öfter schon gehört hatte, heimlich in dem gold- gerahmten Spiegel, der übci: der Kommode hing, genauer zu be- trachten, ihn auch einmal, wenn er solchen Blick im Glase auffing, kokett herausfordernd anzulächeln. Plötzlich war ihr eingefallen, daß sie in den Schubladen etwas hatte suchen wollen, kramte bald in dem einen, bald in dem an- deren, warf alles durcheinander und fand doch nicht, was sie brauchte, Und immer war das Plappermäulchen in Beivegung, im Tonfall nicht aufdringlich und schrill wie bei Weibern, die den Mund viel Scbrauchen; ihr Reden ging vielmehr hell und einschmeichelnd, von lbernem Auslachen unterbrochen. Von allen und allem und über alles wußte sie etwas, dah es das Aussehen hatte, als sei sie ein kluges Mädchen; sie prahlte ein wenig mit dem, was sie konnte und wie sie war, aber doch immer so, daß man ihr gerne zuhörte. Jetzt stand sie mit dem Rücken gegen das Fenster gelehnt, die Allbogen nach hinten auf das Fensterbrett gestützt, so daß die Brust voll und rund unter der dünnen Blaudruckjacke hervortrat. Unter den naiv bewundernden Blicken beS Tischlersohnes, der kaum ein Wort hervorbrachte und sie nur immer ansah, drehte und wandte sie sich mit zierlicher Grazie hin und her, sich wohl bewußt, daß sie mit jeder Bewegung neue Reize ihres schlanken Mädchenleibes enthüllte. Gar nicht sattsehen konnte der Paul sich an dem hübschen Mädchen, das seine Sinne vom ersten Augenblicke an gefangen genommen hatte. Immer wieder glitten seine bewundernden Blicke über das volle blonde Haar, in dem oas, am Nachmittag heller und silbriger gewordene Novemberlicht spielte, über die feine Pfirsich- samtene Rundung der Wange und des Kinns, über die in sanfter Linie abfallenden Schultern, über die runde Brust, über den ganzen, wie eine Gerte biegsamen Körper. Ein seltsam schweres und den- noch so unsäglich süßes Gefühl war in dem noch völlig naiven Burschen wach gworden, der bisher gewöhnt gewesen war, in allen Mädchen nur Menschen schlechthin, nicht Geschlechtswesen zu sehen. In der Stube hatten die beiden Burschen, als sie kamen, nie» mand getroffen. Grau wie Staub lag das trübe Novemberlicht, das durch die Scheiben der kleinen Fenster fiel und in der Wasser- kugel auf dem Schustertisch sich spiegelnd brach, auf den Möbeln, auf allem Arbeitsgerät des Meisters, der feine Werkstatt in der einen Fensterecke aufgeschlagen hatte, und gab der kleinen Stube ein ödes Aussehen. Das Klappern von Tassen und Tellern, das aus der Küche über dem Hausflur herüberklang, verriet dem Joseph, wo eine Menschen- seele zu finden war. Als er die Tür zur Küche öffnete, rief die Grete ihm, ohne sich umzusehen, über die Schulter zu: 's is niemand d'rheeme!" Sein Sie niemand?" lachte der Joseph und kniff sie neckend in den bloßen Arm. Rasch drehte sie sich nach dem Kecken um: Ach, Sie seins! Das hätt' ich mir denken können!" Warum denn,?" So unverschämt is sonst keiner nich!" »Na, na! Wenn man so hübsche Arme sieht, da.wird man halt so!" Was gchn kenn Sie meine Arme an,?" 's freut sich doch a jedes, wcnn's so was Hübsches sieht!" Sehn Sie amal da, meine Hand," und sie hielt ihm ihre nasse Rechte unter die Rase,die is noch viel hübscher, und die können Sie gleich zu fühlen kriegen!" O jemersch," rief der Joseph scherzend und zog sich vor der Resoluten nach der Tür zurück,da mach' ich lieber lang!" Beim Rückwärtsgehen trat er dem Paul, der erst draußen geblieben, bei dem Wortwechsel der beiden aber durch die offen gebliebene Tür getreten war, unversehens auf die Füße, daß der ihm mit einem Fluche einen Puff in den Rücken gab. Jescs, das war'n wohl Deine Hühneraugen, na gell?" Auf wem's seinen Füßen machen denn Sie Landpartien?" fragte die Grete, die erst jetzt den Burschen bemerkte. Kennen Sie'n nich,?" Da ging ein Erkennen wie freundliches Lachen über ihr Geficht: Ja." rief sie,der Rothcr Paule, gelt?" Nu freilich!" Nasch trocknete sie die Hand an der groben Sackleinewand- schürze ab, die sie bei ihrer Arbeit vorgebunden hatte, und reichte sie, ein verführerisches Lächeln um den hübschen, roten Mund, dem verlegenen Burschen. Guten Tag." sagte sie und schüttelte kräftig seine etwas derb zugreifende Tatze, ohne mit einer Miene zu verraten, daß sein Druck sie schmerzte.Das is aber hübsch, daß Sie auch amal zu uns kommen!" Dabei sah sie ihn lange mit leuchtenden Blick an. In den Gesichtern der beiden stieg langsam ein leises Rot auf, das noch dunkler wurde, als der Joseph neckend rief: Na, na, verguckt Euch ock nich!" Da ließen sie voneinander. Dieser Blick hatte es dem Paul angetan, und während der Stunde, die sie nun schon da waren, hatte er ihn immer Wieoer suchen müssen, bis ihm die Grete ihn von neuem schenkte. Twnn war wieder das tiefe Rot in seinem Gesicht. Der Joseph hatte längst gemerkt, was in dem jungen Burschen vorging, und mit hämischer Freude dachte er: Wenn das die Meisterin wüßte, na he! Was die ock sagen tät! Und sein zweiter Gedanke galt dem Glück-Karl. Er kannte jetzt die Geschichte des Rother-Hauseö bis ins einzelne und wußte. wie da? Herz des Freundes nach Rache schrie. Hier sah er einen Weg für diese Rache. Ter Paul und die Gretel Wenn die ein Paar würden, mußte das für die Meisterin der Tod sein! Er vermochte es kaum zu erwarten, bis er mit dem Freunde diese neue Wendung besprechen konnte und sah nach der Uhr. Gelt, der Vater bleibt lange?" fragte die Grete, die diesen Blick des Joseph bemerkt hatte. Ach, ich kiab' ja Zeit!" meinte der Paul und sah sie an. Die kranke Mutter hatte er völlig vergessen. Ich mutz doch amat sehn, ob er nich bahle kommt I" meinte der Joseph, dem daran lag, den Freund schon vorher zu der» ständigen, und stapfte zur Tür.