300, zu einem Festmahl laden und einzeln, tvie sie kamen, er-drosseln. Die Truppen hatte er vorher unter einem Vonvande ausder Stadt zu entfernen verstanden. Darauf schickte Karamanlieine Gesandtschaft mit reichen Geschenken— dem Eigentum derErmordeten— zuni Sultan nach Konstantinopel und erwirkte da-durch für sich und seine Familie die Würde eines„De Ys"(Re-genten) für Tripolitanien! Damit war dieses aus einer Provinzein türkischer Schutzstaat geworden. Die Seeraubereien der Tri-politaner aber hörten nicht auf, und die Strafexpeditioncn dereuropäischen Seemächte wiederholten sich. Daß diese nordafrikani-scheu Raubstaaten so lange, wenn auch unter gelegentlichen Züchti-gungen, ihrem schlimmen Gewerbe nachgehen durften, erklärt sichaus dem Mangel an Solidaritätsgefühl bei den europäischen Re-yierungen; jede suchte Sondervorteile für sich herauszuschlagen. Inder Karanianli-Dynastie herrschten Streitigkeiten und Mord. 1793gelang es einem Wenteurer, namens Ali Bugul, der im Einver-ständnis mit der türkischen Flottenleitung handelte, die Karamanliszu vertreiben; mit tunesischer Hilfe aber gewannen sie die Herr-schaft bald wieder.Während der Expedition Bonapartcs nach Aegypten war derDeh von Tripolis geheimer Bundesgenosse der Franzosen, und esscheint, daß Bonaparte zeitweise den Gedanken erwog, seinen Rück-weg nach Frankreich die nordafrikanische Küste entlang über Tri-ipolis zu nehmen. 1819 unterwarf sich der Dey den Bestimmungendes Aachener Kongresses von 1818, wonach Seeräuberei und Skia»Venraub im Mittelmeer aufhören sollten. Davon hatten auch diekleinen Seestaaten— zu denen damals u. a. Preußen und dieHansestädte zu zählen waren— Vorteile. Indessen hatte der Deynicht mit den Neigungen seiner braven Untertanen gerccbnet, dievon dem alten, ihnen liebgcwordenen Gewerbe nicht so ohne wei-leres lassen mochten. Noch 1826 wurden drei Schiffe, die die päpst-liche Flagge führten, gekapert, und es bedurfte des Erscheinenseines französischen Geschwaders, die Herausgabe der Schiffe zu ver-anlassen.Auch die Stellung der Karamanlis im eigenen Lande war in-Zwischen schwach geworden, und die Empörungen hörten nicht auf.1831 empörte sich der Häuptling des Nomadcnstammes der UledSliman, Abd el-Dschclil, und bemächtigte sich Fessans. Gleich-zeitig lvar ein englisches Geschwader vor Tripolis erschienen, umden Dey Jussuf an die Bezahlung von Schulden an englische Gläu-biger zu„mahnen". In seiner Geldnot ließ Jussuf sich verleiten,die Bewohner der Mschia, der Umgebung von Tripolis, die bishergegen Leistung von Kriegsdiensten abgabenfrei gewesen waren, zubesteuern. Die machten dagegen sofort Front und belagerten Tri-polis. Die Empörung dauerte an, und nun griff die Pforte, vonEngland ermutigt, in die tripolitanischen Wirren ein. Sic sandte1835 eine Flotte mit 6000 Mann Landungstruppen, ließ alle Kara-rnanlis nach Konstantinopel in die Verbannung führen und erklärteTripolis wieder zur türkischen Provinz.Für die Entwickelung der Provinz geschah auch nach diesen Er-eignissen nichts. Die türkische Verwaltung begnügte sich damit, vonden Oascnbauern soviel Steuern, wie nur irgend möglich zu er-pressen; die Nomadenstämme und Bergvölker wußten sich diesemDruck zu entziehen. Die türkislbc Beamtenschaft Tripolitaniensbestand zumeist aus Leuten, die sich anderwärts als unfähig er-wiesen hatten, oder zur Strafe hierher versetzt worden waren. Mitdem Falle der alten Türkei brach freilich auch für Tripolitanieneine neue Zeit an, und die Ansätze für eine bessere Zukunft warenauf allen Gebieten erkennbar. Aber nun hat Italien seine Handauf dos Land gelegt. Zum Schluß mag darauf verwiesen werden,daß an der Erforschung Tripolitaniens Deutsche in ersterReihe mitgewirkt und hier die für die Kenntnis der Sahara unddes Sudan wichtigsten Reisen ihren Ausgang genommen haben.Der Deutsche Hornemann durchzog 1798 Tripolitanien vonSiwah nach Mursuk, um dann als erster Forscher die Sahara zudurchkreuzen. Barth durchwanderte das Land auf drei verschie-denen Wegen, 1846, 1849/50 und 1855. M. v. Beurmann ver-folgte 1862 Routen im Südosten, die bis heute nicht wieder be-aangcn worden sind. Einer der besten Kenner Tripolitaniens warGerhard R o h l f s. der es 1864. 1865, 1869 und zuletzt 1879 durch-wandert hat. Eine sehr gründliche Schilderung von Fessan ver-danken wir Gustav Nachtigal, der sich 1869 mehrere Monatein Mursuk aufgehalten hat. Man darf wohl sagen, daß auf deneingehenden Beobachtungen dieser und einiger neuerer deutscherForscher weitaus das Meiste beruht, was wir über die geographi-schen, archäologischen und Pölkerverhältnisse des Landes wissen.Kleines feuilleton.Astronomisches.Die fünf Kometen. Nachdem das vorige Jahr diesenRuhm vorweg genommen zu haben schien, entlvickelt sich nun dochdas Jahr 191l zu einem echten Kometenjahr und wird vielleichtauch noch Gelegenheit geben, außer durch einen besonders gutenWein auch durch die Erscheinung eines großen Haarsterns einewürdige Hundertjahrfeier deS durch beides berühmten JahreS 1811zu begehen. I», ganzen sind bisher in diesem Jahre sieben Kometenentdeckt worden, von denen jetzt fünf gleichzeitig am Himmel stehen,und von ihnen sind zwei bereits mit bloßem Auge zu sehen. Gegen»wärtig bietet der Komet Brooks das interessanteste Schau«spiel dar. Er steht im Sternbild des Großen Bären, und daer bei klarem Himmel mit bloßem Auge deutlich als einStern zwischen zweiter und dritter Größe sichtbar ist, so hates den Anschein, als ob der Schwanz des Großen Bären nunmehraus vier statt aus drei hellen Sternen bestünde. Ein gutes Augekann ihn freilich an dem Besitz eines Schweifes von den benachbartenFixsternen deutlich unterscheiden. Der Schweif ist zurzeit gegenNordosten gerichtet. Professor Nijland tritt nach seinen Großen»Messungen dafür ein, daß die Helligkeit dieses Kometen nicht stetig zu»und abnimmt, sondern unregelmäßigen Schwankungen unterworfen ist.Die Helligkeit des Kometen nimmt jetzt jedoch stetig zu. Der zweiteam nördlichen Himmel stehende Komet hat für die Wissenschaft mehrInteresse als für den Laien. Es ist der am 23. Dezember 1904von B o r r e l I y in Marseilles zuerst gefundene Komet, der damalsnur die äußerst geringe Helligkeit der zehnten Größenklasse besaßund dann sehr schnell noch weiter an Glanz verlor. Trotzdem wurdedamals seine Umlaufszeit auf rund sieben Jahre berechnet und seinWiederauftrctc» in diesem Jahre hat bewiesen, daß diese astro»nomische Leistung ein Meisterstück gewesen ist. Dadurch istes sichergestellt worden, daß der Komet Borrelly in ge-schlossencr Bahn um die Sonne läuft, und so hat sichdie Zahl der bekannten periodischen Kometen von 19 auf 20 erhöht.Dieser Komet war zur Zeit seiner diesjährigen Entdeckung nur vondreizehnter Größe. Jetzt hat feine Helligkeit bis zur siebentenGröße zugenommen. Immerhin ist eS unwahrscheinlich, daß wirvon ihm eine großartige Entwickelung zu erwarten haben.Ander? stehen die Dinge um den am 28. September von Beliawskyan einer kleinen Sternwarte auf der Halbinsel Krim entdecktenKometen, der rasch zum Favoriten deS Jahres geworden ist. Erbietet noch mehr Ausficht als der Komet Brooks, zu einem wirk-lichen Naturtvnnder an unserem Himmel zu werden. Schon am nächstenTage ivurde er in Kopenhagen gesehen, und jetzt liegen bereitsBeobachtungen aus mehreren Plätzen vor. Der augenblickliche Platzdieses Gestirns ist in der Nähe des bekannten Fixstern? Denebolaim Sternbild des Löwen. Es befindet sich aber in rascher Be»wegung nach Osten, und man kann darauf rechnen, daß es über eineWoche am Abendhimmel erscheinen wird. Dieser Komet ist schonjetzt mindestens ebenso hell wie der Komet Brooks. Er besitzt einenbreiten hellen Schweif von �anz anderem Aussehen als der desKometen Brooks. Er hat dre Form einer Parabel, die den Kopfselbst umhüllt, während bei jenem Gestirn ein Bündel auseinanderwachsender Streifen von der Mitte des Kopfes ausstrahlt. Die beidenanderen Konnten, die sich jetzt dem Auge darbieten, sind nur auf dersüdlichen Halbkugel sichtbar.Psychologisches.Experimente mit lateinischer und deutscherSchrift. Zu dem lebhaften Meinungsaustausch über die Vorzügeder lateinischen und deutschen Schrift, der in jüngster Zeit stattfand,steuert Prof. Dr. Groeuouw in der.Umschau" einen interessantenBeitrag bei. Er hat Versuche angestellt, durch die er die Frage be«antworten wollte, welche der beiden Schriftarten leichter zu lesenoder zu schreiben ist. Es wurden möglichst verschieden ge»staltete Versuchsreihen angeordnet, bei denen zwei verschiedeneRomantextc, der eine in Antiqua, der andere in Fraktur gedruckt,vorgelegt wurden. Dabei ergab sich, daß bei einem drei bis fünfMinuten lang dauernden Diktat durchschnittlich in einer Minute34 deutsche und 39 lateinische Silben geschrieben wurden, mitlateinischer Schrift also 15 Prozent mehr; man kann somit lateinischer Schrift in sieben Stunden so viel schreibenwie mit deutscher in 3. Die Versuchspersonen beherrschten natürlichbeide Schriftarten mit gleicher Gewandtheit; nüt einer Ausnahmebedienten sie sich in der Regel der deutschen Schrift. Von dendeutsch geschriebenen Diktaten konnte Professor Groenouw in derMinute 341 Silben, von den lateinischen aber 858 Silben, also5 Prozent mehr, lesen. Ganz so deutlich waren die Unterschiedebeim Lesen von Druckschrift nicht. Beim mechanischen Herunterleseneine« Textes wurde unter 9 Doppelversuchen 7 mal Antiqua schnellergelesen, und zwar 9—50 Silben in der Minute mehr, während aberauch bei zwei Versuchen der deutsche Druck rascher gelesen wurde, undzwar 17—39 Silben in der Minute mehr. Beim lauten Vorlesen er»ergaben sich durchschnittlich 344 Silben von der deutschen Druck»schrift gegenüber 365 von der lateinischen in einer Minute. Imallgemeinen ist die lateinische Schrift also auch hinsichtlich ihrerLesbarkeit der deutschen etwas, wenn auch nur wenig überlegen.Daß sie schneller zu schreiben ist, beruht darauf, daß sie wenigerFederzüge erfordert als die andere, das kleine dentsche a z. B. 6gegenüber nur 2 beim lateinischen. Groenouw konnte 82 deutsche eund 120 lateinische in einer Minute schreiben. Daß die lateinischeDruckschrift von den meisten Personen etwas schneller gelesen wirdals die deutsche, wird auf eine Reihe von Gründen zurückgeführt,vor allem darauf, daß einzelne deutsche Buchstaben, namentlich große.trotz ihre Kompliziertheit sich nur wenig von einander unterscheidenund zum Erkennen daber etwa? längere Zeit beanspruchen._Kerantw. Redakteur: Richard Barth, Berlin.— Druck u. Verlag: vorwärtsBuchdruckereiu.Verlagsanstalt Paul SingeröiCo., Berlin LW.