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Blöglich aber lachte sie aufhell, übermütig, belustigt. wahrer, als das eine Wort Kants , als er die Barmherzigkeit eine Ihr eigener Pfarrer war ihr eingefallen, dieser feierliche Beleidigung für die Würde des Menschen nannte. Dummkopf", wie sie den guten Gallenberg zu nennen pflegte. der die großen Verbrechergestalten der italienischen Renaissance Nicht in diesen Ausführungen eines lebensdurstigen Heiden, Das Geficht! Und er müßt' es tun!" lachte fie in den bewundert( jener gewaltigen Wiedergeburtszeit, da sich die Welt Sommerwind hinein g'rad er!" Wieder dachte sie:" Verkehrte Welt" stutte einen Augenblick vor sich selbst und der eigenen Heiterfeit. Das ist ja, als ob ich närrisch werden sollt'!" Und soweit das bißchen Verstand, den ihr die Leidenschaft noch übrig gelassen, in das Wirrsal hineinsah, schien es ihr selbst nicht anders. Als wenn man die Welt auf den Kopf stellen wollte," dachte sie, oder sich selbst!"
Die Welt freilich ließ sich das nicht gefallen. Schwester und Better würden sich von ihr lossagen. Kein Gutsnachbar mehr mit ihr verkehren. An die weibliche Nachbarschaft wollte sie lieber gar nicht denken, die hatte ihr noch nicht einmal den Unterweger verzieh'n. Aber brauchte sie diese Leute? Hatte sie bisher nur einen von ihnen nötig gehabt? Der Beter lebte in Wien das Leben eines Grandseigneurs. Die Schwester Stiftsdame kam alle heilige Zeit einmal von Nikolsburg herüber, um ihr immer dieselbe Komödie vorzuspielen. Der Lorowitzer hatte kein Recht, sich über andere zu entrüsten. Und er war ihr nächster Anrainer. All die Tugend und hochgeborene Wohlanständigkeit aber, die jenseits der Jaispitz gut aß, jagte, Whist spielte und die anderen verlästerte, die fonnte ihr ja, weiß Gott , gleichgültig sein! Blieben noch ihre Bauern und ihr Pfarrer. Die Bauern fannte man nie recht aus. Lolette glaubte vorauszusehen, daß fie dem legitimen Gatten nun und nimmer vergessen würden, was sie ihren Liebhabern bisher mit einem nach fichtigen Lächeln zugebilligt. Das Volk war gar eigen hierin. Es wollte einen Herrn aber weh' ihm, wenn dieser Gebieter aus Tiefen hervorstieg, in denen das eigene Elend wurzelte. Das war der einzige Herr, den auch die Bauern nicht vertrugen. Jtem... fie mußten es eben ertragen lernen- würden es zulett ertragen, an eine Scholle gebunden, mit der sie belehnen konnte oder nicht. Entwurzelt wollte feiner werden! Blieb noch der Dechant und die wenigen Honoratioren des Dorfes. Der Dechant fonnte allenfalls eine böse Miene auffeßen, aber hatte er sich nicht schon längst ferngehalten, zur heimlichen Kümmernis des alten Preiner? Auch daran sein meine Leut' schon g'wöhnt", dachte Lolette. Und die„ Honoratioren!" Du lieber Gott ... die hingen doch alle mehr oder weniger von ihr ab. Zulegt fiel ihr der Dorfbader ein. Auch der bezog jahraus, jahrein sein Deputat" immer für dasselbe Gebräu, das er ihren Dienst leuten bald zu innerlichem", bald zu äußerlichem Gebrauche" verordnete. Sein Sohn war der Geliebte ihrer Kammerjungfer. So sah die Welt aus, die Lolette auf den Kopf stellen wollte. Je länger sie aber hinsah, desto weniger abenteuerlich erschien ihr dies.„ Ein zwei Jahre," dachte fie und fein Mensch wird mehr davon sprechen. Mit dem Gallenberg aber werd' ich schon fertig werden!"
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Unwillkürlich zog sie die Zügel an, atmete auf, sah
zurück.
Im grellen Mittagslicht funkelte der fupfergededte Turm des„ Fräuleinschlosses" herüber. Dort unter den blühenden Linden stand nun einer, der alles aus ihren Händen erwartete, alles oder nichts. Zu anderem gab er sich nicht her. Darüber hatte er sie nicht in Zweifel gelaffen. Kam fie mit leeren Händen zurück, war für ihn kein Bleibens mehr bei ihr. Sie aber fonnte sich gerade das nicht vorstellen. Und wenn der ganze Znaimer Kreis darüber ins Wadeln geriet. Der, den sie liebte, mußte um sie sein, täglich, stündlich! Wie eine heiße Sturzwelle schlug es um sie zusammen, nahm sie förmlich hinder Gedanke allein... ihn zu be fitzen, von ihm beseffen zu werden.
( Fortierung folgt.)
Ecce homo.
III.
Der Kampf Nietzsches gegen die christliche Moral ist durchaus irdischer Art und wird innerhalb der Vernunft geführt. Er befehdet das Christentum nicht, indem er etwa die reine Lehre gegen die unreine Kirche ausspielt sondern er will die Lehre selbst vernichten, als ob sie eine Macht wäre. Er schnellt seine Pfeile gegen die theoretische Verneinung der Sinne, des Körpers, des bösen Willens, der Macht und Kraft, gegen die christliche Moral mit ihrer Bändigung, statt Bildung des Menschlichen, mit ihrem sozialen Mitleid und ihrer weltflüchtigen Tröftung. Was Nietzsche gegen das Christentum sagt, ist nicht mehr, jedenfalls nicht tiefer und
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bom Mittelalter zu erlösen trachtete), nicht in seinem Antichristentum verrät sich die Erkrankung. Es ist vielmehr eine überfinnliche 3dee, die er orientalischen Märchenträumen entnahm, jene Umgestaltung der Seelenwanderung, die als erstes Kennzeichen der drohenden Katastrophe in demselben Augenblicke sich eindrängte, als er seine tiefste Dichtung schrieb: den Zarathustra", die leuch tenden Psalmen vom Uebermenschen. Diese Idee bricht in sein gesundes Schaffen ein, sie überfällt ihn wie ein übersinnlicher Eput: es ist der ewige Wiederkunftsgedanke. Diese Jdee ist die geistige Auslösung des zersetzenden Gifts in seinem Hirn. Damals, als dieser Wahn in ihm aufzudte, begann das Zerstörungswert. Jn Ecce homo" erfahren wir, mit welch ungestümer Wildheit die fige Idee sich auf den Unseligen warf und ihn allmählich erwürgte. Die Grundkonzeption des Werts, der Ewige- Wiederfunfts- Gedanke, diese höchste Form der Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann, gehört in den August des Jahres 1881: Er ist auf ein Blatt hingeworfen mit der Unterschrift 6000 Fuß jenseits von Menschheit und Zeit." Es war die Offenbarung eines Besessenen.( Was ihm als ursprünglichster und allereigenster Gedanke erschien, war in Wirklichkeit nur die unbewußte Erinnerung eines Erzerptes aus dem Gesetzbuch des Manu!) Mit mächtiger Eindringlichkeit und ganz klar beschreibt Niehsche den Erregungszustand dichterischer Inspiration, die doch bei ihm nur ein Vorspiel ewiger Vernichtung war:
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" Der Begriff Offenbarung in dem Sinn, daß plöhlich, mit unsäglicher Sicherheit und Feinheit, etwas sichtbar, hörbar wird, etwas, das einen im tiefsten erschüttert und umwirft, beschreibt einfach den Tatbestand. Man hört, man fucht nicht; man nimmt, man fragt nicht, der da gibt; wie ein Bliz leuchtet ein Gedanke auf, mit Notwendigkeit, in der Form ohne Bögern; ich have nie eine Wahl gehabt. Eine Entzüdung, deren ungeheuere Spannung fich mitunter in einem Tränenstrom auslöst, bei der der Schritt unwillkürlich bald stürmt, bald langsam wird; ein vollkommenes Außer- sich- sein... eine Glüdstiefe, in der das Schmerzlichste und Düfterste nicht als Gegensatz wirkt, sondern als bedingt, als herausgefordert, als eine notwendige Folge innerhalb eines solchen Lichtüberfluffes... Alles geschieht in höchstem Grade unfreiwillig, aber wie in einem Sturme von Freiheitsgefühl, von unbedingt- sein, von Macht, von Göttlichkeit."
In diesem Rausche entstanden sowohl die Gedankengesänge feines Zarathustra", die alle Seelenlüfte des Menschen gleichsam laffen, wie der Ungebante der ewigen Wiederkehr des Gleichen". unmittelbar in seltenen tief brennenden Wortgebilden aufblühen der der Weder der Krankheit und zugleich ihr Bollender war. Die Menschheit erscheint Nietzsche wie ein ungeheueres Rad, an dem das einzelne Wesen in langsamer Drehung der Jahrtausende immer wieder auftaucht. Alles Lebende war schon einmal und wird einmal wieder sein, ins Unendliche. So ist jeder Mensch ein im voraus bestimmtes und gebundenes Schidjal. Nur eine Wiederkehr eines vordem schon entschiedenen Daseins. Wie diese fire Idee die harte Klarheit seiner Angriffe gegen die christliche Weltanschauung serfplitterte, wie sie zeitlich ihn gerade auf der Höhe gesündester Schöpferkraft überfällt, so vergewaltigt derselbe Wahn von der Seelenwanderung des Gleichen auch seinen Grundgedanken von der Entwidelung des Menschen zu dem edleren Wesen des Uebermenschen, der ja dann auch nur ein wiederkehrender Mensch des Urbeginns fein müßte, also eine, Entwidelung zu immer höheren Gipfeln ausschlösse.
Es ist felten die Möglichkeit gegeben, so scharf in das Zerstörungswert geistiger Erfranfung zu bliden, wie wir es der genialen Selbstbeobachtung Niebiches berdanken: Diese unheimliche Wechselwirkung der kranken Idee, die einem vergifteten Gehirn erwächst, und die dann wieder auch das gesunde Gebiet des Bewußtseins geistig zerfrißt.
schäumenden Anklagen und Beschwörungen des Schlusses aber hat Noch im dritten Abschnitt überwiegt die Gefundheit. In den der Kranke nun jede Herrschaft über sich selbst verloren. Seine Kritik des Christentums wird Verfolgungswahn. Die christliche Moral ist der Feind, der lauernd ihm folgt, voll Gier, die Menschheit zu unterjochen. Aber mit dem Verfolgungswahn verbindet sich der Größenwahn und so wird der Philofoph zum Sieger über den Dämon der christlichen Moral. Warum ich ein Schidial bin. Ich fenne mein 20s. Es wird sich einmal an meinen Namen die Erinnerung an etwas ungeheueres anknüpfen- an eine Srifis, wie es feine auf Erden gab... Ich bin kein Mensch, ich bin Dnnamit." Riebiche hat den Typus Mensch, der bisher als der höchste galt, danamitiert: die Guten, die Wohlwollenden, Wohltätigen. Die Blindheit vor dem Christentum ist ihm das Verbrechen am Leben. Die christliche Moral ist die bösartigste Form des Millens zur Lüge, der Mangel an Natur. Die Entdeckung der christlichen Moral ist ein Ereignis, das nicht seines Gleichen hat, eine wirkliche Katastrophe. Wer über sie aufklärt, ist ein Schidsal ,. er bricht die Geschicke der Menschheit in zwei Stüde . Man lebt vor ihm, man lebt nach ihm." Das Christentum ift die menschenfeindliche Rettung deffen, was von Natur zugrunde gehen soll. Das Kranke, Schwache,