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Kleines feuilleton.

Literarisches.

zusammengetragene Anklagematerial in drastisch gewählten Beispielen mit seinen eigenen Erlebnissen und Erfahrungen wirksam verwoben hat. Wir erkennen da mit erschreckender Klarheit, wie traurig es hinsichtlich des Lesegeschmacks selbst auch noch in den Reihen organi­fierter Arbeiter bestellt ist, und daß noch gewaltige Aufklärungs­arbeit zu vollbringen ist, bis es Licht wird in allen Herzen und Hirnen. Bei dieser Bildungsarbeit wird das Thomassche Schriftchen sehr gut als Pionier zu verwerten sein.

Kunft.

e. k.

zbischen steinernen Waffen und Werkzeugen und solchen aus Holz, Horn, Muschel, Knochen u. dgl. kaum anders gewesen sein als bei den steinzeitlichen Menschen der Gegenwart oder einer doch mur wenig zurückliegenden Vergangenheit. Das sind die Urbewohner Amerikas  , von denen nur die vorkolumbischen Kulturzentren von Du sollst deinen Geist nicht töten!" Ein Beitrag Beru und seiner Nachbargebiete, von Mittelamerika  ( Azteken  , Maya usw.) und die Bewohner des Gebietes der großen Seen Me- zur Bekämpfung der Schundliteratur. Von D. Thomas( Frant­talle kannten; das find ferner die Bewohner Australiens   und des furt a. M., Buchhandlung Volksstimme. Preis 15 Pf.). Der Kampf­ruf gegen die Schundliteratur, seit Jahren von wahrhaftigen Volts Stillen Ozeans und bis zur Eroberung Sibiriens   durch die Russen freunden erhoben, hat nie lauter getönt als heute. Alles rüstet sich auch manche der Hyperboreer. Gegenwärtig sind die ursprünglichen zum Befreiungskriege, der für die Erlösung des Menschengeistes Verhältnisse bei allen diesen Völkern bereits stark verwischt, doch unternommen und hoffentlich zu einem großen Siege führen wird. geben wenigstens unsere ethnographischen Museen noch ein gutes unter den zahlreichen Alarmschriften, die bis jetzt erschienen sind, Bild der alten Zeit. Pflichtschuldig muß man da gestehen, daß der steht die obige Broschüre unseres Frankfurter   Genossen Thomas Stein als Klinge für Art, Hacke und Messer zwar sozusagen nicht wahrlich nicht zuletzt. Ja, sie ist die erste, die die Materie: Schund­fehlt, daß er andererseits jedoch keineswegs beherrschend hervor- literatur vom Standpunkt des sozialistischen   Proletariats aufgriff tritt. Herrschend find vielmehr bei den Steinzeitvölkern der und behandelte. Sie verdient Massenverbreitung schon allein des Tropen Holz und immer wieder Holz, bei denen der Arktis der wegen, weil Thomas das bereits anderweitig fleißig und reichlich Knochen. Zur Erklärung der auffallend großen Massen von Stein­geräten, die in unsere Urgeschichtssammlungen gewandert sind, muß man zunächst die immerhin beschränkte Verwendungsdauer eines folchen Stückes, vor allem jedoch die lange Dauer der jüngeren und noch mehr der älteren Steinzeit in Rechnung ziehen. Die Technik der Steinbearbeitung ist zunächst nichts weiter als eine bloße Weiterführung des tertiären Aneinanderschlagens zweier Feuersteinstücke. Aus den erzielten Splittern suchte man fich dann heraus, was man für seine Zwecke brauchte. Erst nach und nach wird die Arbeit zielbewußter geworden sein; unter Be­rücksichtigung der immer besser erkannten Strukturverhältnisse des Materials hat man begonnen, beim Schlag bestimmte Richtungen Ferdinand Hodler.  ( Ausstellung bei Paul Cassirer.  *) zu bevorzugen und erprobte eolithische Gebrauchsformen abjichtlich Diese Ausstellung von Werken Ferdinand Hodlers hat unendlich nachzubilden. Dabei ist der Mensch in den verschiedensten Erd- mehr an künstlerischen Freuden und rhythmischen Kräften zu ber­gegenden zu einem förmlichen Universalinstrument gelangt, einem geben, als so manche Bilderparade bon tausend und mehr Nummern. derben Steinteil von der Form einer Mandel, der ungestielt ge- Sie ist besonders interessant durch die Arbeiten aus der Jugendzeit handhabt wurde, dessen Kante aber dabei in fast allen ihren Teilen des Malers. Wir sehen, wie schon in den unbeholfenen Anfängen verwendbar war. Das ist der berühmte Faustteil von die Größe dämmert. Er war ein Fertiger auf jeder Stufe feines Chelles  , einem Fundort in der Nähe von Paris  , nach dem Reifens. Er malt 1876 das Bildnis einer Frau( 6); die Askese, die man die gesamte Kulturstufe als Chelléen bezeichnet. Er ist, je nur das Notwendigste gibt, die zurüdgestimmte Farbe, der schlichte nachdem man ihn anfaßt, als Bohrer, Schaber, Kraker, Meffer, und doch ganz persönliche Zusammenklang von Grau, Braun und Hammer, furz, zu so ziemlich allen Gebrauchsmethoden verwert- Schwarz, das ist wie ein Reimen des Monumentalen. Oder: ein bar, die für den Steinzeitmenschen in Frage gekommen find. fleines Bildchen( 9), eine Mutter, die ihr Kind auf dem Schoß hält An diesem Chelléenteil ist zweierlei bemerkenswert: erstens, und füttert; die feusche Innigkeit, die zwischen den Figuren webt, daß man gerade ihn so lange für das älteste Kulturelement der das berwaschene Blau der Bluse, das herbe Rosa des Kinderkittels Menschheit hat halten können; sodann, daß er in so vielen Teilen man fühlt die Anfänge jener Bilder, die das Kind als ein der Erde wiederkehrt. Jene erste Ansicht hat tatsächlich bestanden Heiligtum der Welt gestalteten. Zu dieser Art gehört auch( 24) ein bis zum Aufkommen der Eolithenlehre, also bis in die lebten Mädchen in blauem Gewand, das auf einer Wiese Blumen pflückt; Jahre hinein. Zwar hatte der Franzose Gabriel de Mortillet  , der 1887 gemalt, verheißt es Offenbarungen, wie den Frühling" von Begründer der gesamten altsteinzeitlichen Typenlehre überhaupt, 1901( 40). Auf leuchtendem Grün, das mit gelben Blumen besät die Forderung des tertiären Vorläufers sowohl des Menschen wie ist, fniet ein Jüngling, rein und hell wie das Leben am Morgen, auch des Chelleenkeils bereits seit langem erhoben, doch fehlte ihm seine Augen sind weit geöffnet, sie schauen das Wunder des Wachs­jenes erdrückende Tatsachenmaterial, das in unseren Tagen den tums, sein Fleisch ist feucht vom Tau, es spannt sich in Erwartung, Belgier Rutot zum Hauptträger der neuen Lehre gestempelt hat. Die brennend roten Lippen öffnen sich zu einem halb erschrockenen Troß alledem bleibt es erstaunlich, wie man ein Instrument, das Ruf. Vor ihm ein Mädchen, beinahe noch ein Kind, wie von einer ästhetisch wie technisch gleich vollkommen erscheint, auch nur einen Vision ergriffen, mit geschlossenen Augen, mit geängsteten Händen Augenblick lang als den Anfang jeder menschlichen Steintechnik hat den Knaben, den Unbekümmerten, abwehrend, mit all ihren zarten, ansehen können. Man darf angesichts beider Vorzüge vielmehr zerbrechlichen Gliedern den Frühling erlebend. Dies Bild ist wie mit voller Seelenruhe behaupten, daß der Weg, den die Mensch- ein Sakrament des Erwachens aus dem Schlaf des Unbewußtseins heit vom ersten wirklich beabsichtigten Schlag bis zur Vollendung zum Musizieren des Blutes. Es ist als Musit, als ein Schwingen Des Chelléenteils zurückgelegt hat, ungleich länger gewesen sein von blauen Tönen und suchend sich meidenden Linien zu empfinden. wird als der Weg vom Chelléen bis zur hydraulischen Riesenpresse Grobfühlige Leute haben solch seliges Schalmeien wohl ein Haschen im modernsten Stahlwerk: nach Effekten und eine perverse Manie gescholten. Sie find indes Die andere Eigentümlichkeit der weiten Berbreitung des tief in Hodlers innerster Natur gegründet. Schon 1887 malle er Chelléentyps schneidet ohne weiteres wieder die Frage nach der ein ähnliches Geschehen, den Dialogue intime", die Zwiesprache selbständigen Erfindung oder der Entlehnung an. eines flüggen Knaben mit dem Licht der Sonne. In Nadtheit hebt sich der herbe Körper, als zögen ihn die sehnenden Hände empor. Diese Hände voll wundervollen Lebens sind wie Stimmen, die blauenden Weben Antwort geben. Die Landschaft, die sich hinten spannt, spielt dazu im zartesten Moll.

Unsere Kenntnis von den Vorläufern des Chelléenfeils bis ins tiefe Tertiär zurück, sodann der Umstand, daß die Entstehung der­artiger Formen an feine bestimmte Zeitlage gebunden ist, sondern daß fie bei den Australiern, neben anderen primitiveren und zu­gleich auch vollkommeneren Formen, noch heute in vollem Gebrauch stehen, während sie bei uns um vielleicht Jahrhunderttausende zurückliegen, führt uns heute zu einem gerade entgegengesezten Ergebnis. Wenn, so muß man folgern, dieser Keil nirgends den Anfang darstellt, wenn er vielmehr überall erst das Endglied einer äußerst langen Entwickelungsreihe bom primitivsten Eolithen her auf ist, so läßt dies nur den Schluß zu, daß seine Wurzeln, genau wie die der gesamten bewußten Steintechnik selbst, bis in die Anfänge des Menschentums zurückreichen. Die Kenntnis ist dann zugleich mit den schweifenden Horden über die Länder hingewan­dert, wobei die einzelnen Trupps, Völker und Rassen sozusagen ganz von selbst, oder richtiger durch ein Zusammenwirken des fast überall gleichen Materials, des gleichen Gebrauchszweckes, vor allem aber der überall gleichgestalteten, den Gebrauch des Werkzeuges vermittelnden Hand auch zu den gleichen Formen gelangt find. Das ist beim Europäer schon sehr früh geschehen; beim Ostasiaten vielleicht gleichzeitig, oder früher oder später; bei vielen Natur­bölfern erst lange, lange nach jenen. Bei allen aber doch mit der­jelben Naturnotwendigkeit, möchte man sagen.

Diese Steintechnik mit ihren alten Erzeugnisformen ist also ein wirkliches Kulturelement der Menschheit; es ist ihr allgemein eigen und bringt überall dieselben oder wenigstens ganz ähnliche Formen hervor.

Berantw. Nedakteur: Richard Barth  , Berlin  .

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Eine Welt für sich sind die Landschaften, wie sie Hodler aus Er zeigt einen See nicht anders als der Alltäglichkeit erwählt. andere Seen, Felsen, die vielen gleichen. Was er aber daraus ge­ftaltet, ist ein Stonzert in Chören. Er malf den Genfersee  ( 44); die blaue Fläche scheint zu atmen, die Ufer umfangen sie wie ein ge­schliffenes Gefäß; eine funkelnde Klarheit strahlt auf. Er zeigt den jungen Wald( 42) und heißt sein Bild Waldlied"; die dünnen Stämme grau und mild, quellend vom steigenden Saft, raunen und fingen ihr Morgenglüd, ihren Sonnentraum. Die Blätter wiegen sich leise, gestreichelt vom Wind; die Sonne rieselt: es schwingt ein Jauchzen gläserner Glocken durch die Geburt des Tages. Und dann das Hochgebirge; Hodler   malt das Grollen der Felsen, das Donnern der Lawinen, das Leuchten des Schnces. Er malt die stumme Dramatik des Gesteins, ohne irgend welche Sentimentalität, ohne Lyrik, mit der Kraft des Urgewachsenen, als die Heimat des Sturmes und der blauen Schatten, die tief hinab bis auf die Sohlen der Täler fallen.

R. Br.

*) Viftoriaftr. 35. Geöffnet von 10 bis 6 1hr, Sonntags bon 10 bis 3 Uhr. Billetts stehen zum ermäßigten Preis von 25 Pf. den Gewerkschaften im Bureau des Gewerkschaftshauses zur Verfügung. Einzelne Karten werden bei Vorzeigung des Mitgliedsbuches im Zigarrengeschäft von Horsch ausgegeben. Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u: Verlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin   SW.