weiften Stämme huldigen der Menschenfresserei» die ja im äquatorialen Afrika   viel weiter verbreitet ist, als man früher angenommen hat. Nicht kannibalisch scheint nur die Bewohnerschaft de? äußersten Nordens zu sein. Hier, in dem unS abgetretenen Winkel östlich von Garua, im Tal des Mao-Kebbi und der Tuburiseen, sitzt allein eine dicht zu nennende Bevölkerung: die Mundang, ein kräf- tiger und räuberischer Stamm, aus dem aber bei zweckmäßiger Behandlung wohl etwas Gutes zu machen wäre. Um die durch Mauern und Türme befestigten Städte dehnen sich Vororte aus, so daß Siedelungen von 10 000 Menschen und mehr entstanden sind. Die einzelnen Gehöfte sind so gebaut, daß sie nachhaltig verteidigt werden können. Hauptsitz der Mundang ist Lere. Sie treiben eine umfangreiche Vieh- und Pferdezucht und bauen Mais und Reis in Mengen an. Die Religion der Mundang scheint ein Mondkultus zu sein. Bei jedem Erscheinen des nächtlichen Ge- stirns schlachtet man im Dorfe ein Rind, um sich den Mond günstig zu stimmen. Bei Mondfinsternissen herrscht der auch von ander- wärts bekannte Glaube, ein wildes Tier wolle die Göttin fressen, und um es zu verscheuchen, schlagen die Ortszauberer die Trom- -mein und wirft sich das Volk schreiend nieder. Natürlich hilft das stets. Es äußert sich hier indessen schon der Einfluß des Islams der benachbarten Fulbesultanate Borna   und Adamaua; die Mundangfürsten wollen hinter ihren zivilisierten Fulbekollcgen nicht zurückstehen, umgeben sich mit einem ähnlichen Hofstaat und werden selber Mohammedaner. Ein interessanter Stamm, der weiter südlich, außerhalb der alten Kamerungrenze, in vielen Unterabteilungen eine weite Ver- breitung hat, sind die Baja, die nach neueren Beobachtungen gleichen Ursprungs sein sollen, wie die bekannten Niam-Niam des oberen Nilgcbiets. Wie diese, so huldigen auch sie dem Kanniba- lismus. lieber die eigentliche Ursache dieser Sitte bei den Baja und ihren Nachborn ist der französische   Reisende Lenfant zu einem neuen Ergebnis gekommen. Die Schwarzen sagten ihm dort, sie töteten Menschen" um sich denschlechten Geschmack" aus dem Munde zu vertreiben, d. h. um gesalzene Nahrung zu gewinnen. Das Bedürfnis nach Fleischnahrung in einem Gebiet, wo die Tsetsefliege die Viehzucht unmöglich mache und wo das Salz durch Pflanzenasche nur einen mangelhaften Ersatz finde, müsse Arthro- pophagie zur notwendigen Folge haben. Das Fleisch des Europäers werde dem Fleilch der Schwarzen vorgezogen, denn ersteres sei salziger, schmecke also besser. Die deutsche Verwaltung wird nun also wohl den Versuch machen, durch Heranschasfen von Schlacht- Vieh aus den vorhin erwähnten nördlicheren Gegenden die süd- lichen Stämme von ihren kannibalischen Neigungen zu befreien. Lenfant hatte da? auch schon seinen Landsleuten empfohlen. Die Baja verbindet mit einer Anzahl anderer Stämme eine Art von Esperanto, die Labisprache, die überall, wenn auch nicht von sämtlichen Eingeborenen, so doch von einem gewissen Prozentsatz unter ihnen verstanden wird. Mit dieser Sprache hängen die komplizierten Knaben, und Jünglingsweihen zu- sammen, die unter diesen Stämmen üblich sind. Wir haben dar- über einige Beobachtungen von dem schon genannten Komman- danten Lenfant. Die Labisprache ist die Umgangssprache der Kna» ben, die ihre geistige und körperliche Ausbildung und Abhärtung durch bestimmte Lehrer erhalten; von diesen werden sie mit jener Geheimsprache bekanntgemacht und angewiesen, sich während ihrer Borbereitungszelt niemals ihrer Muttersprache zu bedienen. Ein solcher Bajajüngling versteht also nicht mehr oder darf nicht mehr verstehen, was ihm seine Angehörigen in ihrer Sprache sagen, er darf auf keine Frage antworten. Der Zweck des Erlernens soll die Uebung und Ausbildung der Geisteskräfte sein. Entstanden ist die Sprache aus einer Anzahl wohl künstlich geschaffener Grundwörter, zu der den verschiedenen Dialekten entlehnte Wörter und Aus- drücke hinzugenommen sind also umgekehrt wie bei unserem Esperanto. Auch jene Erziehungsperiode selbst wird als Labi be- zeichnet. Die Labierziehung wird nur solchen Knaben zuteil, die schon zu einem gewissen Maß von Hoffnungen berechtigen. Denn der Zweck ist, Männer heranzubilden, die später durch ihre körperliche Kraft, Tapferkeit, Gewandheit und Klugheit der Gesamtheit nützen sollen. Die dann ausgewählten Knaben vereinigen sich zu von Lehrern geführten Gruppen, die im Busch leben und sich zum größ- ten Teil auch selbst ernähren müssen. Der junge Labizögling lernt jagen, fischen, die Tiere des Waldes überlisten, trotzt den Gefahren der Natur und soll dadurch mutig und gewandt werden. Gleich- zeitig stählt er Körper und Geist durch Nachtwachen und An- strengungen, vornehmlich in langen nächtlichen Tänzen. Tagsüber übt er sich im Bogenschießen und Speerwerfen, jagt, fischt, stellt Fallen und verschafft sich seine sonstige Nahrung. Außerdem unter- ziehen sich die Knaben mühsamen Arbeiten, wie dem Abhauen von Brennholz, das sie an den Kreuztvegen für die Frauen ihres Dorfes aufhäufen. Um sich den Blicken seiner Stammesange- hörigen, namentlich auch denen der Weiber, entziehen zu können, hat der Labizögling einen langen, seitlich einwärts gekrümmten Schild aus Flechtwerk. Die nächtlichen Tänze haben ihre bestimmte Bedeutung und sind Pantomimen, die die Kraft, die Anmut und die Geschicklichkeit darstellen sollen, die Tanzfiguren stehen in enger Beziehung zueinander. Die erste Erziehungsperiode wahrt etwa zwei Jahre, und während dieser Zeit sind die schwächlichen, ungeschickten oder sonst unbrauchbaren Knaben ausgeschieden. Dann beginnt die zweite Periode, die zwei bis drei Jahre andauert und dieselben Uebungen. doch in noch vollkommenerer Art, mit sich bringt. Sie schließt mit einer Probe der Unerschrockenheit der Jünglinge. Die Dorf« bewohner errichten zwischen dem Dorfplatz und oem nahen Bache einen Gang aus Laub, der verschiedene Hindernisse bietet und zu einer nicht sichtbaren Falle führt. Diese ist ein großes, vom Bache  abgetrenntes Wasserloch, in das die Jünglinge, die sich vorher den ganzen Körper mit Fett und Maniokmehl beschmiert haben und sich mit ihren Schilden bedecken, einer nach dem anderen kopfüber hineingestoßen und wo sie eine Zeitlang unter Wasser gehalten werden. Man zieht sie dann heraus, und jeder erhält vom Lehrer seiner Gruppe einen flachen Speerschnitt in den Leib, der nachher so behandelt wird, daß die Wundränder sich nur schwer schließen und die Narbe für immer sichtbar bleibt. Nach der Prozedur werden Ohren, Augen und Nase der Patienten mit besonderen pflanzlichen Lösungen gewaschen, und der Lehrer stellt ihnen in einer Ansprache das Zeugnis aus. daß sie die Prüfung bestanden haben. Darauf folgt ein großes Fest, bei dem die älteren LabiS Tänze aufführen. Die Novizen aber wandern, von ihren Schilden gedeckt, wieder in den Busch, wo man ihnen in der Nähe des Dorfes eine Halbkreis» förmige Hütte mit einem Zaun und getrennten Wohnräumen er» baut hat Hier vollendet sich die Erziehung durch die Unterweisung angesehener Männer in Tanz, Kriegskunst und dergleichen, wobei es"sehr strenge zugeht. Muß jemand das Haus verlassen, so hat er sich sorgfältig hinter seinem Schilde zu verbergen. Nach einer gewissen Zeit ist auch dieser Erziehungsabschnitt beendet, die zungen Leute suchen ihr Dorf auf und gelten nun als richtige Männer. Sie heiraten auch gleich, denn sie finden dank ihrer körperlichen Vorzüge sehr bald ein Weib. Der Vater, dessen Sohn die Labierziehung durchmachen soll, pflanzt vor seiner Hütte einen schnell wachsenden Baum von bestimmter Höhe ein und sagt zu dem Knaben:Wenn dieser Baum so dick ist, wie Dein Arm, dann wirst Du kein Labi mehr sein, sondern ein Mann, auf den wir uns alle verlassen können." Die Baja scheinen aber die von den LabiS erwarteten Vorteile selten zu haben, denn diese stehen trotz ihrer Prüfungen körperlich und geistig wenig über dem Durchschnitt der anderen. Der Gebietszuwachs an der Südgrenze von Kamerun   umfaßt eine Anzahl von Stämmen der P a n g w e oder Fang, wie sie auch im bisherigen Süden der Kolonie anzutreffen waren.(Hier gehört zu ihnen der stets unbotmäßige, schwer zu behandelnde Stamm der Jaunde  .) Einen politischen Zusammenhang haben die Fang nicht; die politische Einheit ist das Dorf, des Dorfhäuptlings Macht reicht selten darüber hinaus. Auch für die Fang ist auf eine Einwanderung auS dem fernen Osten zu schließen. Be» merkenswert ist, daß es unter ihnen keinen Adel, keine Standes- unterschiede und keine Sklaven gibt Verhältnisse, die in Afrika  sehr selten sind. Die verläßlichsten Nachrichten über die Fang ver- danken wir dem deutschen Forscher Teßmann, der sich wiederholt lange unter ihnen aufgehalten hat. Noch auf ziemlich hoher Stufe steht die Eisentechnik, wovon die zahlreichen Schmiedevorrichtungen in den Versammlungshäusern, die Schwerter. Messer, HalSringe usw. Zeugnis ablegen. Das Schmelzverfahren ist eine feierlich» religiöse Handlung, sie steht im Zeichen des Feuerkults. Da ober allerhand Verbote und Aberglauben das Gedeihen dieses Gewerbe» hindern, so verfällt eS, und die Raseneisensteingruben wachsen zu. Interessant sind die religiösen Anschauungen. Die Fang glauben alle an einen Schöpfer, Nsambe, zu dem die Seelen der Verstorbenen nach einem Zwischenaufenthalt in der Unierwelt zurückkehren, aber nicht zu einem ewigen, sondern nur zu eine» zweiten zeitlichen, wenn auch schöneren und längeren Leben. Sin» sie in hohem Alter gestorben, so wirft sie Nsambe zum Himmel hinauf, und diese Seelenleichen fallen dann auf die Erde, wo sie von den Termiten verzehrt werden. Aber diese Seelen sind auf Erden die Vertreter Nsambes, und ihnen gilt ein ausgedehnter Ahnenkult. Da die Seelen wissen, daß die Menschen ihr Andenken pflegen und besonders ihre Schädel aufbewahren und in Ehren halten, so fühlen sie sich verpflichtet, den Menschen Gutes zu tun. Außerdem finden sich bei den Fang in großem Maße Naturkulte, durch die sie vor allem Sonne und Mond, aber auch Tiere feiern. Die Fang sind sehr raffinierte Giftmischer. Will man jemand vergiften, so tut man ihm nicht ein einfaches Pflanzen- gift ins Essen, sondern holt sich ein besondere? Gift vom Zauberer. Dieser stellt es auS den sonderbarsten Bestandteilen her, ähnlich wie die Hexen inMarbeth" den Inhalt ihres Kessels. So nimmt er das Leichengift einer Riesenkröte, zerriebenes Glas oder Glimmer oder Kaurimuscheln, zerriebene Schlangenzähne, die sehr giftigen Haare einer Legumimosenart. Das alles vermengt der Giftmischer in einem Topf. Dazu hat er sich einen ganzen Anzug mit Aermeln aus Rindenzeug, einenLaboratoriumskitlel", zu» sammengenäht, und die freien Stellen an Gesicht und Händen mit einem Pslanzensaft eingerieben, damit ihm die umherspritzenden Glfttteilchen nicht schaden. Das Gist wird dann an Hunden probiert, in Hörnchen getan und für schweres Geld an die Kunden verkauft Anscheinend verstehen es diese Zauberer auch, die dort weit verbreitete Lepra in ihren Anfangsstadien zu heilen. Perantw. Redakteur: Richard Barth  , Berlin. Druck u. Verlag: CorwärtSBuchdruckereiu.VerlagsanstaItPaulSingerj:Co.,BerImLW»