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Jett träum ich nicht mehr Kronen, nicht mehr Kränge, fein Ziel der Sehnsucht, das der Stola gebar. Mich lodt fein Bolt, fein Reich mehr, teine Grenze, mur meiner Kraft glühn muß ich immerdar.
Nur immer schweben, wie der Adler schweben,
den es hinaus ins unbegrenzte reißt,
ich fann nicht wie die Lerche mich bestreben, die flatternd ihre Aderfurche preist. Ich weiß kein Ziel
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An anderer Stelle froblodt er, daß mein Herz die Sehnsucht fand, die große Sehnsucht ohne Ziel." Diese Sehnsucht nach feinem Biel , die Sehnsucht als Gefühl an sich, scheint ihm nun schon die Erlösung des Menschen zu verbürgen:
Was den Menschen entzückt, entsegt, empört, das erlöst ihn, weil's ihn außer sich bringt, weil's ihn mit Leben erfüllt. Und so lernte mein Geist die Zweifel der gwediucht belächeln. Db man lebt für sich selbst, oder dem Ganzen zur Pflicht, benn tein 8 wed gibt kraft, allein der Antrieb begeistert.
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Damit war schon der Abstieg des Dichters vollendet und er stand auf einer Linie mit Formalisten und Aestheten. Was diefen Farbe und Form, war ihm Ekstase und Rausch: das Ding an fich. Mit dieser Sehnsucht ohne Ziel, die wie ein Opiumrausch die Klasse ohne 8iel, bie Bourgeoifie, über ihre Haltlosigkeit hinwegtäuschen foll, war auch Dehmel Dehmel zum Mystiker ges worden. Mit den Füßen stand er nicht mehr auf Erden und mit dem Haupt wandelte er schon in den Wolfen. Aus dieser Sadgaffe leitete ihn auch nicht sein Roman in Romanzen Zwei Menschen" heraus, der nichts weiter war als eine Steigerung des Zyklus„ Die Verwandlungen des Venus": erotische Mystit! In der Bereinigung von Mann und Weib löst sich dem Dichter aller Zwiefpalt des Seins auf. Es mag sehr rührend sein, wenn in den Romanzen Lug und Lea zu den Sternen emporjubeln: Wir Welt 1 aber es ist schließlich, statt der vom Dichter erträumten Titanen haftigkeit, die spießbürgerlichste Begrenzung. Aehnlich wie mit Friedrich Schlegels Roman Lucinde" die Flamme der französischen Revolution in der fleinbürgerlichen Stickluft der deutschen Verhältnisse nur als trüb schwelendes Licht brannte, so ist auch Dehmels erotischer Mystizismus ein Verfuch, im purpurnen Dunkel der Liebesnacht die Augen vor den grellen Widersprüchen des Lebens zu verschließen.
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wird aller Schöpfergeist ebleren Boden empfangen, Frucht gegen Frucht tauschen, Saat gegen Saat, Eat für Lat .
Und will er dazu sein Handlangervol befrei'n,
dann soll auch der rote Karl mi villkommen sein; jeder, der ankommt mit einer lichtfroben Kraft,
bis wir das ganze Erdreich erleuchten, wir Reubauern ichaft!
Den manche für einen schwertgegürteten Sänger ber fozialen Revolution hielten, endet als verionnener Schwärmer für die Gartenstadtbewegung. Ein melancholisches Schidial!
Und ein Abstieg, dem fein Aufstieg mehr folgt. Denn wer im Zeitalter brauiender Großstädte nach stillen Rousseauschen Eilanden fucht, und wer in der politischen Fieberbize des zwanzigsten Jahrbunderts das Schlafmüßenwort einer toten Zeit von dem politischen Lied, dem garstigen Lied neu beleben möchte, welches andere Wort follte auf den zutreffen als die Mahnung: Laffet die Toten ihre Toten begraben! Hermann Wendel
Der Rückgang der Segelfchifffabrt.
Bon Dr. Otto Senft.
Die Zeiten sind vorbei, wo die Klipperschiffe mit riesigen Segels schwingen den Baffagierverkehr der alten und neuen Welt bermittelten, wo in den Vertragshäfen Chinas und Japans und an der westamerikanischen Küste ein Dampfer eine Seltenheit war: heut hat das Dampfschiff die Vorherrschaft, und die Segelschiffe in weiter Fahrt sind auf dem Aussterbretat. Bei Lloyds Register of Shipping , dem größten Klaffifitationeinstitut der Welt, wurden im Jahre 1901/02 noch 43 666 Tons und im Jahre 1910/11 nur 9353 Tons Seglerräumte neu registriert! Tampfer sind eben zwar teurer in Anschaffung und Betrieb, aber unabhängiger von Wind und Wetter, machen deshalb schnellere und vor allem regelmäßigere Reisen, und mit der fortschreitenden Bervollkommnung von Kesseln und Schiffsmaschinen ist auch der Betrieb ständig verbilligt worden. Auf je höherer Stufe die Seefahrt eines Landes steht, desto mehr überwiegt daher in seiner Handelsflotte das Dampfschiff, und die größte feefahrende Nation, die Engländer, besigen infolgedessen nur noch wenig Segelschiffe. Dte deutsche Seglerflotte geht gleichfalls von Jahr zu Jahr zurück, und die einzigen Länder, in denen das Segelschiff in großer Fahrt noch eine Rolle von einiger Bedeutung spielt, find Frankreich und Norwegen ; Frankreich , weil man dort, um diesen Zweig der Seefahrt zu erhalten, den Segelschiffen Bau- und Reiseprämien aus dem Staatsfädel gibt, die es manchmal schon rentabel machen, die Schiffe ohne Ladung in Ballast über See zu schicken, und Norwegen , weil man dort in den legten Jahren eine Anzahl englischer und auch deutscher Segelfchiffe angekauft hat, die unter den billigeren Betriebsbedingungen Nor wegens noch ihr Geschäft machen.
Die Komödie Michel Michael" ist lediglich der lezte Ausfluß diefer Impotenz. In Stritifen wurde sie wohl ein politisches Stüd genannt, aber in Wahrheit ist sie das hohe lied der Nichtpolitit. Ein buntes Menschengewirr wirft Dehmel auf die Bühne, den alten Raiser Rotbart, Till Eulenspiegel , sozialdemokratische Agitatoren, Zentrumstapläne, Landräte, Berg räte, Bergtnappen, und mitten drin Michel Michael, das Urbild, des deutschen Volkes. Was Dehmels Symbolit mit ihm beginnt, das hat der gewiß nicht allzu politische Feuilletonist des Berliner Tageblatts" in fennnzeichnender Charakteristik also wiedergegeben:„ Um ieine Seele raufen sich die Noten und die Schwarzen, die Staatsgewaltigen und die Industriellen, die Pfaffen und die Demagogen. Sie alle werden gulegt in den großen Ofen getan und müssen verbrennen, die schlechten Kerls. Nur Rotbart und Der Rückgang der Segelschiffsflotte wird von vielen Seeleuten Effebard stehen ohne Eigennuß zu Michel, warnend, begütigend, alter und neuer Schule mit Bedauern betrachtet; es wird beermunternd, zwei Adjutanten voll deutscher Kraft( Baß!) und hauptet, daß nur an Bord eines Seglers der fünftige Seemann ach! so deutscher Treue( Bariton!) Unier Michel wacht auf die nötige Schulung der Geisteskräfte und Charaktereigenschaften und da ibm jene angeblichen Freunde, die doch fo erhalten könne, die sein Beruf von ihm fordert, und zuerst in recht eigentlich feine Plagegeister nnd Ausbungerer find, Deutschland und, seinem Beispiel folgend, in Belgien , England, noch einmal lebendig entgegentreten, fchlägt er fie alle in Klumpen. Dänemark sind neuerdings Segelschiffe als Schulfchiffe eingerichtet Siegreich, aber ernüchtert tehrt er heim, zum friedlichen Geworden. In Deutschland besteht seit einem Jahrzehnt der Deutsche werb des Kleinbürgers, zur Stille, zur Natur, zur frucht Schulschiffverein, der zwei Dreimastbollschiffe für die Ausbildung baren Liebe des häuslichen Herdes, zur Volkspoefie. Wer liebt sie von Mannschaften und fünftigen Sapitänen unterhält, und außer nicht, die Volkspoesie und die anderen schönen Dinge? Ein Gedicht dem hat der Norddeutsche Lloyd zwei Biermastbarken in Dienst, bon acht Zeilen, nach dem Kampf des Tages gelesen, ein Gedicht auf denen er sich seinen Nachwuchs an Offizieren heranzieht. von Dehmel , und feufzend schwärmen wir von ihnen. Sie Die Domäne des Segelschiffs ist heute noch das Salpeterfind uns Erholung, dürfen uns nicht mehr sein. Hier aber, geschäft zwischen Chile und Teutichland, und das im vorigen Jahre in dieser Komödie, find fte giel bes Dafeins. bei Dober verloren gegangene Fünfmaftvollschiff Breußen" war Michel Haut mit feinem guten alten Strick zwischen die, die fich befanntlich für die Laeiszsche Reederei dieser Fahrt beschäftigt. feiner bemächtigen wollen. Michel macht auch nachher noch große Die Hamburger Reederei Laeisz ist auch die einzige, die in neuester Worte. Er ballt sogar die Fauft und will auswandern. 8ulegt Beit zum Neubau von Eegelschiffen geschritten ist, indem sie bei aber läuft's doch darauf hinaus: Ma' Rub' will Blohm u. Voß im vorigen Jahr zwei Biermastbarken in Auftrag i hab'n!" So fließt in unseren stürmischen gegeben hat, von denen die eine bereits in Fahrt und die andere in Tagen ein deutscher Sänger, der foziale Betenner der Ausrüstung begriffen ist. Die Kohlenberfrachtung von NeuRichard Dehmel, ein politisches Bühnenspiel, das Südwales nach der Westküste Amerikas , das Holzgeschäft bon uns doch wieder mit Abficht feftklammert an unfere allernächsten Florida , zu einem fleinen Teil der Tatit- und Reisimport, das Sorgen. Ein Beispiel: fogar Moabit" wird genannt." denen das Segelschiff noch fonkurrenzfähig ist. Die Petroleum, find die hauptsächlichsten überseeischen Verkehrsbeziehungen, in Baumwoll- und Getreidefrachten sind dem Segelschiff auf immer verloren, und wie lange es in den obengenannten Handelszweigen fich noch halten wird, das steht dahin: die Eröffnung des Panamafanals wird jedenfalls ähnlich wie die des Suezkanals den Seglern nicht zum Vorteil gereichen, und wenn der Verbrennungsmotor in 10 bis 15 Jahren zu einer in allen Fällen und Lagen brauchbaren Schiffsmaschine entwidelt sein wird, dann schrumpft der Vorsprung, den das Segelschiff in bezug auf bessere Raumausnutzung bor dem durch Maschinen bewegten Schiffe hat, bedeutend aus fammen
Ja, so schließt in unseren stürmischen Tagen ein deutscher Sänger nicht nur ein Bühnenspiel, sondern auch seine dichterische Laufbahn, denn was sollte man noch von einem Boeten erwarten, der seinen Helden folgendes Bufunfisziel" aufstellen läßt:
Ich werde uns ein erdwüchsig Volt zusammenraffen, wir werden uns jeder Haus und hof wieder schaffen,
Erde, auf der wir mit Lust arbeiten und unseren Kindern ein greifbares Stüd Vaterland bereiten; bis in die Stadt hinein wird Garten an Garten prangen,