-
- 898
-
Es konnte dann geschehen, daß Simon hurtig aufsprang| Ruf. Steiniger, ein Schriftsteller, der Kunstempfinden, kritisches Erund vom Hause weglief in den Wald hinaus. Er kam dann fenntnisvermögen und positives Wissen mit Geist, Stilgefühl und immer bei der Gutnau vorbei, und dort betete er ein andäch- alt vereint, hat es verstanden, bei aller durchscheinenden Liebe zu seinem Gegenstande sich vor einseitigem kritiklofen Heroenkult zu be tiges Vaterunser. wahren und nach Möglichkeit sachlich zu bleiben, wenn er auch der Bolemit und Antikritik zu viel Platz in seinem Buche gab. Seine Methode war die alte bewährte: eenes Mannes Rede ist keenes Mannes Rede, man muß fie hören alle beede. Will sagen: er mischte bei der Porträtierung des lebenden Beweises des gottvollen Antiphilisteriums"( Vie) alle Farben gleichmäßig. Zwischen all den sich allein handelt, mögen fachmännische Urteile für und gegen Tatsachen, um deren Auswahl, Ordnung und Erklärungsversuche es Strauß stehen." Wenn Weiß fich als eine Mischung aus allen Farben ergibt, so erreicht der Verfasser auf diesem Wege sicher am ehesten das Weiß der Wahrheit.
Die alte Wittib, der Bärbel Mutter, schalt den Simon, Sem sie jetzt das Haus führte, nicht wenig aus wegen seinem verrückten Treiben. Aber alle ihre Worte liefen ab wie Wasser, und Simon hörte kaum hin. Doch sah er wohl, daß die Alte immer rungliger und schrumpfliger wurde, der Buckel wuchs, so daß ihr Kopf von Tag zu Tag mehr nach vorn zu Boden hing. Sie grämte sich und ihr Harm zehrte sie auf. Wenn sie allein war, greinte sie und eiferte mit Gott, und bei den Leuten schalt und schimpfte sie. Aber viel half ihr alles nicht. Sie schrumpfte immer mehr ein und einmal, Simon war gerade aus dem Walde heimgekehrt, sagte sie zum Waldhüter und goß ihm dazu den Kaffee ein:
Simon, Du mußt Dich bald wieder auf ein anderes Weibsbild besinnen."
Wieso denn?" fragte der Simon und hielt mitten im Trinken inne.
Die alte Wittib gab ihrem Buckel einen Ruck und blies das Feuer im Herde an.
He?" fragte er wieder.
Aeh, bäh, mit mir geht es den Schermäusen zu, Simon, das ists."
Da war es dem Simon, als ob ihn aufs neue etwas Böses ankäme, dann aber lehnte er sich gegen den Gedanken auf, er lachte und sagte:
Ach was, Ihr seid zäh, Mutter, der Knochenmann hat anderes zu tun."
( Fortsetzung folgt.)
( Nachdruck verboten.)
Eine Richard Strauß- Biographie.")
Steiniger gliedert nun das Werk, dessen besonderer Reiz eine wohl lidenlose Galerie von Straußbildnissen vom Säuglingsalter bis zur mißratenen Bauerschen Steinzeichnung Garmisch 1910 sowie intereffante Stichproben und Themen aus 80 bisher unberöffentlichten Jugendwerken sind, in drei Hauptteile: Entstehung und Erfolg der Werke im Zusammenhang mit dem Umriz des Lebens; der fünstlerisch- ethische Charakter im Lichte seiner Zeit und der Tatsachen; die einzelnen Werke. Die Seele und zugleich der Haken" des Buches ist natürlich der zweite( in A.: Die Wege zum Mißverständnis und B.: Die Wege zum Verständnis noch einmal eingeteilte) Abschnitt. Denn hier versucht Steinißer dem Lefer, bei dem er allerdings eine ziemlich gründliche Musikbildung in Literatur, Aesthetit wie Technik voraussetzt, das Verständnis der Straußichen Stompofitionen zu verschaffen. Er rechtfertigt und begründet den Meistern der Kunst von der Schule und dem Dogma zum Ich, zum Straußschen Entwickelungsgang, der wie bei allen selbständigen Selbst führte( bei Strauß von Haydn und Mozart zu Schumann und Brahms , von Liszt , Wagner, Berlioz und Ritter zum selbstherrlichen fluftuierenden Ueber- Sch). Er stößt die Umwelttheorie in Anwendung des Verhältnisses von Strauß zu seiner Zeit um. Er eröffnet an der Hand der Feuersnot", der Elektra " und des " Rosenkavaliers " musifdramatische Perspektiven, spricht flug und erschöpfend über symbolische, philosophische, tommalende, programmatische, über poetisierende und absolute Mufit, er ento wickelt die Grundzüge der Theorie vom musikalischen Neuhören, von der horizontalen Harmonit. Alle diese Gedanken werden in oft fesselnder, oft zum Widerspruch reizender Art abgewandelt. Zahlreich find z. B. die Steinizerschen Wege zum Mißverständnis Straußens. Er rechnet dazu in erster Linie, wie wir schon fahen, die Tagespresse. Unter den negativen Kritikern" erscheinen Köpfe wie die Berliner Spanuth und Weißmann, dann Riemann, Smoliant, Goebler, Brandes, Thomas San- Galli, Weingartner und der neue Wiener Hanslid" Kalbed. Sehr geschadet haben nach Steinitzer dem armen Richard Strauß , der ja immer noch bitter zu tämpfen hat, um sich einige Erfolge bei den Zeitgenossen zu sichern, die falsch gebrauchten Musikführer“ und„ die vier irrigen Epitheta".
21
" 1
Verhältnismäßig früh hat der führende europäische Komponist Richard Strauß eine Biographie bekommen, nachdem verschiedene namhafte Musikschriftsteller, wie Paul Belfer, Urban, Schmitz, Dr. L. Schmidt, Batta usw. Einzeldarstellungen bom Leben, Persönlichkeit, Schaffen Straußens teils enthusiastisch, teils polemisch bereits auf den Broschürenmarkt geworfen hatten. Unsere Epoche intensivsten Lebens und Erlebens, Schaffens und Arbeitens, Genießens und Entbehrens ist mit Recht das Zeitalter der Gil schritte mit feuchendem Atem" genannt worden. Ruhe und Muße, das geistige Verdauen fehlt unserer Zeit. Wir haben zu nichts mehr Beit. Dieses Charakteristikum des XX. Jahrhunderts zeigt sich auch bei der schriftlichen Wertung des Lebens großer Staatsmänner, Geschäftsmann. Diese Beinamen trägt ja bekanntlich Strauß als lehrter, Künstler. Der Geschichtsschreiber, der aus der historischen Berspektive" objektive Lebensgeschichte schreibt, hat fast nichts mehr zu tun. Die Tagesschreiber und glänzenden Feuilletonisten nehmen ihm die Feder ab und veröffentlichen höchft fubjektive Essais und Bücher über Männer, die noch mitten im Schaffen, mitten in der Entwickelung stehen. Bei Hugo Wolf hat der Biograph gewartet, bis der Tod des Künstlers einen der Tod des Künstlers einen zu jammenfassenden Rückblick auf das Lebenswerk und den Menschen gestattete. Was hat dagegen eigentlich heute eine Richard Strauß Biographie für abschließenden Wert, bei einem Musiker, der sich so oft häutet und wandelt, der noch tatkräftig mitten im Strom sich jagender Probleme, Gedanken und Ideen treibt? Ein solches Rebensbild über einen lebendig Schaffenden hat nur problematischen Wert, wenn es nicht, von einseitigem Gesichtswinkel aus gesehen und geschildert, gar Verwirrung anrichtet. Immerhin dürfen wir noch froh sein, daß im vorliegenden Falle nicht ein Berliner ästhetifierender Wortathlet à la Bie die zahlreichen Richtlinien des Strauß schen Wesens im Prisma seiner höchst subjektiven veitstänzerischen Berzückungen verzerrt hat, sondern daß ein süddeutscher Kluger und wissender Kopf wie der bekannte und fruchtbare Freiburger Musikschriftsteller Dr. Mag Steiniger versucht hat, ein nach Möglich feit sachliches Bild vom bisherigen Strauß zu entwerfen.
Das ist ein Kapitel für sich, diese vier irrigen Epitheta. Sie beißen, der Schalt, der Dekadent, der Artist, der Ge flingende Stichmarken in der zeitgenössischen Musikgeschichte. Der Verfasser sucht nun mit einem anerkennenswerten Aufwand von Mut, Wig, Geist und ethischem Ingrimm nachzuweisen, wie falsch diese Beurteilung sei. Daß er z. B. die Schalthypothese zu stürzen ber fucht, wird nicht einmal Strauß selbst recht sein. Denn als Süddeutscher kann und will er die satirischen, humoristischen, eulenspiegelhaft- mutwilligen Seiten seines Wesens ganz gewiß nicht verleugnen, denn sie sind mit die Bausteine zum Dionyfischen, das aus den herrlichsten Liedern und sinfonischen Werken des Meisters so berauschend und beglüdend auf uns ausströmte. Schwerer wiegt das Epitheton: Deladent. Steiniger argumentiert etwas spitfindig: das Beiwort stellt weitergehende Begriffe auf den Kopf und betrügt einen Teil unserer Gebildeten um den geistigen Besitz, der in der Zeitgenossenschaft eines Mannes wie Strauß liegen tönnte. Es ist jener Teil, der irgend einen bürgerlichen Defett für untrennbar von jedem Grad von Genialität hält, einen solchen Defekt also nach berühmten Mustern Lombroso usw. bei Strauß geradezu suchen muß. Man könnte darauf erwidern, daß Dekadenze als Ausdruck und Formel für eine raffinierte, übersättigte Kultur doch wenig mit bürgerlichen Defetten" gemein hat. Und andererseits ist es wohl nicht zu leugnen, daß sowohl Feuersnot" wie„ Salome " in die Sphären normal oder verkehrt serueller Phantasien eingreifen, Die Aufgabe war weit schwieriger, als man glaubt. Denn„ Elektra " aber ebenfalls die Verkörperung eines gestörten weiblichen wenn auch nicht ganz zutrifft, was Steiniger vom„ Straußbild des Trieblebens darstellt, womit die Vorliebe des Komponisten für Zeitungslejers" erzählt, das die deutsche Presse in mehr als viertel dieses abnorme Milieu, das zufälligerweise in der modernen jahrhundertlanger raftloser Tätigkeit ungünstig entstellt habe( Warum? Welt auch sehr marktgängig ist, erwiesen wurde. Strauß Vom Schaffenden darf die Presse nicht zu viel Gutes sagen."" Der der Artist ist im Sinne Nietzsches zu verstehen, bei Presse, die durch unendliches Schrifttum urteilsunsicher und steptisch dem ja bekanntlich artistisch" soviel wie fünftlich konstruiert, mit geworden, fällt es schwer, einen ernsten Menschen ernst zu nehmen; Nachdruck auf der technischen Seite der fünstlerischen Hervorbringung seine Höhenkunst ist ihr unbequem; daher das Verlangen, bedeutet. Nur wer einmal den hochkomplizierten technischen Apparat ihn ein wenig zum Bajazzo herzunehmen."), so ist es doch Tatsache, einer großen Strauß- Partitur als Sachverständiger betrachtet hat, daß das menschliche wie das fünstlerische Charakterbild dieses ebenso wird nicht leugnen, daß man Strauß in diesem Sinne einen Artisten genialen wie exponierten Musikers im Munde der Kenner wie Laien nennen darf. Freilich nicht im Sinne einer verstandesmäßigen mehr schwankt wie das irgend eines anderen geistig Schaffenden von abfichtsvoll auf Effekt und Sensation ausgehenden Entstehung der Werke. Denn hier steht bei Strauß noch die freischöpferische, in den edlen und großen Werken bis inkl. Heldenleben" oft ganz naib un bewußte musikalische Inspiration in erster Linie. Bas schließlich