-
903
der direkt auf Potsdam lautete. In Mainz angekommen, brach ber die Drudlegung versagt geblieben; desgleichen die feiner politle zweifellos dem Wahnsinn nahe Dichter zusammen. Endlich von fchen 2hrif. Doppelt ergreift daher seine wehmütige Klage: tödlicher Krankheit genesen, fam er nach reichlich halbjähriger Ber- Wehe, mein Vaterland, dir! Die Leher zum Ruhm dir zu schlagen fchollenheit wieber bei seinen wenigen Freunden in Potsdam an, nunmehr fest entschlossen, endgültig der ehebem entronnenen Lauft, getreu dir im Schoß, mir, deinem Dichter, verwehrt. bahn eines preußischen Staatsdieners zuzustreben. Welch herbes Geschick! Aber es blieb teine bessere Wahl; ja, er fonnte froh fein, überhaupt noch Anstellung zu erhalten. Und so finden wir ihn denn bald als Diätar bei der Domänenkammer in Königsberg . Einige Monate hindurch scheint Kleist ganz in seiner dürren Amts. pflicht aufgegangen zu sein; dann aber hat ihn die Muse wieder. Er ift laut eigenem Geständnis wirklich zu nichts anderem brauchbar", als Poet zu sein; er dichtet, weil er es nicht lassen fann". Einige Novellen wirft er hin; dazu Lustspiele und Tragödien.
Jm Wonnenrausch seiner wiedergewonnenen Schöpferkraft verläßt er nach Jahresfrist abermals die Stellung, mit dem Entschluß. fortan als Schriftsteller sein Dasein zu fristen. Tatsächlich befindet fich Kleist hier am Wendepunkt. Die ungestüme Genieperiode liegt hinter ihm. Ruhiger, reifer Schönheit voll, fließt die Kunst des Geftaltens. Seine sprachlich glanzvolle Erzählung: Die Marquise von O...", seine beiden Luftspiele: Amphitryon " und" Der zer brochene Krug "( schon lange zuvor in der Schweiz fonzipiert, un hier vollendet, sowie die gleichfalls in Königsberg begonnene Griechen- Tragödie:" Penthefilea" beweisen es. Besonders in dieser herrlich flassischen Dichtung liegt aller Glanz und Schimmer seiner Seele.
"
-
-
Der freiheitliche Zug bei kleift ist nun feineswegs ettvas Bun fälliges, nur durch seine pretäre Lage Hervorgerufenes; ebenjo wenig wie er es bei Schiller war. Beide waren Dramatiker aus Vorbestimmung. Beide suchten das Aufeinanderprallen manniga faltiger Ideen und Parteien, Luft und Rhythmik des Kampjes; jedoch mit dem Unterschiede, daß Meist der Rauheit und der unerSD bittlichen Realität des äußeren Lebens noch viel näher stand. mußte er politischer Dichter werden, weil er auch stets als Mensch und Bürger leidenschaftlichen Anteil an allen das Jahrhundert bewegenden öffentlichen Fragen genommen hatte. Schritt weiter und er wurde Publizist. Anreger neuer Ideen und Kämpfer für sie. Oder er war das eigentlich immer gewesen; denn es fällt nicht schwer, diese Behauptung aus seinen Dichtungen zu erweisen. Er plant also, währenddem ihn der Krieg zwischen Frankreich und Oesterreich bis auf das Schlachtfeld von Aspern und dann nach Brag geführt hat, wo er mehrere Monate verschollen bleibt, ein patriotisches Wochenblatt:„ Germania ". Das Unternehmen fam zwar aus unbekannten Ursachen nicht zustande. Aber er schreibt dafür sofort eine Reihe von Artikeln, wie wenn das Kampforgan schon da wäre.
-
" 1
Seit November 1809 weilt Kleist wieder in Berlin , wo nach Gleichzeitig hebt hiermit für Kleist die Periode des politisch dem Abzuge der französischen Besatzung auf eine Rüdkehr georddeutschen Dichtens, Dentens und Handelns an freilich auch neter Zustände fich Aussichten eröffnen zu wollen schienen. In wieder mit ungeheuren Drangsalen. Bis hart an den Rhein heran diesen Erwartungen schrieb er den Brinzen Friedrich von Hom hatten die Wetter der französischen Revolution ihre Blibe und burg ", das reifste, doch auch das letzte seiner Dramen. Allein, er Donnerschläge geschleudert. Ganz Deutschland schlief; und in fah fich abermals in allen Hoffnungen betrogen. Niemand gab ihm Preußen ruhte es sich so wohlig auf den Lorbeeren des alten Frih. Schör, ffland lehnte eine Aufführung des Käthchen "-Schauspiels Alles war morsch und faul. Napoleon stürzte den Bau. Die ab und um nicht zu verhungern, überantwortete Kleist die meisten Schreckenstunde von Jena und Auerstädt flog zum Krantenbette des seiner Manuskripte( Dramen und Erzählungen) für ein SpottDichters. Alles eigenen Elends vergessend, empfindet er nur noch honorar einem Berliner Verleger, der sie dann in zwei Bänden das Unglück feiner Nation. Doch wie er schließlich aus Besorg- herausbrachte. Gleichzeitig erwog er die Gründung einer Zeitung, nissen um die persönliche Sicherheit Königsberg in Gemeinschaft nämlich der Berliner Abendblätter ", die denn auch am ameier preußischer Offiziere verläßt, um fidy nach Dresden zu 1. Oftober 1810 zu erscheinen begannen. Inwieweit eine politische, retten, da wird er nebst seinen Begleitern in Berlin als der Evio- chriftlich- deutsche" Tischgesellschaft, der Kleist angehörte, hierbei be nage verdächtig aufgegriffen und nach Frankreich transportiert. Erft nach beinahe halbjähriger Gefangenschaft tehrte er wieder zurück. In Dresden schien sich sein Geschid zum Guten wenden zu wollen. Das Jahr 1808 ift das dichterisch fruchtbarste für ihn. Seit Januar gibt er, materiell von Freunden gestüht, ein Kunstjournal", den Bhöbus" heraus, von dem er sich Wunderdinge" verspricht. Und in der Tat: alles tieß sich gut an. Der Dichter erregte Aufmertfamfeit, ja weďte warme Anteilnahme. Man lieft in öffentlichen Gesellschaften seine Lustspiele vor. Goethe bringt sogar den zerbrochenen Krug" in Weimar zur Aufführung. Allerdings mit schmählichem Mißerfolg, den der Olympier selber verschuldete. Und dann fieht Kleift feine Glüdshoffnungen langsam gerflattern. Um des Jahres Wende ist es auch mit dem„ Phöbus" vorbei. Wohl hat Kleist außer zwei der glänzendsten Erzählungen(„ Das Erdbeven von Chile " Die Verlobung in St. Domingo") das wunderholde Kätchen von Heilbronn" geschaffen. Aber die geschäftlichen Mizerfolge mitjamt einer unglüdjeligen Liebesleidenschaft haben ihm die Sinne verdüftert, ihn selber in seinem Denken und Fühlen von Grund aus verwandelt. Es ist, als ob Kleist plöblich alle Sanft mut und Liebe vom Herzen scheuchte; als ob er im ftolzen Bewußt fein eigenen Wertes die Distanz zwischen fich und der menschlichen Gesellschaft figierte; als ob er nun unheimlich flar in die Misere geitlicher Mißstände hineinfähe. Ein gerütteltes Bündel hohabeträufelter und selbst vor Goethe nicht zurüdbebender Epigramme fchleudert er trobig hinaus, um fein Schriftwerk gegen Berkennung und Mißachtung zu verteidigen.
-
teiligt war, ließ fich bisher noch nicht bestimmt aufhellen. Soviel leht aber fest, daß der Dichter von seinem gleichfalls verantwortlich zeichnenden Mitherausgeber Adam Müller mißbraucht wurde. Das gemischte" Blatt segelte also bald im Fahrwasser frautjunterlicher Interessenpolitit, die gegen alle liberalen wirtschaftlichen Reformen des Ministeriums Hardenberg frondierte. Eo tam es, daß die Zei tung unter Zensur gestellt wurde und schon nach kaum fünfmonati gem Bestehen verschwinden mußte. Hiermit war aber auch Kleists Bebensschidsal besiegelt, das sich nun rasch einem tragischen Ende näherte. War seine schöpferische Kraft infolge einer riesigen jours nalistischen Tagesarbeit auch vollständig verbraucht, so betrieb er nun, aus zivingender Notlage, seine Wiedereinstellung ins preußische Seer. Der König war gnädig" genug, ihm für den Fall eines etwa eintretenden Krieges" dazu Hoffnung zu machen. Allein über dem peinvollen Abwarten geriet kleift immer tiefer ins Glend. Er war arm wie eine Kirchenmaus, sagt fein Biograph Otto Brehm, lift Not am Unenfbehrlichsten und nennt in einem Brief an Maria bon leift sein Leben das allerqualvollste, das je ein Mensch geführt hat".
Noch einmal flüchtet er hilfejuchend zu seiner Schwester Ulrike nach Frankfurt . Er hat nämlich sein Wiederanstellungsdekret erhalten und sie soll ihm nun die zur Equipierung nötigen Gelder verschaffen. Ein schmerzlicher Empfang wird ihm zuteil. Aufs äußerste bestürzt über ihr heftiges Entfehen vor seiner, wie sich wohl denken läßt. völlig verivilberten Erscheinung, fehrt er um und zurüd nach Berlin .
"
und
Und wenige Schritte vom Ufer des Kleinen Wannsees bei Pots dam war es, am Nachmittage des 21. November, als sie heiter gleid spielenden Kinderchen in Charons schwarzen Rachen stiegen, befreit von aller Erdenqual. Zwei Denksteine bezeichnen dort die Stätte, wo Kleift begraben wurde. Sein Herz war sein Schicksal und, sehen wir hinzu: troftlos erbärmliche Zeitumstände waren fein Bere Ernst Kreowati. hängnis.
Sein letter Reftungsanfer ist gebrochen. Niemand fragt nach Andererseits waren die furchtbaren Kriegswirren schwerlich dem grenzenlos Vereinsamten, Berlassenen. Liebesverstridung zu dazu angetan, den friedlichen Wettstreit der Musen zu schüßen. Auf givei Frauen, noch mehr die Gewißheit, daß ihm auf Erden nichts dem Bolte lastete das Joch des absolutistischen Regiments. Die mehr zu lernen und zu erwerben übrig geblieben" fei, greift er französische Fremdherrschaft hemmte bollends jede freiere Bete- zur Bistole- obgleich nach dem Zeugnis Maria v. Kleists seinem gung. Gewerbe und Handel lagen brach; also auch der Kunst ganzen Sein und ganzer Natur Selbstmord zuwider war" betrieb und Buchhandel. Mußte fich da nicht aller Haß und Groll stürzt fich mit dem Bächeln eines Schwärmers in den Tod. Endlich edler Gemüter gegen Napoleon , als den Urheber jener Zustände hatte er in Heinriette Vogel, einer jener Freundinnen, die mit ihm tehren? Und wie erst kleift! Er sah in dem Korsen nicht bloß zu sterben bereite Seele gefunden. den Zerstörer seines Daseins, sondern auch den Unterdrüder der deutschen Freiheit. Ihm und seinen Helfershelfern galt des Dichters Erbitterung, ihm sein lodernder Nachegeist! In allen Dich tungen jener Tage: im Findling", vor allem in seiner Meisterfchaftsnovelle Michael Kohlhaas ", spiegeln sich die beiden Elemente deutlich erkennbar wider. Am großartigsten jedoch in seiner gleichfalls 1808 entstandenen Hermannschlacht". Gewaltigeres als dies Tendenzdrama ist weder vorher noch nachher gedichtet worden. Es behauptet auch insofern eine Sonderstellung, als kleift entgegen der Einseitigkeit eines Arndt, Schendendorff, Körner und fleinerer Sänger des Freiheitskrieges, die nur immer wieder gegen Napoleon gum Kampfe aufrufen, gerade auch die Jämmerlichkeit des deutJchen Bürgertums und das verräterische Schacherspiel seiner Botentaten geifelt. Von dieser Seite aus betrachtet, ist die Hermannfchlacht also weit mehr als eine chauvinistische Dichtung; sie ist ein historisch glaubwürdiges Dokument von der Zeiten Schande". Sieraus wird beinahe erklärlich, warum das Drama erst 66 Jahr später auf die Bühne gebracht wurde. Kleist ist aber sogar
Kleift- Ausgaben und Kleift
Literatur.
Kleists Werte liegen in einer ganzen Anzahl brauchbarer und billiger Ausgaben vor. In Reclams Klassiferausgaben ( icht Helios- Klassiker genannt) hat sie noch unter sorgfältiger Text tritit Eduard Grisebach besorgt( geb. 1,50 M.). Auch in den ein bändigen Klassilerausgaben großen Formats der Deutschen