Kleines f euilleton» Anatomisches . Mens chen« und Assengehirn. Die Erforschung des Gehirns ist mit mancherle, Schwierigkeiten verknüpft, die teilweise sogar noch größer sind als beim Verständnis anderer Organe. Der Anatom zwar kann ein iZehirn ebenso wohl zergliedern und in allen einzelnen Teilen beobachten wie das Herz oder die Lunge, aber die physiologischen Aufgaben der Betätigung der Gehirnteile sind auch heute noch sehr unvollkommen bekannt. Der wissenscbaftliche Leiter des Regierungshospitals für Geisteskranke in Washington will jetzt einen Weg gefunden habere, um genau festzustellen, welche Häute. Muskeln oder Zellen die verschiedenen Arten der körperlichen Be- tätigung des Menschen bedingen. Da man an Meni'tben nicht gut Experimente anstellen kann, die das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen, so ist man schon früher darauf verfallen, zu der- artigen Versuchen Affen zu wählen, bei deren höchst- stehenden Vertretern das Gehirn dem des Menschen am ähnlichsten ist. Bisher war man auf diesem Weg nur zu einer geringen Erweiterung der Kenntnis gelangt, aber die wenigen Ergebnisse waren doch von so bestimmter Art. daß man daraus den Schluß ziehen durfte, auf dem richtigen Wege zu sein. Deshalb hat auch Dr. Franz den Tierversuch zu Hilfe genommen. und zwar in möglichst umfassender Weise.' Es standen ihm für seinen Zweck neun Affen zur Verfügung. Er glaubt als sicher festgestellt zu haben, daß die gewöhnlichen Bewegungen, die mit den Sinnes- empfindungen zusammenhängen, durch die Stirnflächen und die rückwärts liegenden Teile des Gehirn« ausgelöst werden. Zwei Affen beispielsweise, denen man beigebracht hatte, sich ihr Futter aus einer bestimmten Schachtel zu holen und zu diesem Zwecke eine ziemlich umständlich verschlossene Tür zu öffnen, konnten diese Auf- gäbe nicht mehr erfüllen, nachdem sie gewisse Teile der Stirn- Windungen des Gehirn verloren hatten. Früher hatte man schon an Katzen etwa? AehnlicheS ermittelt. Dennoch war eS möglich, die alte Gewohnheit durch die Dressur wieder herzustellen. Jedenfalls aber sind die Gehirne schon innerhalb der Affen- familie nicht gleich gebaut, denn es stellten sich Unterschiede zwischen einzelnen Affenarten heraus. Die einen verloren ihre angelernten Gewöhnungen ganz und wurden sogar in ihren Bewegungen durch den Verlust derselben Gehirnteile behindert, die bei einer anderen Art weniger auffällige Folgen mit sich brachten. Daraus konnte also geschloffen werden, daß gewohnheitsmäßig ausgeführte Be- weßungen bei den Affen mit gewissen Teilen der Borderseite des Gehirns in ursächlicher Beziehung stehen, und man darf an- nehmen, daß für den Menschen die Verhältniffe wenigstens ähnlich fein werden. Andere Forschungen richteten sich auf die Erkundung der Gehirn« teile, die als Sitz deS Sehvermögens im allgemeinen und des Farbensinnes im besonderen anzusprechen sein dürsten. Auch hiezu wurden Affen benutzt, außerdem aber auch Waschbären. An dem Vorhandensein eines Farbensinnes bei den Affen ist nicht zu zweifeln. Wenn man einen Leckerbissen durch einen völlig geruchlosen bitteren Stoff ungenießbar macht, nachdem man ihn zuvor mit einer be- stimmten Farbe versehen hat, so geht ihm ein Affe schon nach dem bloßen Anblick'aus dem Wege. Aus den weiteren Prüfungen hat der Forscher den allgemeinen Schluß gezogen, daß die geistigen Fähigkeiten der Affen zwar, wie wohl niemand bezweifelt Hot, geringer sind als die der Menschen, aber doch in vieler Hinsicht ähnlich. Der Geruchs- und Geschmacks- firm der Affen ist sogar den entsprechenden Fähigkeiten des Menschen überlegen, der Tastsinn dagegen geringer. Ein Gedächtnis fehlt ihnen nicht ganz, wie schon jenes Farbencxperiment beweist, aber von einem höheren Geistesvermögen des Menschen sind bei den Affen höchstens Ansänge zu finden. Der amerikanische Gelehrte will ihnen allerdings eine niedrige Form der Ueberlegung zuerkennen, die bei Katzen und Hunden überhaupt nicht vorhanden ist. Im großen und ganzen scheint also der Entwickelungsgrad des AffenhirnS auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau stehen geblieben zu sein. Geologische?. Aufgabenin der Erdbebenkunde. Das ungewöhnlich starke und weit verbreitete Erdbeben, das jetzt einen großen Teil der Länder deutscher Zunge erschüttert hat, lenkt die Aufmerksamkeit in gesteigertem Grade auf die schwierigen Arbeiten der eigentlichen Erdbebenkunde. Trotz der großen Fortschritte, die in dieser Wiffen- schaft seit wenigen Jahrzehnten gemacht worden find, steht sie doch noch in den Anfängen ihrer EntwiSelung und bedarf namentlich einer Ausdehnung ständiger Erdbebenbeobachtungen auf allen Teilen der bewohnten Erde. Daß sich daS Interesse daran überall regt, hat ein Aufruf von Dr. Negri zur Einrichtung einer Erdbeben« forschnng in Südamerika bewiesen. Der Fachmann leitete diesen Vorschlag durch einen Vortrag ein, den er vor dem Internationalen Wiffenschaftlichen Kongreß in Buenos Aires hielt. Unter anderen wichtigen Problemen der Erdbebensorschung berührte er namentlich die Frage der Fortpflanzung der Erdbebenwellen, die unter allen vielleicht die größte Wichtigkeit hat, weil von ihrer Lösung eine berichtigende Borstellung von der Beschaffenheit de» Erd- innern zu erwarten ist. Auch viele andere Nawrbeobachtungen sind hei der Erdbebenkunde in Rücksicht zu ziehen, z. B. die Größe der Schwerkraft in den verschiedenen Erdgegenden, die vulkanischen Er« Kerautw. Redakteur: Richard Barth , Berlin.— Druck u. Verlag: schelnungen, die Bewegungen der Magnetnadel, die Ausbrüche von Geysern, abnorme Erdströme, endlich auch der Gang der Sonnen« flecken. Außerdem erwähnt Negri solche rätselhaften Vorgänge wie die sogenannten Nebelschüffe. Steht ein Zusammenhang zwischen diesen Dingen und dem Auftreten von Erdbeben noch nicht fest, und ist er sogar in manchen Fällen bisher nicht wahrscheinlich, so sollte er doch von der Forschung untersucht werden. Die Aufgaben des Seismologen sind aber noch weiterzuziehen. Wenig Aufmerksamkeit hat beispielsweise die Wirkung von Erdbeben auf die Gezeiten gefunden, und ihr Einfluß auf die Lebewelt sPflanzen, Tiere und Menschen) hat zum mindesten eine Wissenschaft« liche Behandlung nur selten erfahren. Aus dem Pflanzenleben. Die mikroskopische Meeresflora. Die neueren Meeresforschungen bedingten, daß die Wissenschaftler sich auch mit der Meeresflora beschäftigten, von der seither lediglich die aus größeren Tangen und Algen bestehende Küsten- und Riffflora eingehender bekannt geworden war. Von der mikroskopischen Flora der hohen See wußte man seither nur recht wenig. Die neuesten Forschungen haben nun gerade nach dieier Richtung hin unsere Kenntnis be- reichert. Die an der Oberfläche des Waffers oder auch in geringen Tiefen freischwebende, aus mikroskopisch kleinen Wesen bestehende OrganiSmenwelt hat man mit dem Sammelname»„Plankton" belegt. Bei vielen dieser Lebewesen ist eS schwer oder gar unmöglich zu sagen, ob sie zum Tier- oder Pflanzenreich zu zählen sind. Die große Mehrzahl läßt sich jedoch als Tier oder als Pflanze bestimmen. Mögen diese Lebewesen in der Form und in ihrem Wesen auch noch so sehr voneinander abweichen, das eine haben sie gemeinsam, daß ihnen im Haushalt deS Meeres eine große Rolle zufällt. Ganz besonders gilt dies von den sicher als Pflanzen erkannten Planktonwesen, denn lediglich sie besitzen die Fähigkeit, aus den vom Seewasser aufgenommenen anorganischen Stoffen, wie Kohlensäure- und Stickstoffverbindungen, unter der Mitwirkung des Sonnenlichts ihren aus Eiweiß bestehenden Zelleib auszubauen. Alle mit dieser Fähigkeit ausgestatteten Organismen besitzen einen dem Chlorophyll der Landpflanze» entsprechenden bräunlichen oder gelblichen Farbstoff. Er ist an kugelige oder scheibenförmige kleine Protoplasmakörper. sogenannte Chromatophoren, gebunden, die der Zellwandung an- liegen. Weil alle Seeiiere genau so wie die Landtiere auf das Vorhandensein organischer Stoffe angewiesen sind, so sind die eben gezeichneten kleinen Wesen, die Flagellaten des Meeres, so wichtig für alles, was im Meere lebt. Lediglich sie sind die eigent- lichen Nahrungsproduzenten, ohne deren Arbeit die vorhandene Nahrung bald aufgezehrt sein würde. Auf eine eigenartige Familie aus dieser Planktongnippe hat die deutsche Tiefsee- Expedition aufmerksam gemacht, aus die P e r i« deneen deS Guineastromes(einer auf die Westküste Afrikas stoßenden Meeresströmung). Diese Organismen sind durch zwei Geißeln ausgezeichnet, deren eine in einer den Zellkörper quer um- säumenden Furche gelegen ist, während die andere aus einer senk« recht zu der Furche gestellten tiefen Grube hervorragt. Ein starrer Panzer, oft durch lange Fortsätze oder durch flügelähnliche, wie Segel oder Fallschirme gestaltete Verbreiterungen ausgezeichnet, schützt den Weichkörpcr. Da diesem bisweilen die Ehromalophoren fehlen, so sind nicht alle Perideneen als Nahrungsproduzenten anzusehen. Die Hauptmasse des pflanzlichen Planlton wird in einer Tiefe von 40—80 Meter angetroffen. Gegen die Oberfläche nimmt das Ouamum, in den antarktischen Meeresströmungen ganz besonders, ab. Auch unterhalb dieser Grenz« vermindert sich da? pflanzliche Plankton schnell, in den kälteren Meeren wiederum rascher als in den wärmeren. Als die untere Grenze für diese Organismen überhaupt hat die deutsche Tiessee-Expedition eine solche zwischen 300 und 400 Metern ermittelt. Unterhalb 200 Meter sind sie bereits sehr spärlich ge« worden. Eine sogenannte„Schatienflora" mit weiter Verbreitung wurde in wärmeren Meeren beobachtet. Eine Tiefe von 80 bis 100 Metern scheint deren eigentliche Lebenssphäre zu sein. Be» merkenswert ist, daß diese Schattenflora in verschiedenen Meeres« strömungen die gleiche ist, während die pflanzlichen Organismen an der Oberfläche der gleichen Strömungen für jede einzelne Strömung verschieden ist. Ein wesentlicher Unterschied besteht in der Häufigkeit deS pflanz» lichen Planktons in wärmeren und kalten Meeren. In dem unter Rull Grad abgekühlten Waffer der Antarktis und der Arktis ist die Produktion der organischen Lebewesen weit reicher als in den Meeren der warmen und gemäßigten Zonen. Allerdings dauert die Massenproduktion in den kalten Meeren nicht das ganze Jahr hindurch. Sobald die Sonne im Frühjahr über den ? Horizont steigt, beginnt die Oberfläche deS MeereS sich mit mikro« kopischen Organismen zu beleben. Im Frühsommer verringert sich ihre Zahl etwas, aber während der Hochsommermonate setzt zum zweiten Male ein« Periode üppiger Vennehrung ein. Dann nimmt ihre Zahl ab, und während der Wintermonate dürste die Produk« tivität an der Oberfläche deS kalten WafferS außerordentlich zurück« stehen gegen jene wärmerer MeereSgebiete. Dieser Unterschied scheint darin begründet zu sein, daß sich die für eine Entwickelung de» PflanzenlebenS erforderlichen Bedingungen in den kalten Zonen auf wenige Monate beschränken, während sie sich in wärmeren Gegenden über daS ganze Jahr verteilen._ h. h. VorwärtsBuchdruckereiu.VerlagsanjtaltPaulS>ngcräieo..BerlmLXV.
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28 (22.11.1911) 227
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