Nnterhaltungsblatt des vorwärts Nr. 223. Freitag den 24. November l911 (Nachdruck verbolen.) gz OLe Guten von Gutenburg. Von Hermann Kurz . DerSimon, dieLiesi, derErhardunddieLiebe. Die Liesi tat vom frühen Morgen bis zum Abend rüstig und ohne Spintisieren ihre Arbeit. Und diese Arbeit war nicht leicht. Da gab es verschiedenes zu tun und die kleineren Kinder des Simon mit dem Findling schrieen, wenn ihnen irgend etwas nicht paßte, mitten drein. Schon früh morgens gillgs so los, und dennoch sollte alles klappen im Haushalt. Und das Vieh im Stalle mußte auch besorgt sein, das war allerdings nur eine magere Geiß, und ein ganz dünnes arm- seliges Kühlem, das mit einem Auge immer nach der Futter- barre und mit dem anderen nach dem Metzger, der sie holen könnte, herumschielte. Dann war noch der Krautgarten und ein jämmerliches Fetzlein Acker voller Stein und Disteln im Armenland, das dem Waldhüter zugehörte. Auch ein kleines Stücklein Wiese machte ab und zu müde Arme, doch gab sie auch Futter fiirs Kühlein und die Geiß. Der Simon half wohl, soviel er nur konnte. Aber seine Obrigkeit war gestrenge. Das ist im ganzen Lande so. Wenn die guten Bonzen hundertmal über ihre eigenen Beine stolpern, so sehen sie dies niemals. Zwackt aber ein armer Teufel, der seinen Jammergroschen im Gemeindedienst als Hungerlohn erhält, von seinen aufreibenden vierzehn oder sechzehn Dienststunden ein paar Minuten ab. um seine Hütte ein wenig auszuflicken, flugs entdeckt das Auge der Obrigkeit diesen Frevel. Ter Sünder bekommt einen Tritt auf den Hintern und fliegt von seiner Stelle weg. Und die Obrigkeit bläht sich dann, der vaterlandsrettenden Tat wohl bewußt, und stellt den nächsten Tropf in ihre Dienste. Die Obrigkeit der Ortsgewalt kann sich dieses ganz gut leisten. Immer warten eine nettc Anzahl Anwärter auf den Fall des armen Teufels. Dies weiß die Obrigkeit, darum schielt sie auch in allen Winkeln herum und lauert auf ein Opfer. So hatte der Simon wenig Zeit frei, denn er brauchte den elenden Hungerlohn, um das Notwendigste fiir die aufge- sperrten Mäuler, die er zu Hause immer fand, aufzutreiben. Und dennoch rackerte er manchmal ganze Nächte durch, trotz dem Spott der Leute, die ihn fragten, ob er denn partout reich werden wolle und ob er in einem Büggi schlafe, um dann, wenn er damit umfalle, wieder aufzuwachen. Der Simon machte immer mit den Spötter; insgeheim aber dachte er an seine Aelteste, an die Liesi. Aber was wollte er gegen sein Schicksal tun? Das alles mußte so fein. Er mußte leiden und die Liesi zugrund gehen, so war das bei Gott bestimmt. Alles was sein muß, wird sein und keiner weicht seinem Schicksal aus. So hatte dem Simon sein Pfarrer die Sache eingetrieben. Dennoch grollte fein Gemüt gegen die schwere Hand Gottes. Die Liesi hing ihrem Traunie nach. Ihr junges Herz war voll Sehnsucht und ihr Körper verlangte das Leben. Aber sie wußte nur, daß der Erhard ein lieber Mensch war und ihr Herz ihm entgegenschlug. Und ihre Träume waren wirr und unklar, aber sie konnte sich darein versenken und hoffen konnte sie auf schöne Dinge. So lebten die im Hause des Simon dahin. Die Kinder gediehen, allen voran der Findling, der ein wahres Kuckucksei war und mehr herunterwürgte als alle andern. Dabei fand er sich wohl und hing der Liesi immer am Schurzzipfel und wollte so viel als nur angängig verhätschelt sein. An einem milden Herbstsonntag nachmittag saßen der Simon und die Liesi vor dem Häuslein und um sie herum purzelten die Kinder und wälzten sich im Grase und krakeelten. Der Simon war wie immer stille und in sich gekehrt und die Liesi in ihre Träume versunken. Und da auf einmal stand der Erhard vor den Wald- Hütersleuten und grüßgottete fein sittig. Die Liest wurde rot und unruhig und wußte nicht, was mit den Händen tun und wohin mit den Augen. Aber als ihr der Erhard seine Hand bot, da war die erste Frage gelöst, und als er weniges geredet mit dem Vater Simon, da schaute die Liesi unver- wandt auf den Erhard und wußte nun auch, wozu sie Augen hatte. Der Simon aber hatte wohl acht gehabt und seine Aelteste tat ihm mehr weh denn früher einmal. Aber er ließ sich nichts ansehen und redete allerlei mit dkm Schlüsselwirtsbuben, dem Erhard. Und er fing an, so ganz ohne alles, und dachte dabei sein Teil, den Erhard auszufragen über die Mädchen in der Stadt und welche diefeinste und liebste" sei. Die Liesi machte da große Augen an den Burschen, und es zog sich in ihrem Herzen zusammen wie Zorn und Leid. Aber der Erhard war ein durchtriebener Fuchs und wand sich heraus. Ohne eine Miene zu verziehen, sagte er: Sie sind alle wie die Affen, die Mädchen in der Stadt." Da lachte die Liesi lustig auf. Auch der Simon schmun» zelte. Er fragte noch einmal so mit seinem Hintergedanken: Und wie lang willst Du denn jetzt noch mit der Hochzeit warten?" Dazu gehören zwei." Da sagte der Simon wie baß verwundert und blickte groß hin: Ja, ich Hab geglaubt, die Madlen vom Lächenfritz sei verabredete Sache." Der Erhard zuckte die Achseln und spuckte aus. Dann sagte er langsam: Verabredet schon, aber ich habe da doch auch was zu sagen dabei, mein ich." Simon nickte ernsthaft. Er war zufrieden und glaubte, daß die Liesi wisse, was die Uhr geschlagen beim Erhard. Aber die Liesi war wieder ruhig und hatte den Erhard nur noch lieber als vorher. Sie glaubte ihm aufs Wort. Und als der Erhard dem Hause zu ging, da lachte er fröhlich vor sich hin und pfiff ein Sicgerlied, wie sies in der Garnison gesungen. Er wußte immer noch, was er wußte. Abends ging der Simon noch rasch in den Ort hinein. Er wollte sich umsehen, wer von den verdächtigen Wilderern und Holzdieben in den Wirtshäusern herumsaß uiid gemütlich tat. Und er fand so ziemlich alle die Schwärzer beim Tanze im Adler. Er konnte also nach Hause. Heute nacht war Ruhe im Wald. Aber mehr Freude hatte er noch, als er den Erhard aus dem Schlüssel mit der Lärcheusrid-Madlen scharmuzicren und schöntun sah. Das mußte die Liest jetzt doch sicher über- zeugen. Als der Erhard den Simon gewahrte, ärgerte er sich bis ins Blut. Das war denn doch zum Teufelholeu. Aber er machte gute Miene zum bösen Spiel, lachte chergnügt, als ob er sich freue, den Simon zu sehen, und bot ihm sein Glas an. Der Simon tat Bescheid und sagte der Madlen ein paai? gute Worte. Die wurde vor Freude rot und kicherte. Und als der Simon noch mehr solcher Liebeshänsclcien von der Schnur ließ, da machte die Madlen ein paar Augen so glän- zend und verschwommen.Wie Zucker, der im Kasse vergeht," meinte der Simon noch und wünschte gutnacht." Der Erhard aber ärgerte sich und dennoch wollte er den Alten ein Bein stellen. Die Liesi war einfach ein Braten für ihn, und das wäre jetzt noch schöner, wenn der alte Fuchs ihm dazwischenkäme. Daß der Simon sich für sein Kind wehrte und nur das Gute als Vater wollte, daran dachte der Erhard nicht. Das war ja am Ende ganz gleichgültig. Wozu sind denn armer Leute Mädchen anders da als den reichsten Burschen zum Ver» gnügen, bcsouderS wenn die Mädchen hübsch sind? Aber alle diese Gedanken hinderten den Erhard nicht, die Gelegenheit auszunützen, die des Simon Worte bei der Madlen vom Lärchenfritz hervorgebracht hatten. Und noch in derselben Nacht lag er bei ihr im Bette und schwängerte die Madlen. Der Erhard hielt es für besser, gleich das Richtige zu tun, um den Batzen des Lärchenfritz festzunageln. Die Madlen war das reichste Mädchen im Orte: reiche Burschen gab es noch mehrere außer ihm. Als nach einigen Monaten der alte Schlüsselwirt von der wahren Sache Kunde erhielt, lachte er sich mit seinem Gegen- schwäher, dem Lärchcnfritz, zusammen halb tot ob dem Erbard.