Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 281.
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Mittwoch. den 29. November.
( Macbrud berboten.)
Aber auch so wurde das Kindlein der Liesi getauft und bekam den Namen Madlen.
Die Taufgesellschaft aus dem Waldhüterhaus verließ nun auch die Kirche. Vor dem Portal sprang ihnen der Findling entgegen. Der Bube war von zu Hause durchgebrannt, die Welt auf eigene Faust zu untersuchen. Als er die Mufit des Schlüsselwirts hörte, lief er wie andere Buben nach. Und als vor dem Schlüssel der Erhard mit weinrotem Kopfe die Musikbande nochmals zur Kirche sandte, die Taufe der Lieft abzuholen, da dachte der Bub, daß auch ihn diese Sache etwas anginge. So fand er die Seinen vor der Kirche. Die Liesi nahm der alten zitterigen Nachbarin das Kindlein ab und schritt mit den anderen voran. Der Simon nahm den Findling an die Hand und ließ sich erzählen. Aber ehe noch ein paar Schritte hinter den Waldhüterleuten lagen, sezte die Musik ein.
Die Liesi wollte da vergehen vor Scham. Die Leute lachten und freuten sich, und der Simon wollte vor jähem Born den Kopf verlieren. Da schrie der Findling fröhlich: Der Schlüsselwirt hat sie geheißen."
Das gab dem Simon die Ruhe wieder.
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Er hieß die andern weitergehen. Und so zogen sie nach Hause. Die Nachbarin feifend und scheltend und der Pate mit dummem Gesicht. Der Findling fonnte gar nicht begreifen, warum sich seine Leute nicht freuten.
Als sie neben dem Schlüssel vorbeifamen, schauten dort die Schlüsseltaufgäste zu den Fenstern hinaus und höhnische Rufe und Gelächter erklangen.
Der Erhard stand unter der Tür, und halb Rausch, halb Born und Scham und unbewußtes Batergefühl machten ihn wirr und toll.
Er schrie etwas, das im Lärm unterging.
Da zuckte der Simon zusammen. Er blieb stehen und ließ den Findling los. Es schien, er wolle sich auf den Erhard stürzen. Der Findling begriff da, daß der junge Schlüssel wirt etwas Böfes gegen den Vater Simon getan habe, und in seinem Herzen brannten Haß und Born auf. Das Lachen, Geschrei und die Musik ward stille. Alle harrten auf das, was nun fommen mußte zwischen dem Simon und dem Erhard. Da sprang der Findling den jungen Schlüsselwirt an, spudte und streckte ihm die Zunge hinaus in fnabenhaftem Borne, mit Tränen in den Augen.
Sian Da löste fich die Spannung aus in Lachen und Witze.
Der Findling ging zu seinen Leuten zurück. Simon faßte ihn wieder an der Hand und drückte fest zu. Sa So famen sie zu Hause an.
Die Liesi war traurig und scheu, und erst später, als der Wein befreite, wurde Lachen und Fröhlichkeit laut im Waldhüterhaus.
Im Schlüssel aber stand der Pate des Findlings, der Bürgermeister von Altenberg, auf und verließ mit verächtlichem Gefichte seinen Gastgeber. In sich aber hatte er eine Freude an dem Buben, dem er Bate war, und er wäre nicht unzufrieden gewesen, wenn er dem Findling mehr als nur Pate hätte sein können.*
Majestät Tod und die Madlen des Erhard. Eines Frühlingstages brachte der Findling die Kunde aus dem Städtlein in das Waldhüterhaus vom Krankfein der Frau des jungen Schlüffelwirtes Erhard, der Madlen.
Mit großen Augen hörte die Liesi den Knaben an. Der Alte zuckte die Achseln und sagte:
,, Was kümmert das uns? Wir haben am eigenen genug zu tragen."
Die Lieft mußte viel an die Madlen denken. Sie sah das junge Weib blaß und abgehärmt im Bette liegen. Und da kam ihr der Gedanke von der Strafe Gottes. Und wenn ihr eigen Kind, das sie vom Erhard hatte, seine fleinen Mermlein um ihren Hals legte, da gedachte sie des Kindes der Madlen. Sie sah dann das fleine Ding mit großen Augen
1911
an der Tür stehen und in grenzenloser Verwunderung auf die sieche Mutter im Bette schauen.
Da schnürte das Muttergefühl ihr die Kehle, und es drückte sie da der Haß, den sie gegen den Erhard hatte.
Und als es über der Krankheit der Madlen Sommer wurde und die Krankheit nicht bessern wollte, da kniete die Liesi, als sie alleine war, im Waldhüterhaus vor dem steifen, billigen, schlechtgeschnitten, grellbemalten Heiland nieder und betete in heißer Inbrunst um die Genesung der Madlen. Sie betete lange, denn sie dachte an ihr eigenes Kind und an die Lücke, die im Kindesleben der Tod der Mutter reißt. Die Liesi betete heiß und innig und voller ehrlichen Mitleida. Wie ehemals die Großmutter betete sie wahrhaftig. Und die Alte hatte dorten wahres Gefühl gehabt, denn sie betete um der Kinder Glück, als der Knochenmann mit ihr sein Tänzchen riskieren wollte.
Aber sei es, daß im Waldhüterhaus der geschnitte Heiland nicht fein genug war, zu billig, um was Rechtes zu erlangen von Gott im Himmel, oder sei es etwas anderes, eines ist sicher und gewiß: der Liefi Gebet half gerade so wenig, wie einsten das Ringen der Großmutter in ihrer schweren Stunde geholfen hatte.
Der Tod war wieder einmal auf dem Weg nach Gutenburg. Er kam von Norden auf eiligem Roß daher. Dort war gerade ein elend Kriegen und Morden zu Ende gegangen. Jett mußte er nach Süden. Es zeigten sich in einem der Paradieseslande ein Wetter und neues Morden und neuer Krieg. Der große Tod aber wollte nun einmal auch wie so ein mächtiger Herr gemächlich reisen, so ganz ins gemütliche Nichtstun berfunken. Als fremder Gaft wollte er inkognito seiner Wege ziehn und bis zum großen Schnitt, allwo es sich lohnte, einmal sein Handwerk vergessen.
Er kehrte da in Altenberg im Schwanen ein und nahm einen Schoppen alten Weißen, wie er am Steinbruch gedeiht und zum besten gehört im Land. Und langsam trank da Gevatter Tod sein Schöpplein und schmazelte und schmunzelte dazu und leckte sich die fadenscheinige, ausgemergelte, berfrocknete Oberlippe wie so ein echter rechter Säufling, der den Rummel versteht.
So trank er ein zweites und drittes Schöpplein und wurde unversehens guter Laune, wie noch nie. Denn der Steinbrüchler von Altenberg, den der Schwanenwirt respektablen Gäften borsett, hat es in sich.
Und als er gerade am vierten war und beschloß, ein kleines Räuschlein anzufürfeln, fuhr der Doktor von Gutenburg vor.
Der Schwanenwirt komplimentierte den Doktor, wie sich's gehört bei honorigen Leuten, und fragte so nach diesem und dem.
Da spitte der Herr Tod ganz anders die Ohren, als er hörte, wer der neue Gast sei.
Alle Wetter, dachte er, das ist ja einer meiner besten Alliierten, hat er mir doch erst letzte Woche aus seinem Kundenkreis über zwanzig auf meinen Anger geliefert, dem muß ich ein Schöpplein zutrinken!
und wie dem so ist, gleiche Müßen gefallen immer ihren Trägern. Und bald war der Doktor mit dem Herrn Tod im fiefften Trinken und Guttun.
Und als sich der Tod seinem Kumpan zu erkennen gab, fühlte sich dieser sehr geschmeichelt. Und als gar Gebatter Tod dem Doktor den Orden pour le mérite umhängte, da wußte der nimmer wohinaus, so follerte ihm der Hochmut im Oberstübchen.
Aber in seinem Wein- und Freudenrausch erzählte er dem Tod, wie er es anstellte, daß so viele in die Grube fuhren.
Verwundert horchte der Tod auf. Auch ärgerte er sich elend. Denn daß man die Menschen derart blödfinnig und talentlos um die Ecke brachte, war ihm doch nicht recht. Aber als gewiegter Praktiker sagte er nichts.
Der Doktor da lieferte viel zu viel ab an ihn.
So kam der Doktor auch auf die Madlen zu reden. Er lachte fich, eins, wie dumm doch dieser Schlüsselwirt war. Das sollte den Mann was fosten, dieser Fall. Aber helfen könnte er wenig oder nichts, meinte er.
Da stieg dem Tod die Galle hoch. Denn er kannte die