Madien. Als er na3j Norden gereist war, lialte er sie gesehen, und er war auch gut bedient worden von ihr. Darum fragte er den Doktor: „Nichts genützt? Schadet nichts, ist das schlimmste noch lange nicht! Es gibt schlimmere Sachen, zum Beispiel—" Der Doktor in seinem Mordsrausch unterbrach da den Tod, er glaubte den Wink zu verstehen. Er sagte darum rasch: „Majestät, ich versteh, ich versteh, Majestät meinen, man müsse den Schaden, nicht wahr, so recht in die Länge ziehen, damit was abfällt, Geld für mich und für Eure Majestät der Mensch, nicht wahr, so ist es besser, als da dumm in kurzer Zeit gesund machen?"— Da fuhr der Tod auf. Seine gute Weinlaune war ver- flogen und in seiner ganzen herben Majestät blickte er den Doktor verächtlich an. Dem Doktor war da, als gerinne ihm das Blut in den Adern. Und als er wieder seine Sinne gesammelt hatte, war Majestät Tod verschwunden. Darum ging auch der Doktor langsam Gutenburg zu. Er wollte in den Schlüssel nach der Madien schauen und wenn irgend möglich noch was tun, damit es länger dauere, um den Tod zu versöhnen. lFortsetzung folgt.) Ver Maulesel. IöS zog frn Schirm seiner Mütze über die Augen, als müsse er sich vor dem Lichtmeer schützen, und schob verächtlich die Unter- lippe vor, wie es seine Art war. —„Und dann werden die Gäste an Land gebracht. Du solltest Nur die Triller der Signalpfeife hören und des Oberbootsmanns: „Dampfbarkasse ans Steuerbord-Fallreepl— Gig!— Kutterl— Kapitänsgig!" Und die Boote schießen längsseit unter die Fall. reepstreppe und nehmen ihre Passagiere auf, setzen sich in Gang. so ruhig und gleichmäßig und still, als hätten sie Verstand, und keiner würde glauben, daß die Jungens an den Riemen und der Bootssteuerer, der zusammengekrochen achteraus sitzt, zwei Mi- nuten zuvor in bester Ruhe in ihren Kojen unter weißen Laken schliefen. Und hat man das Fahrzeug ein Stück hinter sich ge- lassen, so ficht man, daß die ganzen Riggen mit roten und weißen Lichtstreifen, aus kleinen elektrischen Lampen gebildet, gleichsam in die Höhe gezogen find, und auf jedem Topp schimmert eine elektrische Sonne; oder es leuchtet alles weiß, um sich in der nächsten Sekunde in grün oder rot oder irgendeine andere Farbe zu verwandeln. Man hat mehrere Leitungen, und jede oder doch jede dritte Lampe ist von einer anderen Farbe, und jede Leitung hat ihren Knopf, und der Elektriker unten beim Dynamo leitet alles, genau so wie unser Herrgott an seinem Dynamo das Meer- leuchten und das Nordlicht und Blitz und Elmsfeuer und Kometen und alles andere besorgt.' Manchmal werden auch Raketen losgelassen. Richtige Raketen natürlich, in China gemacht, die hoch oben wie Kanonenschüsse donnern und Tausende von Sternen herabstreuen, so daß jemand, der einen schwachen Kopf hat, denken könnte, daß der ganze Tier- kreis explodierte. Hat man's weit bis an Land und mutz viele Touren machen, so kann es leicht passieren, daß man die ganze Nacht keinen Schlaf dekommt. Um vier Uhr morgens fängt die Arbeit auf Deck wieder an mit Spülen und Putzen. Joe mag wohl recht haben, viel Frei- heit gibt es nicht. Dafür aber bekommt man guten Lohn und gute Kost, dreimal des Tages warmes Essen. Man hat freie Kleidung, nach Matz gemacht, und freien Tabak, soviel man will. Niemals braucht man seinen Rücken zu zerbrechen beim Plankenladen oder Salzhinauflangen, beim, Ballastschaufeln oder Langholzverstauen. Eigentlich ist es ja auch nicht schlimm, wenn die Mannschaft nicht detrunken an Bord sein soll, nicht auf Deck spucken, nicht fluchen und schreien darf, wenn sie die Segel birgt oder auf Deck arbeitet. An jedem Tage, wo man im Hafen liegt, hat abwechselnd die eine Wache den ganzen Nachmittag frei und kann an Land gehen, und da hat man ja soviel Freiheit, wie man will. Gerade während eines solchen Landgangs war es, als die Geschichte mit dem Maul- esel passierte, die ich erzählen wollte. Ja," fuhr Big Charley fort, nachdem er ein paarmal nach- denklich seinen Daumen tief ,n die Pfeife gedrückt hatte,—„wir hatten wohl zehn Plätze auf den Azoren besuchtz elende kleine Nester, wo selten oder nie ein Fahrzeug anlegt, ausgenommen vielleicht ein Schiffbrüchiger, der Ruder oder Rigg verloren hat, oder ein altes Kanonenboot, damit die Leute nicht ganz vergessen, zu welchem Lande sie gehören. Alle diese Inseln stehen unter Portugal oder Spanien , und das sieht und hört und fühlt man sofort, wenn man an Land kommt. Elende, enge Gassen, die nur einmal im Jahre zu den hohen Feiertagen gereinigt werden. Die Luft stinkt nach ranzigem Oel, Anisette und Schimmel. Und wo man geht, halbnackte Jungens, die: Tabakko! Tabakko! schreien, die Steine hinter einem her werfen, wenn man ihnen keinen gibt, und noch mehr schreien, wenn sie w eiche ll bekommen habetkj adei Krüppel, die um Geld betteln. Madeira haben wir auch besucht. Das ist die reichste Unit beste der Inseln, darum haben sich auch die Engländer darauf niedergelassen. In Funchal lagen wir eine ganze Woche,— eins famose, feine Stadt mit Parks und Mufik. Dort gibt's auch ein Seemannsheim, wo man Zeitungen lesen oder Briefe schreiben kann. Wir fuhren rund um die Insel, legten an zwei bis drei Plätzen an und segelten dann südwärts weiter nach den Kanari» schen Inseln, und an einem Samstagabend ankerten wir im HaseN von Santa Cruz auf Teneriffa . Es war spät, und die ganze Stadt schlief schon, aber als whi ihnen plötzlich einen Gruß� mit dem Scheinwerfer schickten, dot hattet Ihr sehen sollen, wie die Menschen aus den Häusern stürzten, auf die Knie fielen und mit den Gesichtern auf die Erde schlugen. Natürlich glaubten sie, der jüngste Tag wäre angebrochen. Als abev das Licht nach einer anderen Richtung gewendet wurde, merkten sie bald, was es war. Die Stadt lag an einem Bergabhang, und! anders könnte sie auch gar nicht liegen, denn ganz Teneriffa ist ein Berg, ein hoher Berg, einem Zuckerhut gleich, der aus dem meilen- tiefen Atlantik wie ein Seezeichen aufragt, das der Schöpfer selbst zu Nutz und Frommen der Menschheit dahin gesetzt hat, obwohl die Menschen ihre Bosheit und Ungerechtigkeit gleich aus die Insel mitgebracht haben. Die Insel gehört den Spaniern, und diese haben von dort ihre Stiergefechte geholt. Wir kamen eben von Madeira dahin um eines Stiergefechtes willen. Mit wir meine ich den Eigentümer, Mr. Schott, und seine Frau und deren Gästa und den Doktor, die Kinder und die Dienerinnen. Uns anderen waren ja Stiergefechte nichts Neues, und wir wußten, daß man da nichts als Grausamkeit zu sehen bekommt, aber wer nichts gesehen hat, weiß nichts, er mag noch so viele Bücher gelesen haben. Man muß sehen. Früh am Sonntagmorgen brachte ich sie mit der Dampfbarkasse, die ich zu führen hatte, an Land. Das Stiergefecht wurde auf der anderen Seite der Insel abgehalten, ein langer Weg bis dahin« aber Santa Cruz war der einzige Platz, wo wir Anker wetfen konnten. Im übrigen war die Stadt recht unbedeutend. Das einzig Sehenswerte fanden wir unten am Kai, gerade wo das Boot an- legte. In der Steinmauer befand sich etwa vier Fuß über der Erde das Zeichen einer Kanonenkugel, die vorzeiten vom Fort, schräg über die Bucht, rechts von der Stadt aus geschossen wurde. Sie mutzte die Mauer mist gewaltiger Kraft getroffen haben, denn sie hatte eine große runde Höhlung mitten in einen Steinblock ge» graben, und vom Grunde der Vertiefung aus gingen Splitter nach allen Seiten. Es war dieselbe Kugel gewesen, die den Arm des Admirals Nelson zersplitterte, als er an Land stieg und auf daS Fort wies:„Englander," sagte er,„wir fürchten nichts, weder zu Wasser, noch zu Lande!" da kam die Kugel und nahm ihm seinen Arm. Das könnt Ihr alles in Büchern lesen." „Ja, Nelson war ein tapferer Mann," sagte Joe.„Ein See« Held! Auf Trafalgar-Square in London steht sein Denkmal." „War es bei dem Stiergefecht, als Ihr die Maulesel sähet fragte Peter. „Nein," entgMete Big Charley,„obwohl man bei einen? Stiergefecht auch Maulesel sehen kann. Wenn, der Stier tot ist, wird in der Regel ein großartig geschmücktes Mauleselgespann ge» holt, das ihn an den Hörnern ringsum in der Arena und dann hinausschleppt. Dieser Maulesel aber war mit acht anderen vor einen großen, gelb gemalten Omnibus gespannt, der an der einen Seite des gepflasterten Marktplatzes in der Nähe des HafenS stand. Es war die wunderbarste, altmodischste Karret«, die wir jemals gesehen hatten, so daß wir alle uns neugierig um fie drängten. Wir waren fast die ganze Steuerbordwache, zwanzig an der Zahl, an diesem Sonntagnachmättag an Land und bergauf, bergab durch die Stadt gezogen, die ganz menschenleer schien, da sich wohl alle zum» Stiergefecht begeben hatten, und kamen eben nach dem Hafen her, unter, als dieses Fuhrwerk uns lockte, steheuzubleiben. Der Wagen war schwer und plump, mit Fenstern wie 7t? einem Eisenbahnwagen und die Tür in der hinteren Wand. Oben auf dem Dache waren Reisekoffer festgeschnürt, auf dem Bock saßen drei schmutzige Gentlemen in einer Art Uniform, zwei mit Zügel und Peitsche in der Hand, und einer, wahrscheinlich der Postillion selbst, mit einem kleinen Messinghorn. Die Maulesel waren mid daumenbreiten, steifen Lederriemen vor den Wagen gespannt. Ich befühlte das Riemenzeug, das durch Staub und Hitze hart und rissig geworden, so daß es verrosteten Bandeisen glich, als der Finnländer, wir nannten ihn Bill, der ein Stückchen entfernt vor dem vordersten, Maulesel stand, uns zurief:„Kommt und seht etwas ganz Schauder» Haftes l" Er wies auf eines der Handpferoe, das jammerlich und! verhungert aussah, ebenso wie die anderen. Es schien fast jede Sekunde vom Kopf bis zu den schmalen, knochigen Deinen von einem Schauer überfallen zu werden. Langsam wandte es den Kopf und blickte uns an mit seinen verständigen, bittenden, müden Augen und sah dcmn wieder fort. Ich folgte dem Blick— nun sah ich, wag Bill meinte. Der Zugriemen hatte auf der Schulter die Haars von der Haut geschürft, und mitten auf dem breiten, nackten Rande« unter dem nun der Riemen mit seiner scharfen Kante lag, bereit, hineinzuschneiden, wenn die Peitsche geschwungen, und das Gespann in Gang gesetzt wurde, befand stch eine handgroße Fläche, ein ge- schwollener, glänzender, blauschwarzer Fleck, auf dem man ab utiA an etwas sich bewegen sah. Ein lebender, fressender, stechendex-
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28 (29.11.1911) 231
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