Oben im ersten Stock setzte er sich ganz alleine hin und begann zu grübeln. Heiraten wollte er vorerst noch nicht. Später? Vielleicht. Da dachte er an die Nächte und an die Lust am Weibe. Und er lächelte leise vor sich hin bei dem Gedanken. Er dachte an das gesunde Ding, das erst seit zwei Mo- naten im Hause war und die Zimmer machte und die wenigen Fremden, die ab und zu einmal abstiegen, bediente. Und wie er so dachte, ging er unter die Tür und rief dem Mädchen: ..Lina!" Sie kam. Bring mir ein Glas alten Weißen!" Sie brachte den Wein. Langsam und bedächtig stellte sie das Glas vor ihren Herrn. Ihre vollen jungen Formen kamen zur Geltung bei ihren Bewegungen. Sie ging zur Tür. Da sah sie am Büfett einige Gläser, die nicht in Ordnung waren. Rasch richtete sie die her. Da schoß dem Erhard das Blut zu Häupten: >,LinaI" rief er. Sie schaute sich um. Er trat auf sie zu und schaute ihr mit glänzenden Augen in die ihrigen. Sie wurde verwirrt. Da faßte er sie um und küßte sie auf den Mund. Das Mädchen hielt eine Weile stille, dann riß sie sich kos und lief weg. Aber sie schwieg über das, was geschehen war, und in ihr war der Wunsch nach dem Manne erwacht. So fand der Erhard mit der Zeit das Leben angenehm, und er mißte nichts in seiner Witwerschaft. Als sie den Totenschrein der Madlen neben dem Wald- hüterhaus vorbeitrugen, schaute die Liest versteckt hinter der Gardine auf den Zug. Da kamen ihr heiße Tränen und sie dankte ihrem Gott, baß sie bei ihrem Kinde bleiben durfte. So sah der Findling die Liesi und er trat vor das Haus und lief dem Sarge hinterdrein. Und auf dem Kirchhof faltete er seine Hände und betete, wie er's gelernt, ein Vater- unser für die Frau, die sie zu Grabe trugen. Dies sah der Altenberger Bürgermeister7 und es freute den Hagestolzen dieses Tun des Knaben. Als er neben dem Findling vorbeiging, strich er ihm über die Haare und lachte ihn freundlich an. (Forsietzung folgt.) Der IMaulcfeL Von I. W. N h l a n d e r. 'Schluß.) Das Weitere ging in blitzartiger Geschwindigkeit vor sich. Ich sah, wie Bill auf den Wagen zustürzte, auf den Kmschbock sprang, sich wie ein Tiger an den Kutscher krallte, und wie sie dann beide von dem hohen Wagen herunter auf das Straßenpflaster fielen. Mehr konnte ich nicht sehen, kam aber zum Glück noch rechtzeitig. Da lag der Kutscher auf dem Rücken mit Bill über sich und hatte seine schwarzen Finger in Bills nackten Hals gekrallt, so daß Bill blau im Gesicht wurde. Aber wie ein Rasender hielt er mit beiden Händen des Spaniers Ohren, hob seinen Kopf und schlug ihn auf das Steinpflaster, daß es einen dumpfen Laut gab, bis setne Finger endlich losließen und die Augen des Spaniers sich verdrehtem In dem Augenblick kam ich dazu, packte Bill in den Nacken und zog ihn in die Höhe." Big Charley, in seine Erinnerungen versunken, machte un- willkürlich wieder dieselbe Bewegung, daß die Muskeln in seinem gewaltigen nackten Arme zitterten und anschwollen. Es war ein prächtiger Arm, tätowiert mit einer Frau, die in jeder Hand ein Bündel der Flaggen hielt, unter denen Big Charley gesegelt war, und kaum eine Nation fehlte. Dies war der Anfang zur Prügelei," fuhr Big Charley fort, denn es wurde eine richtige Prügelei darus. Anfangs klarten wir uns natürlich brillant, rissen die beiden anderen Herren mit den Zügeln vom Wagen und ließen sie die Peitschenstiele gründlich kosten. Die Maulesel spannten wir aus und ließen sie laufen. wohin sie wollten, und die Zugricmcn zerschnitten wir in kleine Stückchen, bis keiner von uns mit seinem Messer eine dreizöllige Trosse mehr hätte kappen können. Aber die Stadt war nicht so menschenleer, als wir geglaubt hatten. Man hat nur im Süden die Mode, die Fenster mit Gitter- käden zu schließen und die Türen zuzusperren und drinnen wie auf der Lauer zu sitzen. Das geschieht wohl der Wärme wegen. Es dauerte nicht lange, so hatte sich das Volk versammelt, Herren mit Spazierstöcken und Schlingel aus den Straßen und Cafes mit Knitkekn und Tolchmessern, ja, selbst kleine, drollige, krummbeinige Karabinieris und Offiziere. Lange genug hielten wir uns und taten, was wir konnten" fuhr Big Charley gedankenvoll fort, und ich sah wieder, wie die Muskeln in seinem Arm sich spannten.Aber da wir ohne irgend- welche Hilfsmittel waren, endete die Sache damit, daß wir Haue kriegten, gehörige Haue, um der Wahrheit die Ehre zu geben. So ist denn weiter nicht viel davon zu sagen. Hebel mitgenommen, zer­kratzt und zerrissen, einige sogar ohne Mützen, kamen wir an den Hafen zurück. Einzelne bluteten aus kleinen Wunden, und John- sons, des Bergensers, Arm hing schlaff herunter. Ein Pflasterstein war ihm gegen die Schulter geschleudert. Uebrigens wurde der Arm nach wenigen Wochen wieder gut, aber solange er an Bord war, nannten wir ihnNelson". Glücklicherweise erschien unsere Dampjbarkasse gleichzeitig, um uns an Bord zu holen, und während der Fahrt geschah natürlich alles, was Waffer und ein paar Stecknadeln vermögen, um uns Prä- sentabel zu machen. Mr. Caroll, der Oberbootsmann, stand am Fallreep. Sofort sah er, was geschehen war, hieß uns aber, ohne ein Wort zu sagen, hinuntergehen. Der erste Steuermann, Mr. Croßby, machte eben seine Pro- menade aus Deck.Alle nüchtern?" hörte ich ihn Mr. Caroll fragen.Alle nüchtern, Sir!" lautete die Antwort, und weiter wurde kein Wort zwischen ihnen gewechselt. In der Nacht kam Mr. Schott und seine Gesellschaft an Bord, und am folgenden Morgen erschien ein Boot, das wir alle mit Unruhe erwartet hatten. Es war eine lange, weih gemalte Schaluppe, von sechs Kriegsschisfmvtrosen in schlechtem Takte ge- rudert, und voll besetzt von uniformierten Hcrrem die spanische Kriegsflaggc führend. Sie legte an, und die Herren in Uniform kamen herauf. Wir saßen just beim Frühstück, als die Signalpfeife ihr be- kanntes schrilles: Alle Mann aus Deck! ertönen ließ, und oben emp- fing uns Mr. Carolls Stimme, die mit einem kräftigen: Steuer- Bordwache achteraus! die Schafe von den Böcken schied. Da standen denn Kapitän und Steuerleute und Mr. Schott selbst in großer Jachtuniform, und seine Frau und Mrs. Stvnes, ihre Freundin, der Tokwr, Mr. Blunt und der Privaffekreiär nebst fünf goldgalonierten Herren mit blanken Knöpfen, einer in Zivil mit schwarzer Mappe unter dem Arm. Alle sahen uns forschend an, und der finstere Blick des Kapitäns verkündete Unheil. Die Damen machten ängstliche Gesichter und sprachen halblaut eifrig miteinander. Nur der Doktor, der ein Spaßmacher war, hatte einen Schelm im Auge und stellte sich neben Johnson, der seinen Arm in der Binde trug und bleich aussah. Jungens," begann der Kapitän,diese Herren sind mit schwerer Anklage gegen euch gekommen. Ihr habt grobe Gewalt ausgeübt, fremdes Eigentum zerstört und friedliche Leute lebens­gefährlich mißhandelt. Und das alles noch dazu am heiligen Sonn- tag. Ihr habt über unsere Flagge und über mich, der für euer Betragen verantwortlich ist, Schande gebracht. Was habt ihr zu eurer Verteidigung zu sagen?" Keiner antwortete. Wir standen da und sahen uns an. Lawlcy, der Bootmannsmaat, hätte nun als Aeltcster das Wort ergreifen müssen, aber er wurde nur unter den Blicken aller, die ihn ansahen, röter und röter.Tritt du vor, Bill," flüsterte ich dem Finnländer zu,du hast jedenfalls angefangen." So crzäbltc denn Bill die ganze Geschickte von Anfang bis zu Ende, ungefähr so, wie ich-sie jetzt erzählt habe. Von dem schweren Wagen und den kleinen mageren Mauleseln und von dem Zug- riemcn, der dem einen Handpferde tief ins Fleisch geschnitten. Wie er rasend geworden, als der Kutscher herzlos genug gewesen, fein Taschentuch wegzunehmen. Und wie er nur das Tuch wieder hatte zurücknehmen wollen, um es von neuem um den Riemen zu legen, und daß dann eine Prügelei daraus wurde. Er sagte, da er die Veranlassung zu dem Ganzen gewesen, so müsse die Strafe auch ihn allein treffen. Die anderen hätten nur ihre Pflicht als Kaincraden getan. Es wäre uns sehr leid, unserem Kapitän Verdruß bereitet zu haben, doch glaube er, daß Mr. Schott einsehen würde, daß den Kapitän keine Schuld träfe, und daß durch das unüberlegte Handeln einiger Matrosen kein Schatten auf das Sternenbanner fallen könne. Zum Schluß betonte er noch, daß wir aus dem Norden wir waren ja fast alle Skandinavier von frühester Jugend an gelernt hätten, Grausamkeit zu verabscheuen und Gewalttaten gegen Wehr« lose zu hassen und darum nur in guter Absicht gehandelt hätten, ohne zu bedenken, daß wir in unserer Hitzigkeit anderer Leute Eigentum oder Gesundheit schädigten. Genug, er tat, was er konnte, die ganze Geschichte zu erklären, und es schien sich einen Augenblick etwas für uns aufzuhellen. Mr. Schotts zornige Miene verschwand, und ich merkte, daß seine Frau Mrs. Stones ein paarmal lachend etwas zuraunte. Selbst der Kapitän sah nicht mehr so finster drein. Aber nun hättet ihr die Spanier hören sollen! Alle sprachen zu gleicher Zeit, schrien und klatschten in die Hände, und nach langem Hin- und Herreden fing der Kapitän wieder an:Man behauptet, daß ihr Waffen gebraucht habt, und die Gesetze dagegen sind äußerst streng." Nun konnte ich mich nicht länger halten, denn ich wußte, daß keiner etwas anderes als feine Fäuste gebraucht halle, außer dem Peitschenstiel gegen die Kutscher. Aber all das hatte ja Bill schon erzählt. Das einzige, was ich gesehen halle, war, daß gerade Bill