84

-

Der chinesische   Barbier ist auch Ohren- und Augenauspußer. Die Chinesen müssen großen Wert auf diese Art Reinigung der Hör- und Sehorgane legen, denn allenthalben sieht man sie sie bornehmen. Zu diesem Behuf wird der Kopf auf die seitliche Lehne des Sitzschemels gelegt, dann wird mit langen, dünnen Instru­menten und Bürstchen erbarmungslos im Ohr herumgewühlt. Ueber die Güte und Nüglichkeit einer solchen Prozedur werden die Euro­päer, die sie einmal überstanden haben, verschiedener Meinung sein. Jedenfalls sollte aber jeder sie erst einmal an sich selbst vornehmen Lassen, ehe er sich darüber ein Urteil erlaubt.

und

mit Seife mit heißem Wasser eingeseist" fiebt; fie steigern sich zur| sind bei ihm nicht nachzuweisen. Augustus   halle nur eine Tochter, Beklemmung, sobald der Blick auf das Rasiermesser fällt, und wenn und von dieser vier Enkelkinder. Wie er mit ihnen gestanden hat, mit diesem plumpen, feineswegs immer glatt geschliffenen Schab- geht daraus hervor, daß er drei von ihnen gewohnheitsmäßig als eisen über die Fassade gestrichen wird, glauist man gefoltert zu feine Giterbeulen oder Krebsgeschwüre bezeichnet haben soll. Tochter verden. Zum Glück für den Weißen ist die Rückständigkeit der und Enkelin wurden auch von ihm verbannt und starben in Glend Rasierer im Schwinden begriffen. Besonders in den Orten, die und Verlassenheit. Bei der Tochter Julia hat der Kaiser Tiberius  von der westlichen Zivilisation bespült werden, ist die Nasierkunst noch ein wenig nachgeholfen, indem er dafür sorgte, daß sie nicht zu schon auf höherer Stufe angekommen. Die fortschrittliche Gesinnung lange hungerte. Auch die beiden Enkel des Augustus starben jung wird durch Anschaffung von europäischen Messern und Seife be- und werden derartig geschildert, daß sie bereits entartet gewesen fundet. Freilich kostet es dann auch einen, sogar zwei Pfennig mehr. sein müssen. Da den Eltern des Augustus nichts nachzusagen ist, Aber was will dieser Preisaufschlag besagen im Vergleich zu den so begann der moralische Niedergang dieser Familie wahrscheinlich Vorteilen, die dafür geboten werden? mit Julia, der Tochter des Augustus, an deren Verwahrlosung der Kaifer vermutlich selbst schuld war. Von seiner zweiten Gattin Livia   hatte Augustus dann zwei Söhne: Tiberius Livia selbst wird als ein tüchtiger Mensch Drusus. geschildert, aber Tacitus   wirft ihr Ränkesucht und Heuchelei bor. Tiberius entwickelte sich zu einer maßlosen Lasterhaftigkeit, und feine lebte Lebenszeit auf der Insel Capri   ist berüchtigt. Sein Sohn Drusus   war faum um ein Haar besser. Der Neffe des Tis berius, der Kaiser Claudius, war wenigstens in späteren Jahren von höchster Nervenschwäche. Er stotterte, zitterte mit Stopf und Händen, litt an äußerst unregelmäßigem Schlaf, war also eine frühe Ruine. Ueber Messalina und ihren Sohn Britannicus  , der gleichfalls Epileptiker gewesen ist, braucht kaum etwas gesagt zu werden. Und nun endlich Caligula  , ein Urenkel des Augustus, und außerdem durch Blutsverwandtschaft mit der schlimmen Julia be­einträchtigt. Hier wirkte alles zusammen, um eine Grundlage von tiefer Entartung zu schaffen. Niemals wahrscheinlich hat dieser Mensch einen gefunden Tag erlebt, weder in förperlicher noch in geistiger Hinsicht, und später entwickelte er sich zu offenbarer Geisteskrankheit, die er übrigens selbst vorausgesehen hat. Dazu kam, daß er sich jede Ausschweifung gestattete. Er wird sogar von römischen Schriftstellern als der größte Ghebrecher und Blutschänder unter allen Männern bezeichnet. Später nahm sein Wahnsinn die tollsten Formen an, und die Ermordung des erst Dreißigjährigen befreite das Reich von einer Geißel, die kaum noch etwas Mensch­liches gehabt hatte. Mit Nero   ging das Geschlecht des Augustus schließlich zu Ende, und es war die höchste Zeit. Auch bei ihm ist ohne Zweifel echter Wahnsinn entwidelt gewesen, der auch in der Art der Betätigung große Aehnlichkeit mit dem seines Onkels Caligula   hatte.

$ 1

Der Mandarin.

Der Mandarin ist mit viel Macht und Nimbus ausgestattet. Wenn er seinen Yamen( Amtsgebäude) verläßt, um einen offiziellen Besuch zu machen, rennen ihm zwei Vorläufer voraus, die Ankunft des großen Mannes" ausschreiend. Diesen folgen zwei Gong­schläger, die in furzen Intervallen eine bestimmte Zahl mächtiger Schläge auf die Kupfertrommel tun, damit den Rang des Beamten anzeigend. Dann folgt der Mandarin selbst in einer Sänfte, die, je nach dem Rang, von zwei, vier oder acht Leuten getragen wird. inmittelbar vor der Sänfte wird ein riesiger Staatsfächer einher­geführt, zur Seite gehen Boten und Sekretäre. Verläßt der höchste Mandarin des Bezirks seinen Balast, so verkünden drei Schüsse der Bevölkerung die wichtige Begebenheit. Das Volf bildet in den engen Gassen Spalier. Keinerlei Hochrufe ertönen, feine Hüte werden geschwenkt( aus dem einfachen Grunde, weil die Chinesen solche nicht haben), tiefe Stille herrscht, die nur unterbrochen wird durch bie lauten Schreie der für den großen Mann" Plazz heischenden Trabanten.

-

Der hohe Beamte( Mandarin) ist nicht auf Rosen gebettet. Sein Arbeitstag hat kein Ende, seine Arbeit ist niemals getan. Ferien werden ihm nur beim Tode eines der Eltern gestattet. Für die Zeit der Trauer eines Sohnes um seine Eltern offiziell drei Jahre, in Wirklichkeit nur siebenundzwanzig Monate legt er fein Amt pro forma nieder. Dann mag er sich vielleicht noch zu Neujahr einige Tage Ruhe verschaffen. Die Stellung des Man­barin ist nicht nur mit Sorgen und viel Arbeit beladen, sondern sie ist auch keineswegs gesichert. Er hat Tadel für Dinge einzusteden, an denen er vollständig unschuldig ist, wie z. B. für eine aus­gebreitete Feuersbrunst, für Hungersnot oder Ueberschwemmungen in seinem Amtsbezirk.

Dher Ball sagt in seinem Buche:" The Chinese at Home", dem Einem wir für unsere Darstellung vieles entnommen haben: Hoch in Macht stehenden Gegner ist es nicht unmöglich, den Mandarin gu ruinieren, indem er ihn öfters befördern läßt. Saum hat er sich in einem Ende des Reiches niedergelassen, so mag er auf gefordert werden, eine Stelle im anderen Ende anzutreten. Des armen Beamten Barmittel und Einkünfte sind bald erschöpft, und er sieht sich dem Ruin gegenüber."

Kleines feuilleton.

Geschichtliches.

Aus dem Pflanzenleben.

Weißbunte Pflanzen. Die Regel, daß die Blätter der Pflanzen grün sein müssen, erleidet mancherlei Ausnahmen; nicht nur gibt es Pflanzen, deren Blätter von Haus aus andere Farben zeigen, sondern auch an sonst grünblättrigen Pflanzen treten hin und wieder Triebe mit bunten, zumeist weißbunten Blättern auf. So­weit solche Pflanzen mit weißbunten Blättern im Zimmer gepflegt werden, läßt sich oft beobachten, daß nach den weißbunten Blättern wieder folche von nur grüner Farbe erscheinen. Manchmal schauen dergleichen Pflanzen, die in der Jugend weißbunt waren, im Alter vollständig grün aus. Man sagt, die Pflanzen sind aus­geartet; richtig bezeichnet, müßte es beißen, die buntblättrigen Pflanzen find in die grünblättrige Urform zurüdgeschlagen. Als zwei typische Beispiele für solche Pflanzen seien die Plektogyne und die Tradeskantie genannt, die im Zimmer viel gezogen werden, fo­wohl grünblättrig als auch buntblättrig.

Die Ursachen dieser Buntblättrigkeit sind noch nicht voll erklärt. Nach Sorauer spielen zunächst gewisse Druckverhältnisse in den Knospen eine Rolle. Durch Drud wird die Ausbildung des leitenden Strangsystems gehemmt und damit zu gleicher Zeit die genügende Füllung der Zellen mit plastischem Material bereits in der Anlage gehindert. So haben wir uns die Erscheinung zu er flären, daß aus einem seither grünblättrigen Zweige plöglich ein weißbeblätterter Trieb hervorbricht. In den Kulturen der Gärtner hat die Erfahrung gelehrt, daß relativer Lichtüberschuß unbedingt begünstigend wirkt. Pflanzen, die zur Buntblättrigkeit neigen, find Cäsarenwahnsinn. Unter den römischen Kaisern sind dann am intensivsten gefärbt, wenn ihnen recht viel Licht zuteil gewiß bedeutende Persönlichkeiten gewesen, aber auch mehrere wurde; bei schattigem Standort und genügender Wasser und Stid Törperlich von vornherein entartete und minderwertige Existenzen. stoffzufuhr bleiben die Pflanzen grün. Die Pflanze fann sich im Es ist ein sicherlich fesselndes Unternehmen, wenn ein geschulter Schatten langsamer entfalten und dem vegetativen Wachstum mehr Arzt, der gleichzeitig die nötigen Fähigkeiten zur philologischen und Rechnung tragen: fie vermag mehr Blattgrünkörperchen zu historischen Forschung bejizt, die Geschichte der Krankheiten bei den erzeugen, deren sie infolge geringerer Lichtbestrahlung auch cömischen Kaisern zu ergründen versucht. Das hat Dr. Kanngießer in erhöhtem Maße bedarf. Weil es den Pflanzen im Zimmer zu in der Wiener Klinischen Wochenschrift für das Geschlecht der meist an Licht gebricht, verliert sich bei weißbunten Zimmerpflanzen Will man die bunte Blattfarbe Julier ausgeführt, das mit Julius Casar   beginnt. Cäsar selbst die Buntblättrigkeit so leicht. wird von den Geschichtsschreibern eine epileptische Anlage nach erhalten, so muß man den Pflanzen stets viel Licht zukommen gesagt, und auch Shakespeare   ist dieser Angabe gefolgt und hat lassen; übermäßige Düngung befördert das Vergrünen, man muß gleich in der ersten Szene seines berühmten Trauerspiels den mithin die buntblättrigen Pflanzen an schmale Kost gewöhnen. Krampfanfall, der den Cäsar in der Rennbahn ereilt, mit allen Aber auch die Temperatur fann einen Einfluß befizen, denn die realistischen Einzelheiten geschildert. Dr. Kanngießer erörtert die Gärtner fennen Pflanzen, die im Winter im althause, bei höchstens Frage, ob diese Epilepsie Cafars angeboren oder erworben war, er- 4 Grad Wärme, eine starke weiße Färbung der Blätter aufweisen vorben vielleicht durch Aderverkalkung, Alkoholmißbrauch oder Ge- und die diese weiße Färbung fofort aufgeben, wenn sie im Warm­Schlechtskrankheit. Jedenfalls scheint sich die Epilepsie bei Cäsar hause bei hoher Wärme zu gesteigertem Wachstum veranlaßt werden. erst in höherem Alter gemeldet zu haben, was eine Geburtsanlage Künstlich hervorrufen läßt sich die weiße Färbung der Blätter nicht völlig ausschließt, aber ihre spätere Entisidlung wahrscheinlich bei manchen Pflanzen, wenn weißbuntblättrige Triebe auf grün­macht. Der Nachfolger Cäsars, Augustus, war zweifellos schwächlich blättrige Triebe gleicher oder doch nahe verwandter Arten veredelt und fräntlich, was selbst die von teiechender Bewunderung erfüllten werden. Das buntblättrige Pfropfreis beeinflußt die grünblättrige Sistoriker zugegeben haben. Ranngießer bezeichnet ihn als einen Unterlage derart, daß aus dieser auch Buntblättrige Triebe herbor grausamen und heimtückischen Autokraten. Eigentliche Krankheiten brechen.

h.

Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin  . Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Sing- t& Co., Berlin   SW