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behilflich, während der Haushofmeister mit feierlicher Miene die Volfes pflegen immer eine ehrliche und treue Spiegelung seiner dampfende Suppe aus der silbernen Terrine auf die Teller goß. Lebensgewohnheiten zu sein. Nun sind die Helden und Könige Woronzow nahm mitten an der langen Tafel Platz. Ihm der skandinavischen Sagen meistens vielbeweibt! Kann es über­gegenüber faß die Fürstin, seine Gemahlin, mit dem General, zeugendere Beweise für die rechtmäßige Existenz der Vielehe im während die schöne Orbeliani zu seiner Rechten und eine schlanke germanischen Altertum geben? Allerdings stehen diesen andere junge Grufinierin aus fürstlichem Geschlecht, dunfeläugig, rot nordische Sagen gegenüber, in denen nur von Einehen die Rede ist. wangig, beständig lächelnd und mit reichem, blizendem Schmuck Das sind aber merkwürdigerweise gerade die Sagen, die wir nicht angetan, zu seiner Linken saẞ. mehr in ihrer ursprünglichen Form, sondern nur in Bearbeitungen vor uns haben, in denen unschwer die bessernde Hand mönchischer Redakteure zu erkennen ist. Auch bei den Ost- und Westgoten, bei den Meromingern, wie bei den Franken überhaupt, läßt die Vielehe sich nachweisen. Cheribert I. hatte viele Frauen, während Dagobert I. ( 628-638) deren Zahl auf drei beschränkte, zu denen allerdings noch viele Nebfinnen famien. Philipp II. hatte ein halbes Jahrhundert später nur noch zwei, Karl der Große hingegen wieder fünf edle Gemahlinnen, die durch öffentliche Verlobung, Brautkauf und Heimführung rechtmäßig geehelicht worden waren.

"

Ausgezeichnete, teure Freundin," antwortete Woronzoto auf die Frage seiner Gemahlin, was für Nachrichten ihm der Kurier gebracht habe." Simon hat Glück gehabt."

Und er erzählte so laut, daß alle, die am Tische saßen, es hören konnten, daß der berühmte Chadschi- Murat, der tapfere Unter­anführer Schamyls, sich den Russen ergeben habe und heute oder morgen in Tiflis eintreffen werde. Für alle Anwesenden außer ihm selbst war die Nachricht eine Ueberraschung; er selbst wußte, baß Unterhandlungen betreffs der Uebergabe bereits seit längerer Zeit geführt worden waren.

Alle Tischgäste, selbst die jungen Adjutanten und Beamten, die unten an der Tafel saßen und eben noch über irgend etwas leise gelacht hatten, verstummten plöblich und hörten zu.

" Und Sie, General, sind Sie diesem Chadschi- Murat jemals begegnet?" fragte die Fürstin ihren Nachbar, den rothaarigen General, als der Fürst zu sprechen aufgehört hatte.

Gewiß, mehr als einmal, Fürstin!"

Und der General erzählte, wie Chadschi- Murat im Jahre 1843, nach der Einnahme von Gergebil durch die Bergbewohner, auf eine russische Heeresabteilung unter General Basset gestoßen sei, und wie er fast unter ihren Augen den Oberst Colotuchin getötet habe. Woronzow hörte mit leutseligem Lächeln zu, wie der General erzählte, und war anscheinend durchaus nicht unzufrieden damit. Blößlich jedoch nahm sein Gesicht einen zerstreuten und müden Ausdrud an.

Der General, der recht ins Plaudern hincingekommen war, berichtete jest, wie er zum zweiten Male mit Chadschi- Murat zu­fammengetroffen sei.

Er war es ja, wie sich Ew. Durchlaucht erinnern werden, der damals bei der Expedition gegen Schamhls Hauptfestung Dargo die Truppen in einen Hinterhalt loďte, daß sie nur mit Mühe her­ausgehauen werden konnten," sagte der General.

Wo war das?" fragte Woronzow und blinzelte mit den Augen. ( Fortsetzung folgt.)

Vielebe in

in Deutschland .

Von Kurt Weiße.

Die wenigsten wissen, daß Germanien einmal Jahre gesehen hat, in denen die Vielche die übliche Pragis des ehelichen Lebens der Geschlechter war. Wir haben Tacitus ein wenig zu viel Glaub­würdigkeit zugemessen. Als dieser im Jahre 98 n. Chr. sein be­rühmtes Buch über Deutschland schrieb, verglich er die Germanen mit seinen Römern und empfand es als eine besonders nennens­werte Tugend der Leute vom Rhein , daß sie sich im allgemeinen mit einer Frau begnügten. Seit dieser Bemerkung des Tacitus steht es für alle Welt fest, daß die Vielche in Deutschland nicht und nie existiert habe. Aber die Taciteische Konstatierung fann nicht endgültig sein. Denn zeitlich und lokal beschränkt kann sie sich nur auf jene Beiten und Striche beziehen, die Tacitus mit eigenen Augen in Deutschland sah. Was seine Blicke auffingen, das waren Gegenden und Menschen, die schon gar nicht mehr das eigentliche Urgermanentum darstellten. Das waren süddeutsche und rheinische Certlichkeiten, deren Bewohner damals schon lange Zeiten in stän­diger Berührung mit dem Römertum lebten und dadurch bereits im Begriff waren, die ihnen eigenen alten Anschauungen und Bräuche abzustreifen. Anders bei den Stämmen im Norden, auf die die fremdvölkische Lebensprayis noch keine Gelegenheit hatte abzufärben. Und daß bei ihnen andere Normen galten, daß bei ihnen die Einehe nicht die übliche Lebensform der Geschlechter war, bas bezeugen die literarischen Dokumente ihrer Zeit. So erzählt Adam von Bremen in seinem Geschichtswert von den Skandina­biern, daß sie in allem Maß hielten, nur nicht im Verhältnis zu den Weibern. Jeder hat nach der Größe seines Vermögens deren zwei, drei oder mehr zugleich, die Reichen und Fürsten unzählige." Daß dies richtige legale Ehen waren, geht daraus hervor, daß die Kinder aus all diesen Verbindungen nach Erledigung gewisser Formalitäten als vollberechtigt gelten fonnten.

Jns Gewicht fällt dabei, daß sich die Angaben Adams von Bremen auf eine Welt beziehen, in der sich in Deutschland bereits das Christentum ausgebreitet hatte und in der die Einehe bei den weiter westwärts wohnenden Stämmen schon zur allgemeinen Herr­schaft gelangt war. Im Gegensatz hierzu waren die nordischen Landschaften von der römisch- christlichen Ethik noch gänzlich un­berührt. Hier herrschten noch die ursprünglichen Zustände, und daß in diesen die Vielehe die Regel war, beweist das ganze Schrift­tum des Nordens, beweisen besonders die skandinavischen Rechts­altertümer, in denen sogar eine juristische Regelung der aus der Bielehe entspringenden Verhältnisse enthalten ist. Dokumente der Vielehe sind auch die nordischen Sagen. Die Eagen eines

Die skandinavischen Rechtsaltertümer fennen neben der Ehe­frau und der Kebfin noch die Friedel und die Frilla und bezeichnen mit diesen Namen verschiedene Rechtsverhältnisse der Weiber zu den Männern, wobei die letteren in ihren Beziehungen zu den Weibern völlig unbeschränkt waren. Die Frau fonnte wohl dem Manne gegenüber die Ehe brechen, nie aber der Mann der Frau gegenüber. Die rechtliche Stellung des Kindes ist nicht in erster Linie davon abhängig, daß es in rechtmäßiger Ehe geboren ist, sondern davon, daß es die Anerkennung des Vaters erlangt hat. Sehr rührend ist es, was die alten Sagen von den Bemühungen der Frau erzählen, sich aus den unwürdigen Fesseln der Vielehe herauszuringen, die Schar der Nebenbuhlerinnen zu verringern und sich den Platz der einzigen Lebensgefährtin des Gatten zu er­fämpfen. Wer kennt König Alrak von Goedaland? Der hatte der Eage nach zwei Frauen. Weil fic ununterbrochen miteinander im Streite lagen, beschloß er, sich einer zu entledigen. Er wollte die behalten, die ihm das beste Gebräu liefern würde. Es gelang der einen, Geisbild geheißen, mit Odins Hilfe den Preis in diesem Wettbewerb zu erlangen. Ob freilich König Alraf ein ganz un­parteiischer Richter war? Es regt sich ein leiser Zweifel, wenn man diese Sage liest und dabei erfährt, daß die nunmehr zur einzigen Gefährtin erforene Geisbild ein junges und wohl auch schönes Weib gewesen ist. Wäre für das Urteil des Königs nur das gebraute Getränk maßgebend gewesen. so hätte doch wohl zweifelsohne die ältere Nebenbuhlerin den Preis davongetragen, die gewiß über eine reichere Erfahrung im Getränkebrauen und in der Geschmacks­richtung des Königs verfügte.

Ernster und wärmer flingt schon, was uns die Tage von der Königstochter Ragnhild berichtet. Sie läßt dem Norweger Herald Schönhaar, da er sich um ihre Hand bewirbt, erklären, fein König sei so mächtig, als daß sie sich mit dem dreißigsten Teil seiner Liebe begnügen fönnte, worauf Herald in leidenschaftlicher Wallung seine zehn Ehefrauen und zwanzig Kebfinnen fortschickt und Ragn­hild als einzige heimführt; dieselbe, unter deren Einfluß er sich später die Stellung eines norwegischen Großfönigs erkämpfte. Auf einer schon wesentlich fortgeschrittenen Stufe steht die schwedische Königswitive Sigrid, die den König Herald Groensti abweist, weil er bereits verheiratet sei; sie empfindet die fortgesette Bewerbung des Königs so sehr als Schmach, daß sie sich in ihrer Empörung im Einvernehmen mit des Königs Gemahlin Asta des Nachts in seinem Schlafgemach verbrennen läßt; Asta ist noch mehr darüber empört als Sigrid, daß es den König nach mehr Weibern gelüftet".

Bald gefellten sich aber zu den Frauen in ihren Bemühungen zur Verdrängung der Vielehe das Christentum und die Kirche. Es war nicht nur die mönchische Asfeje der christlichen Ethik, die der Vielehe als einer Aeußerung weitlicher Sinnlichkeit die Fehde erklärte. Wenn das Christentum die Durchführung der Einche begünstigte, so geschah das auch deshalb, weil es die Religion der Armen war, deren Eheform die Einche darstellte. Nur der Reiche konnte sich mehrere Frauen halten. Das war bei den alten Germanen genau so wie bei den Mohammedanern, wo sich auch heute nur noch der Arme mit einer Frau begnügt. Nun nahm sich die Kirche sonderlich der Armen an. Wollte sie ihnen ihr Recht schaffen, so mußte sie dem Reichen das Privileg auf eine Bielheit von Frauen nehmen. Natürlich drängten auch ideelle Motive die Kirche in ihre extreme Stompfstellung gegen die Viclehe. Die Verbindung des Mannes mit nur einer Frau wird zur Folge haben, daß sich engere seelische Beziehungen zwischen ihnen fnüpfen. So bringt die dauernde Lebensgemeinschaft von Mann und Weib in der Einche in das Verhältnis der beiden Geschlechter ein Stüd Eeclenfultur.

Kleines feuilleton.

Kunst.

Die jury freie Kunstsch a u. Man wollte diesmal nur Skizzen und Studien zeigen; das erhöhte die Gefahr, die einer juryfreien Ausstellung von vornherein anhaftet, die Gefahr, daß jeder kommt, jeder, der ein wenig den Pinsel oder den Stift zu handhaben weiß. Werden fertige Bilder verlangt( wie das vorige