einwandfrei erwiesen, daß die Tcmperawr einen weitgehenden Ein» fluß auf die Färbung vieler Tiere besitzt. Einen schönen Belag bieten dafür, um wenigstens ein Beispiel zu nennen, die Lennninge. In ihrer nordischen Heimat färben sich die Lennninge bekanntlich beim Herannahen der rauhen Jahreszeit Welz um. Hält man die Tiere dagegen in der warmen Stube, so behalten sie auch im Winter ihr graues Kleid. Wahrscheinlich werden überhaupt die nordischen Tiere ihr weißes Pelzwerk nicht durch natürliche Auslese er- halten haben, wie die Darwinianer meinen, sondern die Kälte wirkt bleichend auf die Haarfarbe und die Naturzüchtung tritt nur noch unterstützend hinzu, indem sie die nicht angepaßten Individuen aus- merzt. Etwas Entsprechendes gilt wohl für die meisten Fälle so- genannter Schutzfärbung. Wir konnten in dieser kurzen Uebersicht nur willkürlich einige Beobachtungen herausgreifen. Aber selbst diese wenigen Beispiele zeigen schon, wie weitgehend sich der Einfluß der letztjährigcn Hitze aus die Welt der Lebewesen geltend machte. Wir könnten wahr- scheinlich noch zahlreiche wichtige Aufschlüsse erwarten, wenn alle auch nur zufälligen Beobachtungen sorgfältig zusammengetragen würden, damit berufene Fachleute sie entsprechend auswerten könnten. Hier bietet sich auch für den Laien ein Feld, um tatkräftig die wisienschaftliche Forschung zu unterstützen. Nu kleines femUeton» Zeitgenossen über die heutige Schule. Der sozialdemokratischen ftritik unseres heutigen Schulelends wird von den an ihm inter - essierten geschorenen und gescheitelten, behelmten und befrackten Machthabern agitatorische Uebertreibung vorgeworfen. Demgegen- über ist ein kürzlich im„Hilfe"verlag erschienenes Buch von Beden- tung, das die auf eine Rundfrage eingegangenen Antworten von g44 hervorragenden Bürgerlichen(vorwiegend Schriftstellern, Dich- tern und Künstlern) über das heutige Schulsystem zusammenstellt.') Das Gesamtresultat ist eine beispiellos vernichtende Kritik unserer Echulx. Soviel verbitterte, von verhaltener Wut und Empörung durchzitterte, oder von schmerzlicher Resignation erfüllte Worte über die Leiden der Schuljahre, wie in diesem Buche, finden sich kaum in der gesamten sozialistischen Literatur. Dabei find die bürger- liehen Ankläger zum Teil mit hohen Titeln und Orden ausgezeich- nete Staatsstützen, und. was besonders beachtenswert, die Urteile beziehen sich nicht einmal auf die so arg vernachlässigten Volks- schulen, sondern fast ausschließlich auf die höheren Schulen, allen voran die Gymnasien, die sich als Bildungsstätten der herrschenden Klasse besonderer Fürsorge erfreuen. Daß die geistige Elite des Bürgertums zu einem so verdam- Menden Urteil über die heutige Schule kommt, ist ein bemcrkens- wertes Zeichen der Zeit. Ein Schulsystem mit seinem Lehrstoff ist nicht etwas Absolutes, für alle Zeiten Gültiges, sondern ent- sprechend dem Wandel der gesellschaftlichen Bedürfnisse und des allgemeinen Bildungsgehaltes tiefgreifenden Veränderungen unter- warfen. Es wird um so geisttötender, kulturwidriger und halt- loser, je mehr es, wie unser heutiges Schulsystem, entgegen der gesellschaftlichen Entwickelung in ehemaligen Formen, die aus einer Wohltat schon längst zur Plage geworden sind, erstarrt. Die bürgerliche Schulreform ist bestrebt, die sich immer ver- größernde Kluft zwischen Schule und Leben zu überbrücken. Hier- bei zeigt es sich, daß Forderungen, die die Sozialdemokratie schon dar Jahrzehnten vom prinzipiellen Standpunkt aus gestellt hat, plötzlich als nagelneue bürgerliche pädagogische Weisheit austauchen. So ist der schon früher besonders von Sozialisten vertretene Ge- danke, die Arbeit zur Grundlage des gesamten Unterrichts zu machen, neuerdings geradezu zur Modesache in der bürgerlichen Schulreform geworden. Die bürgerliche Schulreform kann aber höchstens theoretische Fortschritte machen; es ist ihr Schicksal, daß ßie nie zu nennenswerter praktischer Verwirklichung kommen kann. Die immer zunehmende Furcht und Verwirrung über die wachsende Revolutionierung des Proletariats, die die gesamte politische Reak- tion verstärkt, verhindert jeden nennenswerten Fortschritt auf dem Gebiete des Schulwesens. Die politische Macht in den Händen des Bürgertums wird immer mehr zu einer Fessel für den kulturellen Aufstieg. Darunter leidet nicht allein, wenn auch in erster Linie, das Proletariat, sondern auch das Bürgertum selbst, das um seiner Herrschaft willen die eigene Jugend geistig hungern lassen muß. Es ist natürlich, daß die besonders Begabten die größten Qualen erdulden, wenn durch leblosen öden Formel- und Gedächtniskram das schöpferische Denken ertötet, die Phantast: gelähmt, jede künstle- rische Regung verkümmert und der jugendliche Drang nach Frei- sheit durch absolute Disziplinbegriffe unterdrückt wird. Hiervon einige Proben: Jakob Wassermann :.. Ich muß gestehen, daß diese Schuljahre etwas von einem bösen Traum haben. Tyrannei, tGleichgültigkeit, Mißachtung, Verachtung... Erziehung zum Wuchstabcnglauhen, zur Strcberei, Geringschätzung körperlicher und ') Alfred Graf: Schülerjahr c, Erlebnisse und Urteile namhafter Zeitgenossen. Fortschritt(Buchverlag der»Hilf«"), Werlin-Schöneberg. 1Q12. Preis broschiert 4 M. geistiger Freiheit, aller Jugend» und Jungenlust, unabänderliches und ewig sich wiederholendes Schauspiel der Engherzigkeit, der Nörgelei, der Berufsunfreude.— was will man noch mehr? Da? war die Schule. Ein gehaßtes herzbeklemmendes Bollwerk vor dem Leben..." Karl Spitteler :„Ich habe bis zu meinem 15. Jahre dr� Schule verwünscht, nach meinem 15. Jahr die Schule verflucht." Karl Henckell :„Es ist schmerzlich, aber wahr: was ich dem Leben durch Lust und Leistung danken kann, danke ich ihm trotz meiner Schuljahre... Die Schuljahre hahen auf mich eher lähmend, verwirrend und isolierend gewirkt als das Gegenteil, Das ist ohne Anklage der einzelnen persönlichen Lehrelemente, unter denen gewiß Einsichtige und Wohlwollende nicht fehlten, aber mit schwerer Anklage des ganzen Schulsystems gesagt." Johannes Schlaf :„Für die meisten meiner Jugend'- kameraden, mit denen mich ein selbständiges, geistiges Streben verband, bedeutete die Schule ein Stück Tragik. Dieser und jener behauptete wohl, daß sie ihm ein für allemal sein Leben zerstört hätte." Prof. Miethe:„Mich dünken die Schuljahre in meinem nicht leichten und arbeitsvollen Leben die schwersten und seelisch elendesten. Sie erscheinen mir wie eine Zeit unbegreiflicher gei- stiger Knechtschaft. Ich vermag auch bei ruhiger Zurückversetzung rn ihnen keinen lichten Moment zu entdecken. Das.Glück meines Jugendlebens hat keine Beziehung zur Schule." Hermann Bahr :„Ich konnte über meine„Schülerjahre" nichts sagen, als daß sie die schlimmste Zeit meines ganzen Leben? gewesen sind, die einzige, die ich um gar keinen Preis noch einmal erleben möchte." Völkerkunde.' D i e B a g a n d a. In der Landschaft Uganda , in Britisch-Ost- afrika, haust der Stamm der Baganda, eines der interessantesten Völker des ganzen Erdteils. Der Missionar Roscoe, der volle fünf» undzwanzig Jahre bei den Leuten gelebt hat und sie daher wohl am besten kennt, hat seine reicken Erfahrungen über die Baganda jetzt in einem umfangreichen Werk niedergelegt. Es find außer« ordentlich kräftig gebaute und gesunde Menschen, und ihrem auf» rechten Wuchs entspricht auch ein hoher sittlicher Standpunkt. Zum wenigsten sind sie frei von sozialen Lastern und Verirrnngen, wie sie den afrikanischen Völkern sonst nicht fehlen. Dennoch nennt sie Roscoe den vollendeten TypuS eines wilden Volkes, wie sie sich denn auch bis auf den heutigen Tag von ihrer Vorliehe für Menschenopfer nicht haben bekehren lassen. Das gehört ehen bei ihnen zur Religion. Auch äußerlich zeichnen sich die Baganda sehr vorteilhast dadurch aus, daß sie ihren schönen Körper in keiner Weise verunstalteir und verunzieren. Sie kennen keine Tätowierung, keine Schmucknarben, keine Ver» stümmelung der Zähne oder anderer Körperteile. Man sollte glauben, daß diese Menschen in jeder Hinsicht eine hervorragend« Selbständigkeit besitzen, und dennoch haben sie die Eigenschaft und Neigung der Nachahmung in einem Grade, der fast komisch wirkt und an das Affengeschlecht erinnert. Allerdings ist diese Gabe auch mit allen Vorteilen verbunden, deren sie fähig ist, indem sie früh und schnell zu Fertigkeiten führt. Die Baganda haben infolgedessen eine verblüffende Auffassungsgabe für industrielle Verrichtungen. Man braucht ihnen einen neuen Gegenstand und seine Anfertigung nur einmal vorzuführen, und diese Leute sind von einem brennenden Ehrgeiz besessen, das Ding nachzumachen. Ist die Aufgabe nicht allzu schwer, so wird sie von ihnen mit solcher Vollkommenheit gelöst, daß oft die Nachahmung kaum vom Original zu imter» scheiden ist. Alle möglichen Geräte, wie Tische, Stühle, Schuhe und dergleichen, die von Europäern ins Land gebracht wurden, find von den Baganda bis aufs kleinste nachgebildet worden. Sogar vor größeren Umwälzungen scheuen diese Menschen nicht zurück, wenn sie>mr ihren Nachahmungstrieb befriedigen können. So haben sie auch ihre alten Gebräuche im Hausbau auf» gegeben, und man findet dort Häuser aus Ziegeln mit eisernen Dächern, die von den Baganda freiwillig nach europäischem Muster gebaut sind. Die sonderbare Eigenschaft ist bei dem Volk so aus- geprägt, daß sie sich schon bei den kleinen Kindern zeigt, die ihr Spielzeug genau nach dem Vorbilde der Waffen und Geräte an» fertigen, die von den Erwachsenen im Ernst gebraucht werden. Bei einem europäischen Kinde würde man solche Arbeiten für einen Beweis ganz besonderer Geschicklichkeit und Begabung halten. Manche Bagandajungens waren durch den Anblick des ersten Fahrrades in solche Aufregung versetzt worden, daß eS ihnen keine Ruhe ließ, bis sie sich solche Dinger mit Rädern und Speichen aus Holz, Rohr und anderem Material hergestellt hatten. Ihrer Herkunft und Verwandtschaft nach gehören die Baganda übrigens zu der großen Völkerfamilie der B a n t u, die über den ganzen Erdteil verstreut ist. Sie stehen auch wirtschaftlich ziemlich hoch, wie man schon nach der Betätigung ihres Nachahmungstriebs voraussetzen darf, da sie dazu selbstverständlich eines großen Materials und zahl» reicher Geräte bedürfen. Auffallend ist auch ihre reichliche Be» kleidung, die in langen Mänteln aus Rindenstoff besteht und nach der Art der römischen Toga getragen wird. Jedes BagandahauS hat seinen eigenen Garten, in dem alles gezogen wird, was der Haushalt braucht. Ihre StaalSform ist erbliche Monarchie, die an» geblich seit llXX) Jahren in derselben KönigSfamilie ist._ Verantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin.— Druck u. Verlag: vorwärtsBuchdruckereiv.VerlagsanstaltPap'SingertCo.,BerlinSU.
Ausgabe
29 (14.2.1912) 31
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