Nnterhattmlgsblatt des vorwärts Nr. 33. Freitag, den 16. Februar. 1912 (Nachdruck vervolen.) sg' Pelle cler Eroberer. Der l,ruj»e Kampf. Roman vonMartinAnderfenNexö. Pelle ging gleich zu Ellen in die Küche hinüber und nahm sie mit sich. Hand in Hand gingen sie umher und sahen die zuletzt angekommenen Geschenke an. Ta war eine Tisch- lampe, eine Kuchenschüssel aus Neusilber und einige emaillierte Küchengerätschaften. Irgend jemand hatte ein kleines Wickelkind aus Porzellan geschenkt, aber vergessen, sich zu nennen. Ellen zog ihn in den Flur hinaus, um ihn zu umarmen, aber da stand Marten und legte ab. Dann flüchteten sie in die Mche hinüber, aber da regierte ja die Kochfrau: in der Schlafstube fanden sie endlich einen ungestörten Fleck! Ellen schlang die Arme um Pelles Hals und sah ihn stumm an, ganz versunken in Glück und Sehnen. Und Pelle preßte den lieben, schlanken, jungfräulichen Körper an sich und sah ihr tief in die Augen, die dunkel und schattenvoll waren wie Samt und sein Licht in sich einsogen. Sein Herz schwoll in ihm, er fühlte sich unsagbar glücklich, reicher als irgend jemand auf der Welt durch den Schatz, den er in seinen Armen hielt. Fm stillen gelobte er sich, sie zu schützen und zu hegen und keinen anderen Gedanken zu haben, als sie glücklich zu machen. Aus den Stuben heraus scholl ungeduldiges Trampeln. Das junge Paar, das junge Paar!" wurde gerufen. Sie eilten hinein, jedes durch eine Tür. Man stand am Tisch auf- gestellt und wartete auf sie, um Platz zu nehmen.Na, das ist nicht schwer, zu sehen, was Ihr da vorgehabt habt," sagte Stolpe neckend.Man braucht ja nur die Guckaugen des Mädels anzusehen, solch ein paar glühende Kohlen." Otto Stolpe, der Schieferdecker, war Mundschenk und er- öffnete die Mahlzeit, indem er Branntwein anbot.Einen kleinen Schnaps," sagte er zu jedem,wir müssen doch mal sehen, ob die Rinne'n Abfluß hat, sonst verstopft sich die Sache so leicht." Na, schafft Ihr was, Leute?" fragte Stolpe oben vom Tischende her, wo er saß und Braten absäbelte.Man immer drauflos mit den Bauklötzen." Er hatte das junge Paar zur Rechten und den neu- gcbackenen Gesellen Fredcrik zur Linken. Vor ihm auf dem Tisch stand ein neuer Nachttopf mit einem weißen Holzdeckel darüber: die Gäste sahen danach und lachten einander zu. Was guckt Ihr?" fragte er ernsthaft.Habt Ihr was nötig, dann raus mit der Katze." Ach, das ist die Terrine da!" antwortete sein Bruder Zimmermann, ohne eine Miene zu verziehen.Meine Frau tnöcht sie gern mal'nen Augenblick leihen, sagt sie." Seine Frua fuhr entsetzt auf und schlug ihn auf den Rücken. Ungetüm," sagte sie und lachte halb beschämt.Immer müssen einen die Männer zum Narren haben.' Dann hieb man wieder ein und ließ für eine Weile das Essen den Mund stopfen. Von Zeit zu Zeit wurde eine drollige Bemerkung gemacht.Hier sitzt man übrigens und tut sich gut, während andere sich abmühen müssen," sagte der Pardauzspringer, Ottos Arbeitskamerad. Das sollte heißen, daß er keinen Braten mehr hatte.Lang' ihm doch das Zahn- fleisch mal hin, Mutter," sagte Stolpe. Als der Hunger ge- stillt war, ging es so recht los mit den Witzen. Mörlens Ge- schenk war ein großer Bienenkorb. Es war ein wahres Kunst- werk: cr hatte ihn in Pyramidenform gemacht. Auf der Spitze stand ein junges Paar aus Zucker und hielt einander umschlungen, dahinter, auf einem Lackbilde, ging die Sonne auf, und auf den Stufen der Pyramide krabbelten verschiedene Gestalten in die Höhe und streckten die Arme nach dem Gipfel aus. Zu dem Kuchen wurde Wein eingeschenkt, und Marten hielt eine kleine Rede an Pelle, die handelte von Treue gegen den neuen Kameraden, den er sich gewählt hatte. Scheinbar galt die Rede nur Ellen, aber Pelle verstand, daß seine Worte viel weiter ausgelegt werden sollten, sie hatten immer einen doppelten Boden. Hab Dank, Morien," sagte er bewegt und stieß mit ihm an. Dann hielt Stolpe eine Ermahnungsrede an die Neu- vermählten. Die war voll der köstlichsten Einfälle und wurde mit Jubel aufgenommen. Ja, seh mal einer, so kann Vater reden," sagte Frau Stolpe.Wenn es nicht drauf ankommt, dann kann er." Was sagst Du da, Mutter?" rief Stolpe' erstaunt aus., Er war nicht an Kritik von der Seite her gewöhnt.Hört doch bloß mal, nun fängt schon die eigene Frau an, einem das Gerüste unterm Leib wegzureißen." Ja, das sag ich!" entgegnete sie und sah ihn kühn an. Ihr Gesicht war ganz heiß von dem Wein geworden.Steht wohl einer so im Vordergrund wie Vater? Er war der erst-e, und der eifrigste ist er immer gewesen, er hat ein gut Stück Arbeit getan, mehr als die meisten. Er hätt' heut gut einer von den Führern sein können und den Ton angeben, wenn nicht das verdammte Schlucksen wäre. Klug ist er, und seine Kameraden haben auch Respekt vor ihm, aber was kann das alles nllhen, wenn man schluckst? Jedesmal, wenn er auf einer Rednertribüne stand, befiel ihn das Schlucksen. Das wird doch woll nicht vom Branntwein kommen?" fragte der kleine dicke Pardauzspringer, Albert Olsen. Ach nee, Vater hat nie Flaschcnagitation betrieben," ank- wartete Frau Stolpe. Das war'ne schöne Rede, die Mutter mir da hielt," sagte Stolpe lachend,und sie hat nicht geschluckst,'s is erstaunlich, daß es Menschen gibt, die nicht schlucksen können! Aber dann ist ja nun die Reihe an Dir, Froderik. Nu bist Du Ge- selle geworden und.sollst selbst die Verantwortung über- nehmen, daß das Ding in Lot und Winkel kommt. Wir haben ja auf dem Gerüst zusammengearbeitet und kennen uns ziem- lich gut. Manchmal bist Du ein Clown gewesen und manch- mal ein Schafskopf, und an einer Ohrfeige von Deinem Alten hat's auch nicht gefehlt. Das war hauptsächlich in Deinen Lllmmcljahren. Wenn Du bloß wolltest, dann wäre nichts an Dir auszusetzen! Das will ich doch zu Deinem Lob sagen, Du kannst Deine Sache, Du brauchst Dich vor keinem zu schämen. Zeig' was Du kannst, mein Junge! Halt Deine Schicht ein, so daß die Kameraden Dich nicht ins Schlepptau zu nehmen brauchen, und drück' Dich nicht, wenn die Reihe an Dir ist!" Betrüg' auch den Biermann nicht um seine Flaschen!" warf Albert Olsen dazwischen. Otto puffte ihn in die Seite. Nein, auch das nicht," sagte Stolpe und lachte.Dann ist da noch zweierlei," fügte er ernsthaft hinzu.Hüt' Dich davor, daß die Mädels in der Arbeitszeit nicht unten am Gerüst herumlaufen, das sieht nicht gut aus, und halt stets die Kameradschaft hoch! Es gibt nichts Erbärmlicheres als das Wort Streikbrecher!" Hört, hört!" rief man um den Tisch herum.Der Hieb sitzt!" Frederik saß da und lauschte mit einem verlegenes Lächeln. Er hatte einen neuen weißen Maurcranzug an, und» auf seinem runden Kinn saßen ein paar dunkle Flaumhaare, die er jeden Augenblick befingerte. Er wartete gespannt: darauf, daß der Alte fertig werden sollte, damit er Brüder- schaft mit ihm trinken konnte. Und nun, mein Junge," sagte Stolpe und nahm den) Teckel von dem Topf,nun bist Du in die Zunft der Gesellen aufgenommen und sollst willkommen sein! Prost, mein Junge!" Mit einem kleinen listigen Augenblinzern setzte er den Topf an den Mund und trank. Prost, Vater!" antwortete Frederik mit leuchtenden Augen, als ihm der Vater das Trinkhorn reichte. Es ging weiter um den Tisch herum. Die Frauen kreischten, che sie tranken. Es war voll von Bayerischein Vier,� und in der braunen Flüssigkeit schwammen bayerische Würstel, und wäh- rend das Trinkhorn seine luftige Runde uin den Tisch machte, stimmte Stolpe das Maurerlied an, die anderen sangen den Kehrreim mit: Daß der Mann dort in weißer Mutz' und Bluse Ein Maurer ist, das weiß jeder Schuft. Gebt ihm Stein und Kalk, und die schönsten Häuser, Die baut er Euch auf in der bloßen LufU