ausgeroitek Serie«, Uni geschah eS auch. Den jüngsten der Chane hatte Schamhl beseitigt, er hatte ihn in einen Abgrund gestürzt." Ganz Awarien unterwarf sich nun Hamsat, nur wir zwei, ich und mein Bruder, unterwarfen uns nicht. Wir hatten die Chane an ihm zu rächen und forderten sein Blut. Zum Scheine zwar unterwarfen wir uns, doch dachten wir immer nur daran, wie wir unser Rachewerk ausführen könnten. Wir berieten uns mit unserem Großvater, dem Silberschmied, und beschlossen, den Augen- blick abzupassen, da Hamsat den Palast verlassen würde, und ihn dann aus dem Hinterhalt zu töten. Unser Gespräch war jedoch belauscht und Hamsat hinterbracht worden. Er ließ den Groß- Vater vor sich kommen und sprach zu ihm: Höre einmal, wenn es wahr ist, daß deine Enkel Böses gegen mich im Schilde führen, bann soll du mit ihnen zusammen an demselben Galgen hängen! Ich tue Gottes Werk, und niemand soll mich daran behindern. Nun geh und merke es dir, was ich gesagt habe." Der Großvater kam heim und sagte uns alles. Da beschlossen wir, nicht länger zu warten, sondern unseren Plan gleich am nach- sten Feiertag in der Moschee zur Ausführung zu bringen. Die Freunde, die wir eingeweiht hatten, weigerten sich mitzugehen, und so blieben wir beide, ich und mein Bruder, ganz allein übrig." Wir nahmen jeder eine Pistole, hingen unsere Filzmäntel um und gingen nach der Moschee. Hamsat erschien, von dreißig Muriden begleitet. Sie hatten alle die blanken Säbel in der Hand. Asselder, sein Liebling derselbe, der der Mutter der Chane den Kopf abgeschlagen hatte sah uns und rief, wir sollten die Filzmäntel abtun. Als er auf uns zukam, zückte ich den Dolch nach ihm und erstach ihn. Dann warf ich mich auf Hamsat, aber mein Bruder Osman hatte bereits nach ihm geschossen. Hamsat lebte noch und stürzte sich mit dem Dolch auf den Bruder, doch ich schoß ihn durch den Kopf, daß er tot niederfiel. Die Muriden waren zu dreißig, und wir nur zwei. Meinen Bruder Osman töteten sie, ich aber konnte mich ihrer erwehren, sprang zum Fenster hinaus und entkam." Als es ruchbar wurde, daß Hamsat getötet sei, erhob sich das ganze Volk, und die Muriden entflohen. Die nicht mehr ent- fliehen konnten, wurden niedergcmacht." Chadschi-Murat hielt inne und schöpfte tief Atem. So weit war alles gut," fuhr er fortdann aber ward alles verdorben. Schamhl trat an Hamsats Stelle. Er schickte Boten zu mir und ließ mir sagen, ich solle mit ihm gegen die Russen ziehen falls ich mich weigerte, drohte er, Chunsach zu zerstören und mich zu töten. Ich ließ ihm antworten, daß ich weder zu ihm kommen noch dulden würde, daß er zu mir käme." (Fortsetzung folgt.) Oer gute alte Kasper. Von Erich Schlaikjer. Als unsereins noch in den Knabenjahren war, war die Kasper- Hude noch die umlagerte Stätte des Entzückens, wo man gerne eine halbe Stunde umherstand, um den Beginn der Vorstellung abzuwar- ten. Ohne den mundfrechen und schlagfertigen Kasper gab es ja gar kein richtiges Jahrmarktsvergnügen. Wenn man heute durch die Budenstadt desHamburger Doms" wandert(des größten Volks- Marktes, der überhaupt noch erhalten ist) sucht man den Kasper ver° gebcns. Der Dom ist zwar nicht zu vornehm geworden(das ist auch gar nicht seine Aufgabe), wohl aber zu modern, zu kompliziert, zu raffi- niert, zu industriell. Neben all dem mechanischen Maschinenkram würde der gute alte Kasper sich vorkommen, wie ein schleswig-hol- steinischer Fischer in einer Premiere der Kammerspiele. Man findet auf dem Dom Rutschbahnen und Karussells, die kostspielige indu- strielle Unternehmen sind, aber den Kasper findet man nicht. Nicht der Dom ist für Kasper, aber Kasper ist für den Dom zu vornehm, zu naiv, zu phantastebegabt geworden.--- Glücklicherweise braucht man vom Dom nur nach St. Pauli einzubiegen: dort findet man den lieben alten redlichen Kasper noch; dort spricht er wie vor Jahrhunderten plattdeutsch und ver- haut noch immer erfolgreichDod",Deuwel" und Obrigkeit. Wer sich unter das lauschende Publikum mischt, wie es Julius S t i n d e so gern tat, als er noch Werksührcr in einer chcnnschcn Fabrik in Hamburg war, könnte nun freilich an Kaspers Vornehmheit irre werden.' Es kann nicht gut verschwiegen werden, daß man Kaspers plattdeutsche Redeweise in einem Lehrbuch des sogenanntenguten Tons" vergebens suchen würde. Er benennt auch die diskretesten Gegenstände und Körperteile mit einer Unverfrorenheit, als käme er mitten aus der Natur heraus und hätte mit der Verweichlichung der Kultur noch keine Bekanntschast gemacht. Wir alle kennen und schätzen den bescheidenen Teil unseres Leibes, auf dem wir sitzen: wer aber wagte ihn zu nennen? Und wer riskierte gar, ihn in einer gesitteten Gesellschaft mit seiner natürlichen Stimme reden zu lassen? Kasper aber spricht von ihm, als wäre es die einfachste Sache von der Welt und wenn er damit einen komischen Effekt er- zielen kann, gibt er ihm auch die Stimme wieder, die ihm �das Ge- bot der guten Gesellschaft genommen hat. Wer sich in einem solchen Augenblick inmitten der harrenden Jugend befindet, kann einen Jubelausbruch erleben, den anzuhören sich lohnt. In jedem Jun- gen steckt die unbändige Lust, der bleichroangigen Kultur zugunsten bep angeborenen Farbe der Entschließung ein Schnippchen zu schlagen. Wenn darum Kasper«S tut. handelt er in ihren Augen wie ein rechter Held, wie ein Triumphator über die schwächlichen Sitten her Schulmeister. Und sie jubeln ihm zu.--- Mit der Vornehmheit Kaspers aber hat es trotzdem seine Richt» tigkeit, nur daß man den Begr- ff künstlerisch fassen mutz, wie Kasper ja selber ein ungetvasche wr Künstler ist. Die Marionetten- die an Drähten bewegt werden haben, wie im richtigen Theater, einen Vorhang, auswechselbare Hintergründe, Kulissen, Versenkun» gen, Zauber- und Lichteffekte. Kasper dagegen verzichtet auf all und jede Ausstattung seiner Bühne; er hat nur den viereckigen Aus» schnitt eines Leinenzeltes md muß alles übrige durch sein leben- diges Wort erreichen. Das nenne ich vornehm. Außerdem braucht er nicht so steif und eckig zu erscheinen, wie Drahtpuppen stets erscheinen müssen, mögen sie auch noch so geschickt geleitet wer- den: in seinem Kopf steckt der Zeigefinger eines Menschen, während Daumen und Mittelfinger die Arme bewegen. Dadurch aber wird Kasper etwas von Fleisch und Blut. Es steckt tatsächlich mensch-- liches Leben in ihm, und das ist wiederum vornehm. Wer den vor- nehmen und doch so urwüchsigen Burschen im Hause zu haben wünscht, soll seinen Kindern mit den prächtigen Figuren eine Freude machen, die nack» Modellen von Carlo Böcklin bei Gebauer u. Schwetschke in Halle zu haben sind. Die Figuren sind aus einem Material hergestellt, das einen gehörigen Puff verträgt, und der Preis ist bescheiden. _ Es braucht uns natürlich nicht zu wundern, daß der vornehme Kasper auch vornehme Freunde gefunden hat. Die bekannte fran- zösische Schriftstellerin George Sand hielt sich aus ihrem Land- gut Nohant von 1847 bis zu ihrem Tode 1876 eine vollständige Kasperbühne, für die sie eine große Reihe von Szenen dichtete. Aus ihrer Liebe zum Kasper darf man schließen, daß sie eine gute Beobachterin seiner Leistungen gewesen ist, und darum freut mich besonders eine ihrer Wahrnehmungen, die ich persönlich auch ge- macht habe. In einem Roman, der 1869 erschien, sagt sie unter anderem:Und scheint es Ihnen nicht, als ob alle seine Gemüts- bewegungen sich in seinen Zügen widerspiegeln? Ist es nicht er- staunlich, wie dieser nur oberflächlich angedeutete Kopf, der nahebei so unschön ist, im Widerschein des Lichtes plötzlich eine solche Wahr- heit des Ausdrucks gewinnt? Glauben Sie mir, wenn ein wirk- licher Künstler diesen Kasper bewegt, natürlich auf einer Bühne, deren Matze der Figur angepaßt sind, so vergessen Sie vollständig die Größenverhältnisse, ja, Sie vergessen sogar, daß die Stimme der Figur nicht deren eigene ist." Was mir noch wunderbarer ev» scheinen will, ist der Umstand, daß diese Täuschung nicht nur bei einemoberflächlich angedeuteten Kopf", sondern auch bei einen» Kopf zutrifft, der einen ganz ausgesprochenen hölzernen starrv, Ausdruck erhalten hat. Der Kopf des deutschen Kaspers zeigt im allgemeinen ein verwegenes Grinsen, meistens sogar ein mit Hand» festen Mitteln sehr schroff< usgedrücktes Grinsen. Und doch habe ich mich immer darüber ertappt, wie dieser ewig grinsende, ii» Wirklichkeit völlig unveränderliche Kopf' alle Regungen des Spieles ausstrahlte. Auch dem naiven Publikum der Kasperbühne ergeht es durckaus nicht anders, wie der tatsächliche Vorfall mit einem jungen holsteinischen Landmädchen beweist. Kasper hatte auf Platt- deutsch etwa den Satz zu sagen:Ich bin ein quicker Kerl, aber was'n Wunder: ich bin ja auch aus Quickborn ." Das Landmäd- chen, das vor der Bude stand, brach dabei ganz impulsiv in die Worte auS:Mein Gott, da bin ich ja auch her, und Kasper be- gann nun, sie nach allen Verhältnissen der gemeinsamen Heimat auszuforschen, worauf sie ganz ernsthaft und ehrlich Bescheid er- teilte bis das Gelächter der Umstehenden sie aus der Täuschung wach rief und Kasper wieder eine Puppe wurde, nachdem er eine Weile ein lebendiger Mensch aus ihrem Dorfe gewesen war. Worauf beruht diese Erscheinung, die im Grunde seltsam genug ist? Es ist schließlich doch keine Kleinigkeit, eine 29 Zentimeter große Puppe für einen lebenden Menschen zu halten und aus einem starren hölzernen Gesicht alle Regungen des Gefühls ab- lesen zu können. Es beruht meines Erachtens auf der psychologi- schen Tatsache, daß unser Auge vom Gesicht immer nur sieht, was die jeweilige Situation zu sehen zwingt. Ein in die Breite ge» zogcner Mund kann sowohl lachen als weinen; es kommt nur dar- auf an, wie wir die umgebenden Partien sehen, und die angeregte Phantasie zwingt das Auge, sie in ihrem Sinne aufzufassen. Sehen wir aber erst ein Gesicht, das alle Regungen der Seele widerstrahlt, kommt bei einem naiven Landmädchen der Glaube an einen leben- digen Menschen ganz von selber. Wem die George Sand nicht vornehm genug sein sollte, um Kasper in das Reich der gedruckten Literatur hineinzuführen, mag daran erinnert werden, daß auch Goethe sich Eckermann gegen- über über den italienischen Kasper ausgelassen hat. und zwar in einer Weise, die deutlich die Verwandtschaft des plattdeutschen Kaspers mit seinem italienischen Stammvater erkennen läßt. Wenn aber Goethe zu Eckermann über ihn gesprochen hat, kann ein Goethe- Professor ruhig ein Buch und ein normaler Mensch ruhig ein Feuille- ton an die Sache riskieren. Der gute alte Kasper hat denn auch richtig einen wissenschaftbchen Biographen gefunden, nämlich Johs. E. Rabe, der ihm bei C. Boysen in Hamburg ein Buch gewidmet hat, das die Freunde der Kasperbühne gern lesen werden/ um so mehr, als der Verfasser in sehr dankenswerter Weise die Texte der alten Kasperstücke beibringt, wie sie Mitte deS vorigen: Jahrhunderts und heute noch auf St. Pauli in Hamburg gespielt werden. Wer von dramatischen Dingen etwas versteht, wird ge- legcntlia.) über die verblüffende Frische und Echtheit deß Dialogs