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thr überhaupt nichts zwischen den Fingern weg. Wenn Belle, Turban hier"-Chadschi- Murat zeigte nach dem Turban auf in der Werkstatt war, stellte sie die ganze Geschichte auf den seiner Müße„ aufgesett hätte, sagte er dem General, und legie Kopf, scheuerte und schruppte urid hatte etwas Gutes für dies dahin aus, daß ich mich damit als Anhänger Schamyls bes ihn zu Tisch bereit. Des Abends war sie draußen vor der Werkstattür und wartete auf ihn. Dann machten sie einen Spaziergang am Kanal entlang und über den grünen Wall, wo die Kinder spielten. Ellen hing schwer an seinem Arm. Nein, Belle, wie ich mich heute nach Dir gesehnt habe!" sagte sie zögernd. Jetzt habe ich Dich ja und doch tut es mir ganz weh in meinen Brüsten; sie wissen noch nicht, daß Du bei mir bist."
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Wollen wir heute abend nicht ein wenig arbeiten, nur eine Viertelstunde?" pflegte sie zu sagen, wenn sie gegessen hatten, um so eher wirst Du Meister und kannst es Dir ein wenig gemütlicher machen." Belle hatte vielleicht mehr Lust, einen Abendspaziergang mit ihr durch die Stadt zu machen oder irgendwo hinzugehen und den Sonnenuntergang zu genießen, aber ihre dunklen Augen schlossen sich um ihn.
Sie war voller Tatkraft in all ihrer Liebe, und immer war er es, um den sich alles drehte. Es lag etwas in ihrem Wesen, das die Möglichkeit ausschloß, an sich selbst zu denken. Im Verhältnis zu ihr selbst war ihr alles gleichgültig, nur zusammen mit ihm wünschte sie und für ihn! Sie war unberührt und mildtätig wie neue Erde; Pelle hatte die Liebe in ihr wachgerufen, als unaufhörliches Bedürfnis zu geben. Er fühlte demütig, daß alles, was sie hatte, das brachte sie ihm als Gabe, und er tat alles, um ihre Freigebigkeit zu bergelten.
Er hatte es abgeschlagen, die Leitung der Organisation zu übernehmen. Das Zusammenleben mit Ellen, die Aufrechterhaltung der neugegründeteen Häuslichkeit ließ ihm feine Zeit zu einer anstrengenden Wirksamkeit nach außen hin. Ellen mischte sich nicht da hinein; aber wenn er nach Hause fam und seine Abende in Versammlungen zugebracht hatte, sah sie verweint aus. Es war dies eine Schwäche, daß er es nicht verstand, ihr auf andere Weise entgegenzutreten, und so blieb er denn bei ihr zu Hause und er entbehrte nichts. Ellen gab ihm reichlichen Ersatz. Sie verstand es, das kleine Heim um ihn zu schließen und es zu einer Welt von reichem, innigem Leben zu machen. Ein größeres Glück gab es nicht, als sich ein festliches Ziel zu seßen, einen Blumentopf aus Borzellan, der mit dem Aspediſtrum auf dem Fensterbrett stehen konnte. Dazu gehörte eine Woche Ueberlegen und Sparen, undd wenn sie ihn dann bekommen hatte, gingen sie Arm in Arm auf die andere Seite des Kanals hinüber und guckten zu den Fenstern hinauf, um die Wirkung zu sehen. Und dann tauchte etwas Neues auf: eine Brotmaschine, ein graviertes Namenschild; jeder Sonnabendabend bedeutete eine kleine Neuerwerbung. Der Arbeiter" lag da und wurde nicht gelesen. Wenn Belle seine Arbeit einen Augenblid weglegte, um hineinzugucken, war Ellen da und zwickte ihn mit ihren Lippen ins Ohr. Seine freie Zeit gehörte ihr, und es war eine herrliche Zerstreuung von der Arbeit, sorglos zu spielen wie zwei junge Hunde, weit herrlicher, als die Last der Sklavenverhältnisse der großen Menge zu tragen. Dann wurde das Blatt gekündigt. Ellen bekam das Geld jede Woche für ihren Spartopf. Sie hatte sich eine Ecke an der Marktstraße ausersehen, wo sie einen Laden und Werkstatt mit drei, vier Burschen einrichten wollten; dazu sparte fie zusammen. Belle mußte ihre Klugheit bewundern, denn das war eine gute Gegend.
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Melifow.
gleich.
( Fortsetzung folgt.)
( Nachdruck verboten.)
Chadfchi- Murat.
Von Leo Tolstoi . Warum bist Du nicht zu ihm gegangen?" fragte LorisChadschi- Murat runzelte die Stirn und antwortete nicht so" Ich durfte es nicht. An Schamyl flebte das Blut meines Bruders Osman und des jungen Chans Abununzal. Nein, ich ging nicht zu ihm. Rosen, der General, schickte einen Offizier zu mir und befahl mir, den Befehl über Awarien zu übernehmen. Nun wäre das ja recht gut gewesen, aber Rosen hatte vorher den Chan Mahomet- Mirsa von Nasi- Kumykst und nach diesem AchmetChan über Awarien gesetzt. Diefer hatte einen Haß auf mich, er hatte einmal für seinen Sohn um die Schwester der Chane von Chunfach angehalten und schrieb es mir zu, daß seine Werbung abgewiesen wurde. Er schickte seine Trabanten, die mich töten sollten, doch entfloh ich ihnen. Da verleumdete er mich beim General Klugenau, dem er jagte, ich hätte es den Awaren verboten, den russischen Soldaten Holz zu geben. Auch daß ich diesen
fenne. Der General aber glaubte ihm nicht und ließ nicht zu, daß mir auch nur ein Haar gekrümmt würde. Doch als der Generak nach Tiflis gefahren war, rückte Achmet- Chan mit einer Kompagnie Soldaten gegen mich heran und nahm mich gefangen. Er ließ mich in Ketten schmieden und an eine Kanone binden." " Sechs Tage und sechs Nächte mußte ich so verharren. Am siebenten Tage wurde ich losgebunden und nach Temir- ChanSchura abgeführt. Vierzig Soldaten mit geladenen Gewehren brachten mich dahin. Meine Hände waren gefesselt, und es war Befehlt erteilt, mich zu töten, wenn ich einen Fluchtversuch machen sollte. Ich wußte das. Als wir uns dem Motsoch näherten, wurde der Weg, auf dem wir marschierten, ganz schmal. Zur Rechten 30g sich ein Abgrund hin, wohl fünfzig Klafter tief. Ich entfernte mich von den Soldaten nach rechts hin, nach dem Rande des Abgrundes. Der Soldat, der neben mir herging, wollte mich zurückhalten, doch ich machte einen Sprung nach dem Abgrund hin und zog den Soldaten mit. Er blieb zerschmettert unten liegen, ich aber kam mit dem Leben davon. Die Rippen, der Schädel, die Arme und Beine alles war gebrochen. Ich versuchte zu kriechen, vermochte es jedoch nicht. Ein Schwindel befiel mich, und ich wurde ohnmächtig. Als ich erwachte, war ich ganz durchmäßt von Blut. Ein Hirt fand mich und rief Leute herbei, die mich in ein Dorf brachten. Die Rippen und der Kopf wurden heil, und auch die Gliedmaßen heilten, nur daß das eine Bein kürzer blieb." Und Chadschi- Murat streckte das kürzere Bein vor.
„ Es tut immer noch gute Dienste," fuhr er fort. Als die Leute hörten, wie ich die Freiheit wiedergewonnen hatte, tamen fie herbei, um mich zu sehen. Sobald ich gesund geworden, begab ich mich nach Belmes. Die Awaren forderten mich auf, wieder über fie zu gebieten, und ich willigte ein," sagte er mit ruhigem, selbste bewußtem Stolze.
aus einem seiner Reisesäde, zog daraus zwei vergilbte Briefe Chadschi- Murat erhob sich rasch. Er nahm ein Portefeuille hervor und reichte den einen davon Loris- Melifow. Es war ein Brief des Generals Klugenau. Loris- Melitow las ihn- er lautete:" An den Fähnrich Chadschi- Murat. Du hast mir gedientund ich war mit Dir zufrieden und hielt Dich für einen guten Menschen. Kürzlich aber hat Achmet- Chan mich benachrichtigt, daß Du ein Verräter bist, daß Du den Turban um Dein Haupt gelegt hast, daß Du zu Schamyl in Beziehungen stehst und dem Bolte predigst, es solle der russischen Obrigkeit nicht gehorchen. Ich gab Befehl, Dich festzunehmen und mir vorzuführen, doch Du bist entflohen; ich weiß nicht, ob dies für Dich gut oder schlimm ist, da ich nicht weiß, ob Du schuldig bist oder nicht. Höre nun, was ich Dir sage. Wenn Du vor dem großen Zaren ein reines Gewissen hast und Dich unschuldig fühlst, dann erscheine vor mir. Fürchte Dich vor niemand ich bin Dein Beschüzer. Der Chan kann Dir nichts anhaben; er steht selbst unter meiner Botmäßigkeit. Du hast also nichts zu fürchten." Weiter schrieb Klugenau noch, er habe stets sein Wort gehalten und sei stets gerecht gewesen, und zum Schluß ermahnte er Chadschi- Murat nochmals, sich ihm zu ſtellen.
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Als Loris- Melifow den ersten Brief gelesen hatte, wies Chadschi- Murat nach dem zweiten, übergab ihn jedoch nicht sogleich dem adjutanten, sondern erzählte erst, was er auf jenen ersten Brief geantwortet habe. " Ich schrieb ihm: ich trage wohl den Turban, jedoch nicht um Schamyls, sondern um meines Seelenheils willen; zu Schamyl fönne und wolle ich nicht übergehen, da er schuld sei, daß mein Vater, meine Brüder und viele meiner Verwandten getötet worden seien. Doch auch zu den Russen könne ich nicht übergehen, da ich von ihnen schmählich beleidigt worden sei. Als ich in Chunsach gefesselt am Boden lag, habe einer von ihnen mich mit seinem Kot besudelt, und ich könne nicht eher zu ihnen übergehen, als bis dieser Mensch getötet sei. Vor allem aber sei ich in Furcht vor dem Lügner Achmet- Chan.
Da schrieb der General mir diesen zweiten Brief," sagie Chadschi- Murat und reichte Loris- Melikow ein zweites vergilbtes
Blatt.
" Ich danke Dir für die Antwort, die Du mir auf meinen Brief gesandt hast," las Loris- Melikom. Du schreibst, es geschehe nicht aus Furcht, daß Du nicht zurückkehrst, sondern wegen der Schmach, die Dir von einem Giauren angetan worden. Ich versichere Dich aber, daß das russische Gesetz gerecht ist, und vor Deinen Augen soll derjenige bestraft werden, der es gewagt hat, Dich so schwer zu beleidigen. Ich habe schon Auftrag gegeben, diese Angelegenheit zu untersuchen. Doch höre nun weiter, Chadschi- Murat. Ich hätte wohl ein Recht, mit Dir unzufrieden zu sein, weil Du mir und meinem Ehrenwort nicht traust, doch verzeihe ich Dir, da ich weiß, daß Ihr Bergbewohner überhaupt sehr mißtrauisch seid. Wenn Dein Gewissen rein ist, wenn Du den Turban nur um Deines Seelenheils willen aufgesett haft, dann bist Du im Recht und kannst der russischen Obrigkeit und auch mir offen ins Auge sehen. Jener Mensch, der Dich so schwer beleidigt hat, soll, dessen versichere ich Dich, schwer bestraft werden, auch Dein Vermögen soll Dir zurückgegeben werden, und Du wirst sehen und erkennen, was das russische Gesetz bedeutet. Um so mehr, als die Russen die Dinge anders ansehen, als Jhr, in ihren Augen nämlich bist Du dadurch, daß irgendein Schurte sich so schändlich gegen Dich benommen hat, durchaus nicht entehrt. Ich