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ftarren, als intereffiere es sie sehr, zu sehen, wie die andern billig zu Brot kommen. Sie stehen und warten auf das Wunder in Form einer Scheibe Brot. Man kann das an der Art und Weise sehen, wie ihre Augen jede Bewegung berfolgen, in derselben verzweifelten Hoffnung, wie e in dem Blick der Hunde liegt, wenn sie an dem Schlachterwagen stehen und den Himmel anflehen, daß der Schlachter ein wenig fallen lassen möge. Sie begreifen nicht, daß nicht irgendeiner sich ihrer erbarmt. Nicht wir Menschen- Du solltest ihre Ueberraschung sehen, wenn wir ihnen etwas gäben, sondern der Zufall, das Unglück. Großer Gott, Brot ist so billig, das billigste von allem wichtigen auf dieser Erde, und doch können sie nicht einmal genug davon bekommen! Heute morgen steckte ich einer alten Frau ein Brot zu, und sie küßte es und weinte vor Freude. Findest Du, daß das zum Aushalten ist?" Er starrte Pelle an, es lauerte Wahnsinn in seinem Blick.
Du tust mir unrecht, wenn Du glaubst, daß ich es nicht auch fühle," sagte Pelle still.„ Aber wo führt ein schneller Weg aus diesem Uebel heraus? Wir müssen langmütig sein und uns organisieren und auf die Zeit hoffen. Uns unser Recht nehmen, so wie sie das anderswo tun, dazu taugen wir nicht." Nein, das ist es in gerade! Man weiß, daß wir nicht dazu taugen. Darum tann die Gerechtigkeit nicht gedeihen. Das Volk bekommt nur, was ihm zukommt, wenn die Leitenden wissen, daß sie es sich im schlimmsten Fall selbst schaffen fönnen."
1881
( Fortsegung folgt.)
( Nachdruck verboten.)
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eines zwanziggradigen Frostes, auf dem Bod des eleganten fleinen Schlittens à la Nikolaus am Eingang des Winterpalais hielt und dem ihm befreundeten Kutscher des Fürsten Dolgoruti zunidte, der seinen Herrn bereits vor einer ganzen Weile hergebracht hatte und nun, die Zügel unter dem dick auswattierten Gesäß, vor der Anfahrt wartend sich die erfrorenen Hände rieb. Tschernyschew trug einen Mantel mit weichem, grauem Biberfragen über der Uniform und einen Dreispitz mit Hahnenfedern auf dem Kopfe. Er schlug das Schuyleder aus Bärenfell zurück, steckte vorsichtig die erfrorenen Beine aus dem Schlitten, setzte die forenklingenden Stiefel, die, wie er mit Stolz fich zu rühmen pflegte, noch nie in Galoschen gesteckt hatten, rüstig auf den Läufer und schritt nach der Eingangss für zu, die der Schweiger ehrerbietig vor ihm öffnete. Im Vorzimmer übergab er seinen Mantel dem auf ihn dienstfertig zu eilenden alten Kammerdiener, trat vor den Spiegel und nahm vorsichtig den Hut von der gefräuselten Berüde. Als er sein Aeußeres im Spiegel gemustert und mit gewohnter Handbewegung seine Fris sur an Scheitel und Schläfen geglättet, sowie das Kreuz am Halse, die Achselstücke und die großen Epaulettem mit dem Namenszug des Kaisers zurechtgerückt hatte, stieg er, mit den alterssteifen Beinen vorsichtig ausschreitend, die teppichbelegte steile Treppe hinan. An den in Paradeuniform vor den Türen stehenden, sich tief verneigenden Hoflataien vorüber gelangte Tschernyschew in der Audienziaal. Der diensttuende Flügeladjutant, der soeben erst zu dieser Würde ernannt worden war, trat ihm, über das ganze noch nicht abgelebte, schnurrbartgezierte Antlik strahlend, in der funkelnagelneuen, mit Epauletten und Achselstücken geschmückten Uniform ehrerbietig entgegen.
Fürst Wassilij Dolgoruki, der Gehilfe des Kriegsministers, be= grüßte diesen mit einem gelangweilten Ausdrud in dem geistlosen Gesichte, dessen Badenbart, Schnurrbart und Schläfenhaar genau nach dem Vorbild des Kaisers zugeschnitten war.
„ Der Kaiser?" wandte sich Tschernyschew an den Flügeladjutanten, während er einen fragenden Blid nach der Tür des Kabis nette warf.
Seine Majestät ist eben eingetreten", fagte der Flügeladjutant, offenbar mit Wohlgefallen dem Klange seiner eigenen Stimme lauschend. Mit weichem Schritt, so gleichmäßig hinschwebend, daß aus einem auf seinen Kopf gestellten vollen Glase Wasser nicht ein Tropfen verschüttet worden wäre, trat er, in seinem ganzen Wesen die Hochachtung vor dem Raume ausdrüdend, den er zu betreten im Begriff stand, auf die Kabinettür zu, öffnete fie lautlos und verschwand hinter ihr.
Dolgoruti hatte inzwischen sein Bortefeuille geöffnet und in den darin befindlichen Schriftstüden geblättert.
Dieser Bericht wurde am 24. Dezember aus Tiflis abgesandt. Am Vorabend des Neujahrs 1852 überbrachte ein Feldjäger, nachdem er ein Dußend Pferde müde gejagt und ebenso viele Postillione blutig geprügelt hatte, das Schreiben dem damaligen Kriegsminister Fürsten Tschernyschen, und am 1. Januar 1852 brachte Tscherny- streďte seine Beine und faßte in Gedanken noch einmal alles zu Tschernyschew ging mit düsterer Miene im Zimmer auf und ab, schew, als er sich zum Zaren Nikolaus zur Audienz begab, in seinem sammen, was er dem Kaiser vortragen wollte. Er ging gerade ar Portefeuille unter anderen Schriftstücken auch diesen Bericht der Tür des Kabinetts vorüber, als diese sich wieder öffnete und der Woronzows mit.
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Das Winterpalais war nach dem Brande längst wieder restauriert, doch Zar Nikolaus bewohnte immer noch ausschließlich die obere Etage. Das Kabinett, in dem er die Minister und sonstigen zum Vortrag befohlenen hohen Würdenträger empfing, war ein sehr hoher Raum mit vier großen Fenstern. Ein großes Porträt Kaiser Alexander 1. hing an der Hauptwand. Zwischen den Fenstern befanden sich Bulte, an den Wänden einge Stühle. In der Mitte des Zimmers stand ein mächtiger Schreibtisch, davor der Sessel des Kaisers und daneben ein paar Stühle für die zum Vortrag Befohlenen.
Tschernyschew liebte Woronzow nicht, sowohl wegen der all- Flügeladjutant, noch strahlender und ehrerbietiger als vorher, aus gemeinen Hochschäzung, deren Woronzow sich erfreute, als auch ihr heraustrat. Mit einer einladenden Handbewegung bedeutete er wegen feines Reichtums, sowie endlich darum, weil Woronzow ein dem Minister und seinem Gehilfen, daß sie eintreten möchten. echter Grandjeigneur, er selbst aber nur ein Barbenu war hauptsächlich jedoch, weil der Kaiser für Woronzow ein ganz besonderes Wohlwollen hegte. Mit Eifer nahm daher Tschernyschew jede Gelegenheit wahr, Woronzow beim Zaren nach Kräften anzuschwärzen. Bei seinem letzten Vortrag über die kaukasischen Angelegenheiten war es Tschernyschet gelungen, die Unzufriedenheit des Zaren mit Woronzows Maßnahmen zu erregen: infolge mangelnder Voraussicht auf seiten der Heeresleitung war nämlich, wie er zu berichten wußte, eine fleinere Kosakenabteilung von den Bergbewohnern aufgerieben worden. Jetzt hoffte er nun, die Anordnungen, die Woronzow betreffs Chad chi- Murats getroffen hatte, in einem schlechten Lichte erscheinen zu lassen. Er hoffte, den Kaiser davon überzeugen zu können, daß Woronzowo nicht richtig handelte, wenn er, in schwächlicher Nachgiebigkeit gegen die Wünsche der eingeborenen Bevölferung und offenbar zum Nachteil der russischen Sache, Chadschi- Murat im Kaukasus beließ; es sei mehr als wahrscheinlich, daß Chadschi- Murat nur gekommen sei, um die Stärke der russischen Streitfräfte zu erkunden. Jedenfalls sei es besser, Chadschi- Murat irgendwo im Zentrum des Reiches zu internieren und seine Person erst dann auszuspielen, wenn seine Familie von russischer Seite ausgelöst wäre und man seines Gehorsams sicher sein könnte. Dieser Plan sollte Tschernhschew jedoch nicht gelingen, und zwar lediglich aus dem Grunde, weil Nikolaus am Morgen des 1. Januar sich in ganz belonders schlechter Laune befand und aus reinem Widerspruchsgeist jeden ihm unterbreiteten Vorschlag, was er auch enthalten, und von mein er auch ausgehen mochte, unbedingt verworfen hätte. Um so weniger war er geneigt, gerade auf Tschernyschews Plan einzugehen, der er auf seinem Boften nur duldete, weil er ihn vorderhand für unerseßlich ansah, während er ihn tat sächlich für einen großen Schurken hielt, der, wie ihm wohl bekannt war, im Dekabristenprozeß seinen Schwager Sachar Tschernyschew ins Unglück stürzte, um sich hinterher seines Vermögens zu bemächtigen. Dank der schlechten Laune des Zaren Nikolaus also durfte Chadschi- Murat im Rautaus bleiben, und sein Schicksal blieb unverändert, während es sicherlich eine andere Wendung genommen hätte, wenn Tschernyschem seinen Bericht zu einer andern Zeit gehalten hätte.
Ge war gegen halb zehn Uhr, als Tschernyschews dider, bärtiger Butscher in seiner himmelblauen, spikkantigen Samtmüze im Nebel
Bar Nikolaus saß in einem schwarzen Uniformrode mit dünnen Achselschnüren ohne Epauletten am Tische, streďte die breite, prall eingezwängte Brust über dem starten Embonpoint weit vor und sah die Eintretenden mit seinem leblosen Blide starr an. Das lange, weiße Geficht mit der mächtigen, borspringenden Stirn, die über dem glatt angefämmten Schläfenhaar hoch aufstieg und sich unter der an die Haarreste geschickt angepaßten Perüde in einer Glaze fortsette, erschien heute ganz besonders kalt und unbeweglich. Seine auch sonst stets trüb blidenden Augen schauten heute noch früber drein, und die unter dem spit nach oben gedrehten Schnurrbart hervortretenden welfen, alten Rippen, die durch den hohen Kragen festgehaltenen frisch rasierten, feisten Wangen mit der übriggelassenen Backenbartstreifen und das in den Kragen eingezwängte Kinn verliehen seinem Gesichte der Ausdruck der Unzufriedenheit, ja jogar des Zornes.. Seine schlechte Stimmung hatte in starker Uebermüdung ihren Grund. Die Ursache dieser Uebermüdung, aber war, daß er am Abend vorher an einer Redoute teilgenommen hatte, wo er sich, wie gewöhlich, in seinem adlergeschmückten Chevaliergardeheim unter das Publikum zemischt hatte, das einerseits nach ihm hindrängte, andererseits von seiner riesigen, selbstbewußten Gestalt scheu zur Seite auswich. Er war da wieder jener Maste begegnet, die schon bei der letzten Redoute durch ihre elegante Figur und ihre wohlklingende Stimme seine greifenhafte Sinnlichkeit erregt hatte, dann aber, nachdem sie versprochen, auch den nächsten Ball wieder zu besuchen, ihm plöblich entschlüpft war. Gestern nun war sie wieder an ihn herangetreten, und da hatte er sie nicht mehr losgelaffen. Er hatte sie nach der eigens fr diesen 8wed bereitgehaltenen Loge geführt, in der er mit ihr allein verweilen konnte. Schweigend war er bis zur Tür der Loge gelangt und sah sich nach