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zats befize. Der Kommiffar beeilte sich, dies zu bestätigent, boch Chadschi- Murat begnügte sich damit, mit dem Kopfe zu niden, zum Zeichen, daß ihm diese Tatsache wohl bekannt sei, und ging trotzdem hinaus.

Was soll man mit ihm schon machen," sagte der Kommissar. Ehe man sich's versieht, bersett er einem eins mit dem Dolche. Mit diesen Burschen ist nicht zu spaßen. Es scheint, daß er schon ungeduldig wird."

Welche Antwort sollen wir überbringen?" Die Antwort, die Gott   gibt. Nun geht."

Die Boten erhoben sich und gingen, Chadschi- Murat aber blieb, die Ellbogen auf die Knie geftüßt, in Nachdenken verjunten, fißen. Was soll ich tun? Soll ich Schamyl Glauben schenken und zu ihm zurüdfehren?" dachte Chadschi- Murat. Er ist ein Fuchs, er wird mich betrügen. Und wenn er mich auch nicht betrügt, so fann ich mich doch diesem rothaarigen Betrüger nicht unterwerfen. Ich kann es darum nicht, weil er jetzt, nachdem ich bei den Russen gewesen bin, mir nicht mehr trauen wird."

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Prozeß ganz anderer Art als bei dem Schwaben   Hölderlin  ; denn ee berliert niemals, wie dieser, den Heimatsboden und die zeitliche Ent widelung aus dem Auge.

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Robert Hamerling   war das Kind proletarischer Eltern. Er wurde am 24. März 1830 zu Stirchberg am Walde, einem niederösterreichio schen Marktflecken unweit den Städtchen Zwettl   und Weitra  , als Sohn armer Handwebersleute geboren. Bald nach seiner Geburt berloren sie ihr bescheidenes Häuschen. Der Vater wanderte in die Als es dunkel wurde, tamen aus den Bergen zwei bis an die Fremde und wurde nach seiner Rückkehr Diener eines Grafen. Augen in ihren Baschliks steckende Boten. Der Kommissar führte Die Mutter zog mit dem Knaben zu ihrem in Groß- Schönau  , einem fie in Chadschi- Murats Zimmer. Einer der Boten war ein wohl vier Stunden von Kirchberg entfernten Pfarrdorfe, verheirateten beleibter, schwarzer Lawliner, der andere ein hagerer alter Mann. Bruder. Hier besuchte Hamerling die Voltsichule bis zum 10. Lebens Die Nachrichten, die sie Chadschi- Murat brachten, waren nicht er- jahre; dann verbrachte er vier Jahre als Sängerknabe und Schüler freulich. Die Freunde, die die Rettung seiner Familie hatten ins in dem geistlichen Stift Zwettl  . Von da geht er zum Besuch des Wert feben wollen, sandten ihm eine runde Absage fie fürch Schottengymnasiums nad) Wien  . Auf seiner Jugendzeit liegen düftere teten sich vor Schamhl, der allen denjenigen, die es mit Chadschi- Schatten des Elends. Mit einem Monatslohn von sieben Gulden Murat hielten, die furchtbarsten Strafen androhte. Nachdem ichreibt der gereifte Mann in den Stationen seiner Lebenspilger Chadschi- Murat den Bericht der Boten vernommen, stüßte er die schaft hatte mein Vater als herrichaftlicher Diener wenig mehr für Ellbogen auf die untergeschlagenen Beine, ließ den mit der Lamm- die Seinen zu tun vermocht, als daß er die bescheidene Wohnungs fellmütze bededten Kopf sinten und schwieg eine ganze Weile. Er miete für sie bestritt. Was meine Mutter mit Näharbeit, ich mit fann und sann, um zu einem Entschlusse zu kommen. Er wußte, Lektionen vom fünfzehnten Jahre an erwarb, war alles, worauf sich daß ihm zum Ueberlegen feine Zeit mehr blieb, daß er unbedingt unser beider Hausbalt gründete." Dann fam die Studentenzeit, jetzt eine Entscheidung treffen mußte. Er hob den Kopf empor, ausgefüllt mit ernsthaften Studien und dichterischen Entwürfen; 30g zwei Goldstücke heraus, gab jedem der Boten eins und sagte denn der Boet war bereits in dem siebenjährigen Knaben flügge turz: hr tönnt gehen." geworden und seither ununterbrochen lebendig geblieben. Daß Hamerling auch dem Revolutionsjahr 1848 tributpflichtig wurde als Mitglied der akademischen Legion", war eine selbstverständliche Sache. Vom März bis Oktober tat er so gut wie einer seine Schuldigkeit und war bei einigen großen" Momenten dabei mit Wehr und Waffen, Kalabrefer und Legionsrock und einem schwarzrote goldenen Bande um die Brust. Hernach allerdings, gesteht er launig, hatte er außer einer Portion ehrlicher Begeisterung nichts zu opfern. Der alte verrostete Zeugbaus- Schießprügel war ihm während der Dienststunden auf der Umversitätswache gestohlen worden. Zu guter Letzt fam ibm auch noch der Säbel abbanden, den wahrscheinlich feine Mutter beseitigt hatte. Doch suchte er der Freiheit mit feiner Feder zu dienen. Von einigen Sonetten abgefehen, veröffentlichte er in Bäuerles Desterreichischem Kurier einen Artikel über Die Aufgabe des Reichstags", der benierfenswerte soziale Gedanken enthält. Im übrigen hing Hamerling   seinen dichterischen Träumen an. Auch mußte er notgedrungen auf eine Brotstelle hinarbeiten. Nachdem er feine Studien zum Abschluß gebracht und bereits in Wien   und Graz als Gymnasialhilfslehrer Verwendung gefunden hatte, war er zehn Jahre hindurch am Gymnasium in Triest   tätig. Während dieler Beit überfiel ihn ein schweres Unterleibsleiden, das seine Penfio­nierung erheischte und das ihn nun bis an seinen Tod, über dreißig Jahre lang, in eine qualvolle Watraßengruft" bannte. Es war ein tragisches Schidial obnegleichen. Wie der Gekreuzigte hing der Krante gleichsam auf offener Landstraße am Marterbola feines Leides, So bezeichnet er es selbst und fährt dann fort: Längst erscheine ich mir wie einer, der mit den Mächten der Unterwelt einen Batt geschlossen; es follte mir vergönnt sein, über die mir ursprünglich bestimmte Frist hinaus auf der Erde zu ber weilen, aber ich follte nichts als schreiben dürfen-fchreiben mit Müh und Not in allem übrigen sollte ich tot und begraben, das Leben und die Welt für mich verschlossen sein. Auch wie eine berwunichene Seele erscheine ich mir oft, die abgeschieden und in die Saiten einer Harfe oder Leier gebannt ist, und die nur mehr Ilingen tann." Hamerling starb am 18. Juli 1899 in Stiftinghaus bei Graz, wo er seit 1865 ununterbrochen gewohnt hatte. Doch sein Rame und feines Dichterlebens Wert und Wollen ward nie vergessen.

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Ein tawlinisches Märchen fiel ihm ein von dem Fallen, der gefangen gewesen war, bei den Menschen gelebt hatte und dann wieder in seine Berge zu den Falken zurückkehrte. Wohl war er zurückgekehrt aber er hatte die Fesseln und die Schellen noch an den Füßen, die er in der Gefangenschaft getragen. Und die Falten wollten nichts von ihm wissen. Flieg dahin zurück, wo man Dir die filbernen Schellen angelegt hat, bei uns trägt man weder Schellen noch Fesseln." Der Falte aber wollte durchaus in der Heimat bleiben. Da fielen die anderen Falken über ihn her und hacten so lange mit den Schnöbeln auf ihn ein, bis er tot So werben fie auch mich tothaden," dachte Chadschi- Murat Soll ich nicht lieber hier bleiben, nicht lieber dem russischen Baren helfen, den Rautasus zu unterwerfen, und damit Ruhm, Ehren ftellen und Reichtum erwerben? Das wäre fein übles Biel," sagte er sich, und die freundlichen Worte des Statthalters fielen ihm ein. Doch dann heißt es einen raschen Entschluß faffen, sonst find die Meinigen verloren."

war.

Die ganze Nacht verbrachte Chadschi- Murat schlaflos und fann und sann.

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( Fortsetzung folgt.)

Robert Hamerling  .

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Wäre dem anders, so würde der bekannte Berlag Hesse u. Beder Das Volt, aus dessen Mitte ein Josef Haydn und ein Mozart, in Leipzig   nicht schon jest mit einer von Michael Maria Raben. bies ewig strahlende Sommengestirn am Musithimmel aller Nationen Lechner besorgten Gesamtausgabe der Hamerlingscen und Zeiten, hervorging, tonnte doch keinen Schiller und Goethe er Schöpfungen hervorgetreten sein, anstatt noch bis zu ihrer gefeg zeugen; trotz der ebenso günstig oder ebenso ungünstig gelagerten lichen Freigabe( 1920) zu warten. Diese Ausgabe, die auch zugleich sozialen und politischen Verhältnisse. Ja, es läßt sich behaupten, auf Vollständigkeit Anspruch erheben tann, umfaßt 16 Bände in daß die Sinneigung zu Boefie und Musik bei den Desterreichern sehr vier starken Leinwandbänden, und wird dem Publikum zu einem viel stärker vorhanden ist als bei hen niederdeutschen Stämmen fehr billigen Preise( 10 M.) dargeboten. doch hat diese mehr in die Breite gehende Eigenschaft zur Folge, daß sehr billigen Preise( 10 M.) dargeboten. die dichterischen, aber auch die muitschöpferischen Begabungen Jett läßt fich sowohl die Fülle feiner Leistungen als auch die weniger aus der Tiefe emporsteigen. Sur einen gab es, der Goethe Flug- und Gestaltungskraft seines durch und durch poetisch- philo nabelam: Grillparzer  . Und dann noch einen, bei dem das volfische sophischen Geistes erkennen. Nicht minder die Reinheit seines Cha Wesen am ursprünglichsten und reinsten zum Ausdrud gebracht rafters, das titanische Ringen des Zweiseelen- Menschen, der voller wurde: Anzengruber. Grillparzer  , der direkte Nachzügler der ideal Inbrunst allem Gutem, insonderheit allem Schönen hingegeben, Hlassischen Beriode, und Anzengruber, der größte Volksdramatiker nach harmonischer Vollendung strebt. Beides: das glühende Sehnen deutscher Zunge, bilden die beiden ele, zwischen denen allerdings nach Schönheit und alles Menichentum innig umflammernder Liebe fich eine neue, obwohl epigonische Dichtung, ausbreitet. Eine große machte sein ureigenstes Wesen aus. Er durfte mit Recht von sich Anzahl söchst beachtenswerter 2hrifer taudt da auf, die sich fast sagen, daß wie viele ihn auch an poetischem Talent übertroffen nur wenigen in gleicher Art wie ihm der Kult gleichmäßig start über Deutschböhmen und Niederösterreich   verteilen. haben möchten Unter ihnen allen nimmt nun Robert Hamerling   eine be- des Schönen, Wahren und Rechten lebenslang ein ernstes, mit der sondere Stellung ein. Während die meisten der hervorragendsten innersten Natur verknüpftes Priestertum gewesen ist. Das Talente batch eine politisch gestimmte Kampflyrik das österreichische fann leicht aus allen feinen dichterischen Aeußerungen bis zurüd in Bürgertum wachriefen zur Opposition gegen die Metternichiche die zartesten Kindbeitstage nachgewiesen werden. Ich möchte da Staatstation, ist und will der weit jüngere Hamerling nichts anderes zuvörderst auf ein Merkmal, das allen Beurteilern Hamerlings völlig jein, denn ein Poet der Schönbeit. Ja, waren das die Lenau, entgangen ist, gerade um seiner Wichtigkeit willen, die es mir au Hartman, Meißner, Bed  , Lorm und Anastasius Grün   nicht auch? haben scheint, hindeuten. Zweifellos! Nur mit dem Unterschiede, daß ihre Schönheitsideale Es wurde schon gefagt, daß der Knabe und Jüngling durch eine vom Geiste der jie umrauschenden Gegenwart geformt und durchtränkt harte Schule der Not und Entbehrung gehen mußte. Ift es nun waren; während das Schönheitsjehnen bei Hamerling   doch nach nicht auffällig, daß an feinem seiner Gedichte die geringsten Schladen  Alt- Griechenland hinüberdrängte. In ihm vollzog fich gleichwohl ein graufiger Rüderinnerungen hängen geblieben find? Nirgends eine

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